V. Zabus, Th. Campi: "Magritte"

Das Geheimnis von Pfeife und Melone

Kaum Rauch und keine Glut - eine Hand hält eine Pfeife, die von oben aufgenommen ist
Eine Pfeife - wer denkt da nicht an Magritte? © picture alliance / ZB / Patrick Pleul
Von Eva Hepper · 15.08.2017
Stiefel, die zu Füßen werden? Eine Pfeife, die fliegt? In ihrer Graphic Novel jagen Thomas Campi und Vincent Zabus einen biederen Mann durch die Bildwelten von Rene Magritte. Er soll das Geheimnis seiner Malerei lüften und wird selbst zu einem.
Charles Singulier gibt sich alle Mühe, doch bereits sein allererster Museumsbesuch gerät zum Alptraum. Diese Bilder sind dem ordentlichen Büroangestellten einfach zu fremd: Ein Frauenakt, der sich in einen Fisch verwandelt. Stiefel, die zu Füßen werden. Eine Staffelei mit einem Bild in einem Bild. Was soll das? Die Bilder sagen Singulier rein gar nichts.
Zunächst. Doch dann beginnt die Kunst zu ihm zu sprechen; im wahrsten Sinne des Wortes. Der Akt erhebt als erster die Stimme, dann buhlen die Stiefel um seine Aufmerksamkeit und schließlich reden alle Bilder durcheinander. Singulier bleibt nur die Flucht aus dem ohrenbetäubend lauten Museum, und die Befürchtung, dass er die Kunst René Magrittes nicht entschlüsseln kann. Schlimmer noch: seit er sich mit dem Maler beschäftigt, verrutscht ihm die Realität.
Wüsste Charles Singulier, was ihn auf den folgenden knapp 60 Seiten noch erwartet, hätte er vielleicht abgelehnt, Protagonist in dieser surrealen Geschichte zu sein. Immerhin ist der Museumsbesuch mit den sprechenden Bildern erst der Anfang einer fantastischen Reise, auf die ihn Thomas Campi und Vincent Zabus schicken. In ihrer Graphic Novel "Magritte. Dies ist keine Biografie" jagen die beiden Autoren den biederen Mann durch die Bildwelten des berühmten belgischen Künstlers, damit er das Geheimnis seiner Malerei lüften soll.

Mit einem Hut vom Flohmarkt auf dem Kopf

Ausgangspunkt der Erzählung ist der Hut des 1898 in Lessine geborenen und 1967 in Brüssel gestorbenen Surrealisten. Mit dem frisch erworbenen Flohmarktstück auf dem Kopf beginnt sich Singuliers Welt zu verschieben. Aus seinem Fernseher spricht der - von Magritte bewunderte - Romanheld Fantomas, das eigene Spiegelbild zeigt sich nur von hinten (wie in einem Werk des Meisters), Figuren aus Magrittes Bildern wie "Die Jäger am Rande der Nacht", stellen ihm nach. Singulier wird von Magrittes zentralen Fragen regelrecht bedrängt: Was ist die Wirklichkeit? Was ist Illusion? Was ist ein Bild?
Thomas Campi entwirft herrlich leichte Bilder mit flottem Strich und zarter Kolorierung. Der italienische Illustrator kennt sich blendend aus mit der Bildsprache des großen Surrealisten und spielt virtuos mit dessen Motiven, Figuren und Szenerien. Schlüsselwerke und weniger bekannte Gemälde passieren Revue; auch das Bild mit der berühmten Pfeife und dem Schriftzug "Ceci nèst pas une pipe".
Mit diesem Paradox spielt auch Vinzent Zabus, wenn es im Untertitel heißt: "Dies ist keine Biografie". Tatsächlich verwebt der Autor viele Stationen von Magrittes Leben mit den Abenteuern des Helden: die Kindheit und den Selbstmord seiner Mutter, den Besuch an der Brüsseler Akademie, die Pariser Zeit inmitten der Surrealisten, das Leben mit der Ehefrau Georgette in Brüssel.
Am Ende kommt der brave Charles Singulier René Magritte sehr nahe, auch wenn er die Rätsel seiner Kunst nicht lösen kann. Stattdessen wird er schließlich selbst zu einem. Ein schöner Clou, mit dem Campi und Zabus die Philosophie des Surrealisten intelligent einfangen.

Vincent Zabus/Thomas Campi: "Magritte. Dies ist keine Biografie"
Mit Illustrationen von Thomas Campi
Aus dem Französischen von Marion Herbert
Carlsen Verlag, Hamburg
64 Seiten, 17,99 Euro

Mehr zum Thema