Video Days 2016 in Köln

Youtuber zum Anfassen und viel Gekreische

Fans stehen in Köln beim Youtuber-Treffen "Video Days" neben dem roten Teppich und warten auf ihre Stars.
Fans stehen in Köln beim Youtuber-Treffen "Video Days" neben dem roten Teppich und warten auf ihre Stars. © Foto: Maja Hitij/dpa
Von Peter Backof  · 20.08.2016
Schon Zwölfjährige senden an ein großes Publikum. Unter Teenagern ist die Video-Plattform Youtube längst zum Leitmedium aufgestiegen. Das muss gefeiert werden! Am Wochenende trafen sich Youtuber und ihre Fans bei den "Video Days" in Köln.
Die meisten sind zwölf. Oder dreizehn. Für viele ist es der erste Besuch einer Konzertveranstaltung in dieser Dimension: Lanxess-Arena, die größte Halle Deutschlands. Video Days in Köln: 15.000 verkaufte Tickets. Leuchtende Augen, blinkende Handys. Fast jeder und jede hat hier ein Smartphone in der Hand und das Erlebte wandert so direkt ins Netz. Wohin?
"Instagram, Twitter, Facebook."
Facebook? Ist das für Dreizehnjährige nicht: uncool?
"Naiiiin! Ja doch, ja geht noch, egaaaal!"
Sämtliche Kanäle, wo man etwas teilen kann, sind interessant. Die einen mehr, die anderen weniger. Youtube ist das Leitmedium für diese Generation. Ob Youtube nicht auch ein Müllplatz sei, diskutieren ältere Generationen, mit den verwackelten Homevideos, den gehässigen Kommentaren. Kiara, Juliana und Shakira verstehen das nicht.
"Aua, Sie sind bestimmt so 36. Egal."
Sie signalisieren: Das ist eine Veranstaltung für uns. Was will der Opa? Bis zwölf Jahre müssen sie noch eine Begleitperson mitbringen bei den Video Days. Die ist dann auch irgendwo auf dem Gelände, aber bitte möglichst weit weg, da peinlich. Gefühlt deutlich mehr Mädchen als Jungen, nicht nur der Akustik wegen; die Arena ist – nur - zu zwei Dritteln gefüllt: Viele hatten sich vorher eine Agenda ausgedacht. Im Ping Pong zwischen linker und rechter Rheinseite die Gamescom und die Video Days gleichzeitig zu besuchen. Klappt nicht in der Praxis, sieht man müden Gesichtern in all der Begeisterung an. ApeCrime, Daggy D, Nino und Lena, diese Namen fallen am häufigsten, ein Autogramm zu bekommen wäre ein Ziel, aber wenn die Schlange dafür 500 Teenager lang ist? - Leandro Palme, zwölf Jahre alt, ist im Vorteil:
"Ich bin selber Youtuber und dann darf ich auch im Backstage-Bereich hin und das macht richtig viel Spaß, weil man sieht dann Leute, die man so nicht sieht. Da kann man sich unterhalten, was das Jahr über so passiert ist."
Sich zu präsentieren, als Teil der großen Youtuber-Familie, das macht er ganz gut. Leandro Palme hat einen eigenen Youtube-Channel mit 20.000 Abonnenten. Hip Hop-Tanz ist sein Bereich und er punktet – noch recht kindlich aussehend – damit, andere mit seinen "Moves" alt aussehen zu lassen.
"Vor meinen Videos kommt dann halt irgendeine Werbung, und dann fängt mein Video an. Ja, kann mein Taschengeld bisschen aufbessern, aber ich mache es, um Spaß zu haben, nicht um Geld zu verdienen."

Ein Zwölfjähriger, der auf Youtube Geld verdient

Wie in jedem künstlerischen Genre kann es zur wenige geben, für die es lukrativ wird. Aber wie man als Zwölfjähriger heute Geld verdienen kann, das ist ja auch bemerkenswert. Youtube, ein Müllplatz? Da schüttelt auch Leandro den Kopf. Er macht sich sehr viele Gedanken zur Ästhetik: Action Videos kann er ausleuchten und die Tanzszenen filmt er im Weitwinkel. Sehr viel besser, sagt er, machen Profis das auch nicht. Sie wollen nicht nur Stars anhimmeln oder Star werden. Die jungen Video Days-Besucher sind recht reflektiert beim Thema Medienkompetenz und entwickeln ihre eigenen Formate:
"Es gibt V-Logs, es gibt Follow-me-Arounds. Ein Youtuber filmt sich halt, seinen Tagesablauf und beschreibt das."
Erklärt Lukas Müller, jugendlicher Moderator am Stand der Firma Canon vor der Arena.
"Über kurz oder lang wird Fernsehen aussterben, beziehungsweise sich wandeln in eine selbstbestimmtere Form. Es werden immer mehr Youtuber groß werden. Und ich glaube, Youtuber sind deshalb so populär, weil die Zielgruppe sich mit denen identifizieren kann. Man sagt: Das ist wie der Typ von nebenan."
Rund um die Arena hat sich die technische und mediale Infrastruktur zu Youtube, Instagram und Ko aufgebaut. Partizipation, Gamifizierung oder Authentizität – Medientheorie wird hier ganz plastisch. Lukas Müller zum Beispiel lädt ein zur "Cinnamon Challenge". Wer am schnellsten einen Löffel Zimt schluckt, gewinnt. Staubtrocken macht lustig: die Fotos davon wandern natürlich auch ins Netz, mit Werbeeffekt .
Vom Oberrang der Lanxess-Arena aus betrachtet, fällt schon auf, dass die Heranführung von Kindern und Teenagern an die Popkultur nicht so ganz anders verläuft als immer schon. Die Inszenierung auf der Bühne zumindest ist traditionell. Eine Nummernrevue über zwei Tage, ästhetisch sind Fernsehballette der 1970er nicht weit.
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