Verantwortung ist das oberste Prinzip

Moderation: Katrin Heise · 21.09.2012
Weitere Mohammed-Karikaturen in Satiremagazinen seien nicht intelligent, kritisiert Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste. In dieser Situation, wo bereits Menschen zu Tode gekommen sind, sei das "nicht unbedingt sehr produktiv" und kein Ruhmesblatt für die Satire.
Katrin Heise: Mit einem kann man immer rechnen. Wenn man den Propheten Mohammed beleidigt, dann hat man die größtmögliche Aufmerksamkeit sicher, ob man das jetzt so wollte oder nicht. Aus sehr unterschiedlichen Richtungen des Meinungsspektrums wird derzeit der Islam, besonders der Prophet aufs Korn genommen. Gläubige Muslime fühlen sich verletzt, fanatische Muslime ziehen gewalttätig durch die Straßen in verschiedenen muslimisch geprägt Ländern. Es gab Tote und Verletzte.

Das französische Satiremagazine "Charlie Hebdo" geht heute pünktlich zum Freitagsgebet in die zweite Auflage mit seinen Karikaturen des nackten Propheten. Auf die Frage "Was darf Satire" haben Liane von Billerbeck und Hörer (MP3-Audio) unsere Hörer gestern sehr unterschiedlich geantwortet. Einige führten die Menschenwürde ins Feld, andere verteidigten die Meinungsfreiheit.

Ich gebe die Frage jetzt einfach mal weiter an Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste Berlin, der mit seinen politischen Plakaten ja seit Jahrzehnten aufspießt, was viele lieber unsichtbar hätten. Guten Tag, Herr Staeck, erst mal.

Klaus Staeck: Guten Tag, Frau Heise!

Heise: Also, darf Satire alles?

Staeck: Na gut. Das ist immer unsere Generalabsolution, die wir uns selbst erteilen, wir Satiriker, sage ich jetzt mal etwas ironisch. Sie ist immer natürlich in einem Rahmen, den wir uns selbst als gesetzt auch gegeben haben, tätig. Es gibt nichts, was außerhalb - es wurde eben die Menschenwürde zitiert, das ist nun einmal einer der höchsten Grundsätze, die die Verfassung uns auferlegt. Uns, die wir miteinander umgehen, und da ist das schon eine Sache, wie verantwortlich geht man damit um. Das ist mein zentraler Begriff.

Heise: Auf die Verantwortung wollte ich auch kommen. Denn natürlich, eine konstruktive Auseinandersetzung ist bisher in Fragen der Mohammed-Satire ja überhaupt noch nicht möglich gewesen. Und ich frage mich manchmal, wird es Gläubigen, die um Toleranz bemüht sind, die es ja gibt, die es ja in der Mehrzahl eben gibt, die sich austauschen wollen vielleicht, die den Austausch suchen würden, wird es denen nicht wahnsinnig schwer gemacht, indem dem Mob quasi durch Beleidigung immer wieder Futter gegeben wird?

Hat Satire nicht eine Art Verantwortung? Also auch für solche Diskussionen?

Staeck: Also noch einmal, Verantwortung für mich war immer das oberste Prinzip letztlich. Ich habe nie provozieren wollen - bei meinen vielen Auseinandersetzungen, die ich hatte -, um nur zu provozieren. Das ist zu simpel, also, da weiß man auch, was man tun muss, um den anderen, wie man so schön sagt, auf die Palme zu bringen.

Aber wie schafft man es, wenn er unten bleibt und nicht auf die Palme sich hochquält? Da ins Gespräch zu kommen, wenn er ganz anderer Meinung ist. Und meine Erfahrung ist allerdings auch mit religiösen Leuten, die religiös motiviert sind, um es vorsichtig auszudrücken, mit denen kann man in der Regel keinen fairen Meinungsaustausch pflegen, weil - vor allem die Fanatiker, ich meine jetzt nicht die toleranten, die sich um Ausgleich bemühen, die auch um Verständnis sich bemühen - Satire ist nun mal, wie Heinrich Böll gesagt hat, kein Himbeerwasser.

Das ist immer eine scharfe, manche reden sogar von Waffe, das ist mir zu militant. Aber da gibt es eine ganz spezielle Verantwortung, um noch einmal darauf zu kommen. Und ich habe immer versucht, sie auszuüben auch, als man niemals auf Schwache sich konzentriert, deren Schwächen noch mal karikiert, um sie noch einmal bloßzustellen.

Sondern die Karikatur und die Satire im Allgemeinen richtet sich in der Regel gegen den Übermut der Starken. Zum Schutz der Schwachen. Das war immer mein Prinzip.

Und da bin ich ganz gut gefahren. Die 42 Verfahren, die gegen meine Sachen liefen im Laufe des Lebens, habe ich auch deshalb immer gewonnen, weil ich gute Argumente hatte.

Heise: Jetzt ist natürlich die Frage, wer ist hier stark, wer ist hier schwach in dieser Auseinandersetzung, die wir momentan gerade erleben?

Staeck: Na, wie Sie das eben auch formulieren: die Toleranten, die um Ausgleich bemühten Muslime, die unter uns leben, die ja wahrscheinlich am zornigsten sind, was da jetzt passiert. Der Mob, den kann man niemals steuern irgendwie. Da ist bloß eine Frage, da hilft nur die Polizei. Das Gewaltmonopol, was Gott sei Dank bei uns beim Staat noch liegt.

Heise: Wenn man jetzt noch mal die Satire von "Charly Hebdo" sich vor Augen führt. Das ist sicherlich eine komplexe Auseinandersetzung, die sich ja auch schon seit Jahren mit Religion eben auseinandersetzen. Sie nimmt doch das Bild Mohammeds und seine Verwendung, also wie Mohammed auch verwendet wird, aufs Korn, also das heißt, es ist schon hintergründig.

Wer spannt da wen vor den Karren? Aber zurzeit, habe ich den Eindruck, ist überhaupt keine komplexe Analyse möglich. Weil die Wogen so hochkochen. Und es wird dadurch immer weiter Öl ins Feuer gegossen. Jetzt hat die "Titanic" einen Titel angekündigt für die nächste Woche. Außenminister Westerwelle warnt nun schon ...

Staeck: Es gehört eine ganze Menge Gelassenheit dazu. Aus meinem Munde mag das vielleicht ein bisschen seltsam klingen, aber das, was da jetzt hochkocht, wie Sie es nennen, da muss man einfach die Flamme darunter versuchen zu löschen. Versuchen zu löschen, mehr kann man nicht tun. Und nicht jetzt noch immer neu anheizen. Und manchmal gibt es auch eine Trittbrettfahrerei. Ich will das nicht "Titanic" unterstellen, ich habe das Titelblatt im Netz schon gesehen ...

Heise: Bettina Wulff will einen Mohammed-Film drehen.

Staeck: Bettina Wulff wird da von Mohammed irgendwie mit dem Schwert der Gerechten bedroht ...

Heise: Bedroht oder aber verteidigt. Das wird wohl offen gelassen.

Staeck: Ja, das wird sich zeigen. Satire ist ja auch immer was Doppelbödiges. Also eine einseitige Geschichte, wo man sofort erkennt, das ist selten Satire, die den Anspruch erheben kann, mehr zu wollen als nur platte Witze zu erzählen.

Heise: Was darf Satire? Dazu hören wir Klaus Staeck im Radiofeuilleton. Herr Staeck, habe ich Sie jetzt eben dann richtig verstanden: Die Flamme unter wegnehmen, an einen Satiriker gerichtet, hieße das jetzt, lass den Stift einfach mal stecken?

Staeck: Nein. Sondern - Satiriker sind ja keine tumben Menschen, die einfach blind, wo sie die Chance sehen, andere zu ärgern, um es ganz simpel auszudrücken, dann nun loslegen. Nein, das ist ja nicht so.

Also gerade Satiriker haben eine große Verantwortung, weil sie die Chance haben, Menschen zu erwischen, wie man so schön sagt, auf dem falschen Fuß.

Heise: Die sich sonst entziehen würden, vielleicht.

Staeck: Das war immer meine Chance, zu sagen, also, dass man erst mal ein Stückchen in die Irre geht und dann plötzlich erkennt, Moment einmal, das ist ja ganz was anderes, das ist ja ganz anders gemeint. Das zwingt mich entweder zum Protest oder zum Nachdenken oder zur Bestätigung, ist ja auch möglich.

Und von daher haben, glaube ich, Satiriker schon, ich bleibe mal bei dem Wort Verantwortung. Wie überhaupt, glaube ich, die Demokratie nur funktioniert, wenn wir uns wechselseitig respektieren in den verschiedenen Meinungen, und dann aber auch - das bedeutet nicht, dass man jetzt so eine Schlafmützendemokratie entwickelt, wo jeder einfach nur zu Hause ein bisschen herumpöbelt und dann draußen sich einen Mundverband anlegt.

Nein, sondern die Demokratie, habe ich mal gesagt, die größte Gefahr, die für sie besteht, ist, wenn sie an Langeweile stirbt.

Heise: Sie muss auch wehrhaft bleiben, haben Sie neulich gesagt, als es auch schon um das Tragen der Mohammed-Karikaturen von "Pro NRW" ging. Begonnen haben die momentanen Auseinandersetzungen, wenn wir uns daran noch mal erinnern, ja überhaupt durch diesen Film "Die Unschuld der Muslime" verbreitet durch rechtsgerichtete Kräfte.

Hier in Deutschland hat die rechtspopulistische "Pro"-Bewegung auch gleich die Gunst der Stunde genutzt und sich zum Vorkämpfer der Meinungsfreiheit stilisiert. Und jetzt greifen linke Medien wie "Charly Hebdo" oder auch die "Titanic" die Provokation auf, indem sie eben eine satirische Reaktion geben. Begibt man sich da nicht in ziemlich schlechte Gesellschaft?

Staeck: Also jeder trägt die eigene Verantwortung für das Tun, was er - gestelzt ausgedrückt - betreibt. Da ist nichts dran zu ändern. Es ist auch jeder verantwortlich für das, was er sagt, was er macht, was er zeichnet, was er sendet - begonnen hat das ja schon früher mit den Karikaturen, den Mohammed-Karikaturen.

Ich meine jetzt meines Freundes Kurt Westergaard, der, ja, immer noch, seit sieben Jahren unter Polizeischutz lebt. Ich habe ihn neulich besucht in Aarhus. Ein Polizist im Haus, ein Polizist vor dem Haus Tag und Nacht, also als er zu meiner kleinen Ausstellung kam, wurde er mit einer Polizeieskorte begleitet, also das ist natürlich unerträglich, dass man in einer Situation, die für uns, ja, eine scharfe Karikatur ist, aber mehr auch nicht - dass das bei religiösen Fanatikern, und es sind Fanatiker, es sind nicht die Muslime, die vielen, vielen Millionen, die es gibt, die ja eben sich nicht beteiligen an den Krawallen, die nicht versuchen, den Botschafter umzubringen.

Ausgerechnet in Tunesien, einer der araberfreundlichsten, wie man hört, der perfekt arabisch sprach, der also sich bemühte um Ausgleich, dass der gezielt das Opfer war, und da muss man ja auch noch sagen, Liese, es ist ja nicht bloß der Mob. Sondern das ist ja gezielt. Es wird ja politisch - von der politischen Kräfte da auch freigesetzt, die ganz bewusst auch das benutzen.

Und da spielen sich jetzt auf einmal die Radikalen auf der einen wie auf der anderen Seite in die Hände. Die evangelikalen Radikalen sind kein bisschen besser nach meiner Überzeugung wie die jetzt, die sich Salafisten nennen.

Heise: Da werden sich aber Satiriker dann wahrscheinlich in diese Gemengelage kaum mit einer vernünftigen Debatte einmischen können.

Staeck: Ja gut, es ist also natürlich Intelligenz vorausgesetzt. Und auch ein - ich behaupte, ein starkes Einfühlungsvermögen. Also nur die platte Klatsche, das ist auch selten gute Satire. Und das, was dieser Film da bietet, dieses Filmchen ...

Heise: Da sind wir uns sicherlich einig. Aber was sagen Sie eben zu der Veröffentlichung von weiteren Karikaturen eben in Satiremagazinen?

Staeck: Ich will mal bei aller Vorsicht sagen, ich fand es nicht sehr intelligent, jetzt in dieser Situation, wo bereits Menschen zu Tode gekommen sind, in dieser absurden Auseinandersetzung, da noch mal zu sagen, jetzt beteiligen wir uns daran auf einer Seite. Das finde ich nicht unbedingt sehr produktiv und es ist auch nicht ein Ruhmesblatt für die Satire.

Heise: Bedenken von Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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