"Vertrauen schafft man nur, wenn die Kriterien hart sind"

Gerhard Schick im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 13.04.2011
Heute werden 90 europäische Banken einem erneuten Stresstest unterzogen. Die Bundesregierung habe dabei zu sehr auf weiche Kriterien gedrängt, kritisiert der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick. Insgesamt sei der "Reformwille in Sachen Finanzmarktpolitik bei der Bundesregierung relativ begrenzt".
Jan-Christoph Kitzler: Stresstest, das ist so ein Modewort dieser Monate. Damit soll geprüft werden, ob Einrichtungen wirklich taugen, was sie versprechen – beim neuen Stuttgarter Bahnhof, bei den deutschen Atomkraftwerken und auch bei den Banken. Der erste europäische Bankenstresstest im letzten Jahr ist aber heftig kritisiert worden, weil ihn dann fast alle Banken bestanden haben, auch solche, die dann später mit staatlichen Milliarden vor der Pleite gerettet werden mussten.

Heute müssen 90 Banken in Europa, darunter sind auch 13 deutsche, erneut ihre Zahlen einreichen, und diese zweite Runde des Stresstests, den die europäische Bankenaufsicht durchführt, er wird deutlich strenger sein. Denn die Banken brauchen mehr Eigenkapital, um eine Krise zu meistern, und ausgerechnet dagegen laufen nun Vertreter der deutschen Banken und auch der Politik Sturm.

Ein Thema auch für Gerhard Schick, den finanzpolitischen Sprecher der Grünen. Schönen guten Morgen!

Gerhard Schick: Guten Morgen!

Kitzler: Sind Sie denn für die strengeren Kriterien der europäischen Finanzaufsicht?

Schick: Ja, grundsätzlich ergibt ein Stresstest nur Sinn, wenn man auch strenge Kriterien anlegt. Das hat man ja im letzten Sommer gesehen, wo die Stresstests bei zwei irischen Banken signalisiert haben, alles okay, und wenige Wochen später mussten genau diese Banken gerettet werden und haben eine Krise der irischen Staatsfinanzen ausgelöst.

Und das ist ja auch genau der Grund, warum wir diesen Stresstest brauchen in Europa. Angesichts der Schuldenkrise und der nach wie vor schwachen Situation der Bankenkrise, die ja beide zusammenhängen, will man Vertrauen schaffen, dass die Banken selbst dann stabil sind, wenn es zu einer weiteren Verschärfung der Schuldenkrise oder anderer Phänomene der Finanzkrise kommen würde. Und dieses Vertrauen schafft man nur, wenn die Kriterien hart sind.

Kitzler: Aber ist es jetzt eigentlich fair, dass man alle Banken über einen Kamm schert? Es gibt ja Banken, die sind auf hoch riskante Geschäfte spezialisiert, dann gibt es solche wie die Sparkassen, die eigentlich vor allem in der Region investieren. Werden diese Unterschiede jetzt zu wenig berücksichtigt?

Schick: Na ja, die Sparkassen sind ja gar nicht drin, sondern es sind die größeren deutschen Banken, es sind nur die 13 großen Banken, das heißt, es wird nicht jede Sparkasse dabei gestresst, sondern die Banken, die größere Auswirkungen haben. Insgesamt ist das Ziel, in jedem Staat auf jeden Fall 50 Prozent der Bankbilanzen im Test drin zu haben. Und natürlich gibt es zu Recht auch eine Kritik an den Kriterien, weil man kann nicht eine stille Einlage bei der Commerzbank als Eigenkapital rechnen und bei der NordLB nicht. Da gibt es tatsächlich Fragen.

Aber insgesamt hat die Bundesregierung, die ja schon beim letzten Stresstest immer wieder auf möglichst weiche Kriterien gedrängt hat, dem Bankensektor einen Bärendienst erwiesen. Denn Vertrauen schafft man nur, wenn man harte Kriterien anlegt, wenn man die klar durchzieht, und dadurch, durch eine Veröffentlichung der Ergebnisse die Marktteilnehmer auch wirklich wissen, bei den Banken wird nichts mehr anbrennen.

Da ist ja auch diese Frage, ob man wirklich alle Risiken, die mit Staatsanleihen verbunden sind, aufdeckt. Es ist die Frage, ob man eben nur das Handelsbuch anschaut oder auch das Bankbuch – eine technische Frage –, aber es geht einfach darum, schaut man sich die gesamten Risiken, die da sind, an oder nur einen Teil davon.

Kitzler: Das heißt, ich verstehe Sie richtig, Deutschland gibt in dieser Kritik jetzt an dem Stresstest eine eher unglückliche Figur ab, denn auf der einen Seite ist man ja immer gegen die härteren Kriterien oder für die härteren Kriterien zu Felde gezogen, und jetzt jammern vor allem die Landespolitiker, dass es strenger wird?

Schick: Ich würde sogar weitergehen und sagen, ja, Deutschland ist gar nicht immer für die härteren Kriterien ins Feld gezogen, sondern europaweit hat die Bundesregierung immer wieder versucht, harte Regeln in der Bankenregulierung eher zu vermeiden, weil die deutschen Banken eben im europäischen Vergleich eher schwach kapitalisiert sind. Sie haben relativ wenig eigenes Kapital, und die Bundesregierung hat es bisher versäumt, wirklich eine Stabilisierung des deutschen Bankensystems zu erzwingen. Und das ist zum Nachteil. Das macht deutsche Banken labil und schafft eine Unsicherheit jetzt auch gerade im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Griechenland, Portugal, Irland.

Kitzler: Ein Knackpunkt sind beim Stresstest die sogenannten stillen Einlagen – das haben Sie ja schon kurz angesprochen –, also staatliche Beteiligungen ohne Stimmrecht, das ist besonders bei den Landesbanken ein Problem. Die müssen jetzt aber umgewandelt werden in Stammkapital, damit man überhaupt die Kriterien erfüllt, und damit vergrößert sich dann wieder der staatliche Einfluss. Müsste sich nicht im Gegenteil der Staat am besten ganz aus den Landesbanken zurückziehen?

Schick: Na ja, ob es jetzt eine stille Einlage ist oder Aktienkapital oder anderes hartes Eigenkapital des Staates, ändert eigentlich nichts an den Eigentumsverhältnissen. Ich nehme es jetzt so wahr, dass vielleicht die Kriterien der EBA, also der Europäischen Bankenaufsicht, nicht in jedem Fall ganz in sich logisch sind, aber trotzdem dieser Prozess eine Verbesserung der Bankenbilanzstruktur auch bei der NordLB auslöst, weil man jetzt etwas klarere Kriterien schafft. Diese stillen Einlagen haben ja alle sehr unterschiedliche Kriterien, und das macht es auch für Investoren schwierig einzuschätzen, was eigentlich im Ernstfall dieses Kapital taugt.

Und von daher löst dieser Stresstest jetzt auch eine Verbesserung der Bankenstruktur aus und bringt die Reformen des Landesbankensektors ein Stück weit voran. Und das ist auf jeden Fall gut, denn wenn wir nicht die Landesbanken konsolidieren, dann werden wir in Deutschland zu einem stabilen Bankensektor nicht kommen – und den brauchen wir dringend.

Kitzler: Der Bereich der Landesbanken gehört reformiert, das fordern viele. Im Gespräch sind da immer wieder Fusionen auch zwischen unterschiedlichen Landesbanken, möglicherweise auch nur noch ein gemeinsames Institut. Das ist zurzeit ja aber wegen der Bilanzen nicht besonders realistisch, oder?

Schick: In der Tat ist es gerade schwierig, konkret zu Fusionen zu kommen, trotzdem kann man beobachten, dass an ein paar Stellen sich die Sachen etwas sortieren. Bei der WestLB sind die Verhandlungen vorangekommen, bei der DekaBank, die ja auch zum öffentlich-rechtlichen Sektor gehört, haben sich die Eigentumsstrukturen geklärt, sodass vielleicht, wenn man es positiv sehen möchte, zurzeit ein paar Voraussetzungen geschaffen werden, sodass die Fusion in der Zukunft leichter gelingen kann, und das sollte auf jeden Fall gemacht werden.

Insgesamt bleibt es ein sehr zögerlicher, langsamer Prozess und – beschämend für die deutsche Politik an der Stelle – immer wieder geht er nur dann voran, wenn die Europäische Kommission heftig Druck macht. Das zeigt auch noch mal, dass hier der Reformwille in Sachen Finanzmarktpolitik bei der Bundesregierung relativ begrenzt ist.

Kitzler: Welche Erkenntnisse versprechen Sie sich denn von dem neuen europäischen Bankenstresstest, wird der aussagekräftiger als der erste?

Schick: Ich gehe davon aus, dass er aussagekräftiger ist, weil man aus der Kritik am letzten Stresstest doch etwas gelernt hat. Wirtschaftsprüfer sagen zwar auch jetzt wieder, die Kriterien seien zu lasch – das wird man wirklich erst im Nachhinein wieder wissen können, wenn es wieder so sein sollte wie beim letzten Stresstest, dass einfach einige Banken, die ein Okay bekommen haben, nachher in Probleme kommen. Meine Hoffnung ist, dass dieser Stresstest, weil die Kriterien härter sind, tatsächlich es schaffen könnte, Vertrauen auf den Märkten zurückzugewinnen in den Bankensektor und damit ein kleiner Beitrag dazu geleistet wird, dass die Schuldenkrise in Europa und die Bankenkrise sich etwas beruhigen.

Kitzler: Das sagt Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Schick: Ich danke auch!