Verehrung im Glauben

Am Geburtstag kaum Geschenke

Josef mit Maria und dem Jesuskind als Figuren in einer Weihnachtskrippe
Josef mit Maria und dem Jesuskind als Figuren in einer Weihnachtskrippe © dpa / picture alliance / Daniel Karmann
Anne Francoise Weber im Gespräch mit Peter Antes · 20.12.2015
Die Geburt Mohammeds hat im Islam eine geringere Bedeutung als die Geburt Christi für das Christentum. Der Religionswissenschaftler Peter Antes sieht die Ursache dafür darin, dass die Verehrung Jesu in der Bibel sehr viel prophetischer angelegt ist, während der Koran konkrete Alltagsvorschriften liefere.
Anne Françoise Weber: Es ist nur ein kalendarischer Zufall und trotzdem eine schöne Gelegenheit, sich über Parallelen Gedanken zu machen. In diesem Jahr fallen die Feste zu Ehren von Jesu Geburtstag – Weihnachten also – und von Mohammeds Geburtstag fast zusammen. Da der islamische Kalender Mondmonate zählt, wandern die islamischen Feste durch unser Jahr und verschieben sich immer um rund zehn Tage. In diesem Jahr also fällt der zwölfte Tag des islamischen Monats Rabi-al-Awwal, an dem seit dem 11. Jahrhundert der Geburtstag des Propheten gefeiert wird, auf den 23. Dezember. Aber welche Bedeutung hat dieser Geburtstag für Muslime? Wird er so gefeiert wie Weihnachten im christlichen Kontext? Beide, Jesus und Mohammed, waren Religionsstifter. Gibt es sonst noch Ähnlichkeiten zwischen den beiden? Beantworten kann solche Fragen Peter Antes. Er ist promovierter Theologe und Religionshistoriker, war lange Jahre Professor für Religionswissenschaft an der Universität Hannover und hat unter anderem an dem Lexikon des Dialogs mitgearbeitet, das die Eugen-Biser-Stiftung vor zwei Jahren veröffentlicht hat. Ich habe vor der Sendung mit Peter Antes gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob die kleinere Bedeutung des Prophetengeburtstags im Vergleich zu Weihnachten darauf zurückzuführen ist, dass er eine geringere theologische Bedeutung hat als Jesus im Christentum? Für die Christen ist ja Jesus Gottes Sohn, für die Muslime Mohammed nur der Gesandte Gottes. Muss man dessen Geburt nicht so feiern?
Peter Antes: Das ist zweifellos richtig und in vielen Ländern in der klassischen Zeit des Islam wurde auch der Geburtstag Mohammeds gar nicht gefeiert. Die haben sich konzentriert auf die eigentlichen Feste zum Ende des Ramadan beziehungsweise dann auch zur Wallfahrt nach Mekka.
Weber: Wir haben eben diesen Unterschied, dass Mohammed nicht Gottes Sohn ist, sondern eben sehr Mensch. Aber trotzdem gibt es in der Volksfrömmigkeit eine Verehrung Mohammeds, die ihn ja doch fast gottgleich erscheinen lässt. Sein Leben ist Vorbild in so vielen Dingen, also bis hin – für ganz streng gläubige Muslime –, bis hin zum Zähneputzen, dass sie es auf die gleiche Weise machen wollen wie der Prophet Mohammed. Wie lässt sich das denn dann zusammenbringen?
Antes: Also, diese Parallelen sind eigentlich dadurch entstanden, dass der Koran selbst für viele alltägliche Praxen keine genauen Anweisungen gab. Und deshalb orientierte man sich am Vorbild des Propheten und sah ihn neben seiner Verkündigungsrolle als offenbarender Vortragender, eben auch in seiner Funktion als Mensch, als gewissermaßen idealtypischer Muslim. Man kann nicht sagen, dass er eine gottgleiche Bedeutung hat, aber man muss doch sagen, dass sein Leben für viele Muslime, soweit es überliefert ist, einen Vorbildcharakter hat.
Weber: Es gibt ja auch einen Ort, der als das Grab Mohammeds angesehen wird. Nun gibt es aber im Islam sehr unterschiedliche Meinungen darüber, ob dieser Ort überhaupt besucht und verehrt werden soll. Die in Saudi-Arabien herrschenden Wahhabiten haben dafür gesorgt, dass der Besuch kein Teil der Pilgerfahrt, der Hadsch ist. Warum ist das so? Also, das Grab eines Religionsstifters, sei er nun göttlicher Herkunft oder nicht, ist doch immer ein wichtiger Ort, und nicht nur im Fall der Grabeskirche in Jerusalem?
Antes: Ja, nun muss man natürlich sagen, dass vor allen Dingen in der Beduinengesellschaft Gräber gar keine Rolle gespielt haben. Die Beduinen haben ihre Toten im Sand begraben und sind weitergezogen. Von daher erklärt sich das vor allen Dingen in den Golfstaaten, auch diese Tradition, weil die gepflegt wurde mit ganz wenigen Ausnahmen. Und erst aus städtischer Kultursicht sind die Gräber dann zu einer gewissen Bedeutung aufgestiegen und auch besucht worden. Und von daher ergibt sich innerhalb des Islam, dass unterschiedliche Richtungen unterschiedlich mit diesen Traditionen umgehen.
Legenden um die Geburt Jesu - aber wo sind die Legenden um die Geburt Mohammeds?
Weber: Jetzt haben wir über die unterschiedliche Verehrung der Gräber gesprochen. Können Sie uns auch noch mal informieren, wie die unterschiedlichen Traditionen zum Prophetengeburtstag sind? In Ägypten, weiß ich, ist das fast so eine Art Jahrmarkt mit bunten Lichtern und Puppen und Karussell und so weiter, aber das ist nicht in der ganzen islamischen Welt so?
Antes: Nein, also, bei den Türken wird es natürlich auch enger gefeiert, aber gerade in den Golfstaaten ist man normalerweise völlig entfernt davon und interessiert sich da gar nicht dafür. Im Vordergrund steht für deren Frömmigkeit ausschließlich der Koran als Gotteswort.
Weber: Wenn wir uns jetzt noch mal ein bisschen die Lebensgeschichten anschauen: Bei Jesus wissen wir ja, dass die Kindheitsgeschichten, also schon die Verkündigung an Maria, seine Geburt, die Flucht nach Ägypten, dass das alles Texte sind, die wahrscheinlich später aufgeschrieben wurden als Jesu Predigten. Die Vermutung legt ja nahe, dass sich da mehr und mehr Legenden gebildet haben um diesen Menschen oder um diesen Gottessohn. Wie ist das bei Mohammed? Sie sagten selbst schon, der Koran erzählt uns wenig, mehr verraten Prophetenbiografien. Für wie historisch begründet halten Sie denn, was wir da erfahren?
Antes: Ja, die Prophetenbiografien sind, die ersten, auch erst über 100 Jahre nach dem Tode Mohammeds entstanden und enthalten Literaturen, die aus der Überlieferung stammen, von denen man aber auch im Detail nicht weiß, ob sie alle stimmen. Sie sind natürlich relativ wahrscheinlich, weil nichts besonders Außergewöhnliches hier mitgeteilt wird. Im Falle Jesu ist die Situation ja dadurch eine andere, dass die Geschichte des Christentums eigentlich erst nach dem Tode Jesu beginnt und Jesus als historisch gewordene Person gedeutet wird im Lichte eines ganz bestimmten Auferstehungsglaubens. Im Falle Mohammends erinnert man sich an die historische Gestalt und berichtet das eine oder andere, aber auch hier war es so, dass beispielsweise bei den mündlichen Überlieferungen, die aus der Tradition stammten, sehr bald Unterscheidungen vorgenommen werden mussten zwischen echten Überlieferungen und nicht echten Überlieferungen. Das heißt, wir sehen, dass auch in diesem Falle sich nicht vielleicht Legenden, aber doch die eine oder andere Ausdrucksform entwickelt hat, die nicht direkt auf den Propheten und seine Zeit zurückgehen.
Weber: Von Jesus gibt es die schöne Geschichte, dass er mit zwölf Jahren seinen Eltern verloren ging und sie ihn dann schließlich im Tempel gefunden haben, wo er sehr verständig mit den Schriftgelehrten diskutiert hat und auch meinte, das sei doch das Haus seines Vaters. Das ist ja dann genau so eine Geschichte, wo seine göttliche Herkunft noch mal bestätigt wird. So was haben wir also von Mohammed nicht, wir wissen nicht aus seiner Kindheit irgendwelche Geschichten, wo er sich schon ganz besonders hervorgetan hat?
Antes: Nein, die Kindheit ist, soweit überhaupt etwas darüber bekannt ist, relativ dürftig überliefert. Wir wissen, er war als Halbwaise geboren und ist dann relativ bald Vollwaise geworden, wir wissen, dass er dann eine Ausbildung machte im Sinne eines Karawanenführers und angestellt wurde bei Chadidscha, einer Kaufmannswitwe, die sehr reich war und die ihm später dann auch die Ehe anbot, und das war auch die erste Ehe, die er führte, in der er mit Chadidscha auch monogam, das heißt mit Chadidscha als einzige Ehefrau verheiratet war. Erst später kommen dann die anderen Ehen dazu, nachdem Chadidscha gestorben war und er dann auch eine ganze Reihe politischer Ehen eingegangen ist. Und im Großen und Ganzen muss man sagen, in dieser frühen Zeit, als er als Prophet auftritt, ist er ähnlich wie Jesus auch abgelehnt worden von seinen Zeitgenossen und der Konflikt in Mekka spitzte sich auch zu. Allerdings, bevor er richtig zum Ausbruch kam, ist Mohammed übergesiedelt nach Medina, und dort beginnt dann eine ganz andere Realisation des islamischen Konzepts. Ab dem Moment gibt es den Islamischen Staat als kleinen Stadtstaat im Kern, der sich dann ausweitet zum Islamischen Reich, und in dieser Zeit tritt eben ein Bündnis zwischen Mohammed und der Macht politisch ein. Er wird zum Feldherrn, er wird zum Schiedsrichter eines Stadtstaates und dann auch eines kleinen Reiches und hat politisch Erfolg, verhält sich auch wie viele Machthaber in dieser Situation und kann all seine Taten immer dadurch rechtfertigen, dass im richtigen Augenblick eine Offenbarung ihm zuteilwird, die er dann weitergibt. Und das ist anders als bei Jesus, der sozusagen bis zum Ende seines irdischen Lebens erfolglos blieb.
Kurze Wirkungszeit - lange Geschichte
Weber: Dass dessen Wirkungszeit ja auch auf wenige Jahre beschränkt war, vermutet man. Also, er ist drei, vier Jahre als Wanderprediger herumgezogen und dann ...
Antes: Ja, da ist die These entweder ein Jahr oder drei bei Jesus, bei Mohammend hat man ja 23 Jahre ungefähr. Das heißt also, 610 bis 622 seine Tätigkeit als Prophet in Mekka, im Übrigen im reifen Alter von 40 Jahren tritt er erst auf, und dann ab 622 bis zu seinem Tode 632 politisch aktiv mit Erfolg, und praktisch der erste Führer eines islamischen kleinen Reiches, das dann 100 Jahre nach seinem Tode bereits von Spanien bis Indien reicht.
Weber: Und damit haben wir – das haben Sie ja auch schon angedeutet – auch die Erklärung dafür, warum der Koran so viele doch praktische, ja, Regeln aufstellt, was das Erbrecht angeht oder den Umgang mit Andersgläubigen, und das eben in den Überlieferungen von Jesus so nicht drinsteht, weil er in all diesen Fragen überhaupt keine Antwort parat haben musste, weil er nicht Führer eines Gemeinwesens war.
Antes: Das ist richtig. Andererseits, glaube ich, muss man aber auch sehen, dass bei Jesus das Anliegen sehr viel prophetischerer Natur war, während doch große Teile des Koran deutlich an das erinnern, was wir aus der jüdischen Tradition kennen, den konkreten Vorschriften, das ist eben Alltag. Dabei ist der Islam und die spätere Ausfaltung sicher in einem gewissen Sinne ein gemäßigtes Modell im Vergleich zu Talmud im Judentum. Aber im Kern ist die Tendenz erkennbar, dass in beiden Bereichen, sowohl im Judentum als auch im Islam, es darum geht, den Alltag in allen seinen Erscheinungsformen zu regeln. Im Grunde genommen haben wir es also nicht nur mit im westlichen Sinne einem religiösen Verhalten zu tun, sprich: Gebet und Fasten und so weiter, sondern es werden auch Kleinigkeiten des Alltags geregelt. Sie haben vorhin das Zähneputzen erwähnt, wir könnten hinzufügen das richtige Grüßen, das Betreten von Häusern, also vieles von dem, was bei uns etwa unter dem Knigge verstanden wird, ebenso wie Brauchtumsfragen und dann eben auch eine ganze Reihe von Rechtsfragen, wie man sich verhält, wenn Leute stehlen, wenn Leute lügen, wenn Leute die Ehe brechen und so weiter.
Weber: Wenn wir jetzt noch mal zu den historischen Personen zurückkommen, in beiden Fällen ist es ja so, dass es kaum außerchristliche Quellen über Jesus und kaum außerislamische Quellen über Mohammed gibt, und damit gibt es auch immer wieder Leute, die sagen, historisch ist da ganz wenig nachweisbar. Es gibt aber zumindest im Christentum durchaus Theologen, die sagen, letztendlich ist das auch gar nicht so wichtig, was zählt, ist die Botschaft, ist das, was die Gemeinde über diesen Christus ausgesagt und gewusst hat. Finden wir da bei Mohammed eine ähnliche Aussage, dass man eben sagt, ja, letztendlich, also selbst wenn sich die Biografen irgendwie widersprechen, das ist gar nicht das Wesentliche?
Antes: Ja, also, es gibt natürlich auch bezogen auf den Islam Gelehrte, die der Meinung sind, dass Mohammed gar nicht gelebt habe. Ich persönlich muss sagen, dass ich sowohl im Falle Jesu als auch im Falle Mohammeds dazu neige, die historische Existenz trotz der fehlenden Nachweise vorauszusetzen, weil es mir logisch und einfacher erscheint, die historische Existenz als Grund für die Entstehung der jeweiligen Religionen anzunehmen, als in komplizierte Theorien abzurutschen, die erklären wollen, wie es zu den jeweiligen Religionen kommt, ohne dass die historischen Gründer existiert hätten.
Weber: Zum Geburtstag es Propheten Mohammed, der dieses Jahr am 23. Dezember gefeiert wird, sprach ich mit Peter Antes, Religionswissenschaftler und emeritierter Professor der Universität Hannover. Vielen Dank!
Antes: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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