"Verpflichtende Erinnerung"

26.01.2008
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse plädiert anlässlich des Holocaust-Gedenkens am 27. Januar für ein Umdenken in der Erinnerungskultur. Derzeit finde ein Generationenumbruch statt, bei der die Erlebnisgeneration von Opfern und Tätern allmählich aussterbe, sagte der SPD-Politiker. Er empfahl eine Kultur, die den nachkommenden Generationen Angebote für ein Gedenken mache.
Thierse sagte: "Wir müssen sehen und hoffen, dass die nachfolgenden Generationen sich dieses Themas ernsthaft und engagiert annehmen." Zudem betonte er: "Den nachwachsenden Generationen, den wollen wir nicht Schuldgefühle übermitteln, sondern Verantwortung sollen sie erlernen." Dafür müsse es Angebote geben etwa durch Gedenkstätten, die auch durch die wachsende Distanz zu den Ereignissen eine "verpflichtende Erinnerung" an die Geschehnisse wach halten könnten.

Zugleich mahnte Thierse in der Debatte um den in München für den Holocaust-Gedenktag geplanten Faschingsumzug mehr Umsicht im Umgang mit einem solchen Gedenktag an. Es gebe eine Verpflichtung der Deutschen, den Holocaust-Gedenktag besonders zu würdigen, sagte Thierse. Die Erinnerung an die Vergangenheit dürfe zwar nicht dazu führen, dass man nicht mehr Karneval oder Fasching feiern dürfe. "Das wäre falsch. Aber an diesem einen Tag im Jahr, da sollte man doch mehr Rücksicht nehmen, als mir das bisher aus München bekannt ist", sagte Thierse. "Ich bin vorsichtig aus der Berliner Entfernung scharfe Urteile über die Münchner zu fällen. Aber ich wünsche mir schon, dass die Münchener heftig darüber diskutieren, was angemessen ist, was nicht angemessen ist, was geschmacklos ist."


Das vollständige Gespräch mit Wolfgang Thierse können Sie mindestens bis zum 26. Juni 2008 in unserem Audio-on-demand-Angebot nachhören. ( MP3-Audio )