Utopia

09.01.2010
Was wären die Menschen ohne Utopien, ohne verwegene Pläne für zukünftige Generationen? Die Geschichte neuzeitlicher Utopien ist reich an skurrilen Gestalten, eigenwilligen Ideen, aber auch großen Zukunftsentwürfen.
Im "Radiofeuilleton" haben wir eine Woche lang einige von ihnen vorgestellt: Den Architekten Hermann Sörgel und seine Utopie von "Atlantropa": einem gigantischen Staudamm, der die Meerenge von Gibraltar zwischen Spanien und Afrika verschließen und damit einen neuen Kontinent schaffen sollte. Den Pariser Arzt Abbé de St. Pierre, der bereits Anfang des 18. Jahrhunderts Pläne zu einer europäischen Friedens-Union skizzierte, bis hin zu Negativ-Utopien, die in Film wie "Matrix" oder "Minority-Report" beschrieben wurden.

Und wie stellen wir uns heute unsere Zukunft vor? Welche Visionen haben wir für die nächsten Jahrhunderte? Wie werden wir wohnen? Wie werden wir uns fortbewegen? Werden wir geklont? Haben wir unseren persönlichen Roboter als Freund und Helfer? Leben wir in einer vernetzten Weltgesellschaft?

"Ich war schon immer in der Zukunft", bekennt Karlheinz Steinmüller. Der Physiker und Philosoph hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Er ist Science-Fiction-Autor, zudem entwirft der Mitbegründer der Beratungsfirma z_punkt The Foresight Company Zukunftsszenarien für Unternehmen.

Roboter und mobile Vernetzung gehören für ihn unbedingt zu unserer Zukunft:

"Auf jeden Fall Serviceroboter. Das fängt an beim Kinderzimmer, wo der Teddy ein wachsames Auge auf die Kinder wirft, bis hin zu mehr oder weniger menschlichen Helfern, die der 100jährigen hilft, die Brille zu suchen."

Der Mensch der Zukunft komme ohne PC nicht mehr aus:

"Ich predige schon lange, dass nur unsichtbare Informationstechnik eine gute Technik ist. Was heute noch in Kästen steckt, steht morgen im Museum."

Information werde immer mobiler, schneller, universeller und individueller. Wie wäre es mit einer "Bildschirmtapete", die sich den jeweiligen Bedürfnissen anpasst?

Deshalb liebt er auch die Science-Fiction als Spielfeld.

"Als Zukunftsforscher sucht man Wege für eine gute Zukunft. Als Autor kann ich überlegen, was passiert, wenn man das nicht macht."

Technische Visionen sind ganz nach dem Geschmack des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz. Kernstück seiner Utopie ist der Computer:

"Der Computer wird von der Black Box zum Kleidungsstück und schließlich zum Implantat. Nanotechnologie sorgt dafür, dass der Computer weniger als Werkzeug denn vielmehr als eine Art Kleidung oder gar Haut erfahren wird. Nano-Biosensoren im Körper kontrollieren Gesundheit und Stresslevel."

Mikro-Computer werden in unsere Alltagsgegenstände eingedrungen sein:

"Schuhe, Kleider, Kühlschränke, Zimmerwände. Und prinzipiell ist es möglich, alle Alltagsobjekte zu vernetzen, um sie ständig unter Kontrolle zu haben. Nicht nur die Menschen sind dann 'online', sondern auch ihre Geräte."

Der Trendforscher beschäftigt sich aber auch mit den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser allgegenwärtigen Technik: In einer derart vernetzten Welt stelle sich noch mehr die Frage: Kann man partizipieren oder nicht?

Durch die Verdichtung der Kommunikation werde sich unser Miteinander extrem verändern: Was zähle sei nicht Anwesenheit, sondern Erreichbarkeit. Daher steige auch die Bedeutung der Technik. Dahingehend ändere sich auch die Arbeitswelt: Man gehe nicht mehr ins Büro, die Arbeit komme nach Hause oder sonst wohin: "Mein Büro ist, wo mein Internetanschluss ist".

Seine Hauptfrage: "Werden die Menschen in der Lage sein, ein entsprechendes Verhältnis zur Technik zu entwickeln?"

"Utopia – Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor?" - Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Karlheinz Steinmüller und Norbert Bolz. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:

Über Dr. Karlheinz Steinmüller
Über Prof. Dr. Norbert Bolz