USA unter Trump

Es droht ein Amerika, das mit sich selbst beschäftigt ist

In New York verfolgen die Anhänger von Hillary Clinton die Wahlergebnisse.
In New York verfolgen die Anhänger von Hillary Clinton die Wahlergebnisse. © dpa/picture-alliance/Andrew Gombert
Constanze Stelzenmüller im Gespräch mit Nana Brink · 09.11.2016
Der fast sichere Wahlsieg Donald Trumps kann die transatlantischen Beziehungen tiefgreifend verändern, meint die Politologin Constanze Stelzenmüller. Sie glaubt nicht, dass ein US-Präsident Trump sich vom Betrieb zähmen lassen werde.
Constanze Stelzenmüller von der Denkfabrik Brookings in Washington rechnet für den Fall eines Wahlsiegs von Donald Trump mit einer tiefgreifenden Veränderung der transatlantischen Beziehungen.
Man werde es in diesem Fall mit einem Amerika zu tun haben, das sehr mit sich selbst beschäftigt sein wird, sagte Stelzenmüller im Deutschlandradio Kultur. "Und das ist für Europa und den Rest der Welt auch keine schöne Aussicht."

Keine Vorstellung vom künftigen Kabinett Trump

Sie gehöre nicht zu denen, die glauben, dass der Betrieb Trump schon zähmen werde, so Stelzenmüller weiter. Außerdem habe Trump zwar mehrfach versprochen, seine Beraterteams und Kandidaten für Spitzenämter vorzustellen, dies aber nie gemacht. Außerdem gebe es "kein wirkliches Schwergewicht der Republikanischen Partei und schon gar nicht jener republikanischen Partei, die sich Europa und einer globalisierten Welt verbunden fühlt, der sich, glaube ich, in einem Trump-Kabinett ernsthaft würde blicken lassen", so die Juristin und Politikwissenschaftlerin. "Das ist schwer vorstellbar."

Ein Trump-Sohn als Innenminister?

Personen, von denen man annehme, dass sie Trump nahestünden, seien beispielsweise der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich, der als möglicher Außenminister gehandelt werde. Oder der frühere Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, als potenzieller Justizminister. "Und das 'National Journal', ein angesehenes Magazin hier für Politik, hat sogar (…) einen der Trump-Söhne als möglichen Innenminister gehandelt, was schon etwas erstaunlich wäre."
Constanze Stelzenmüller ist Politikwissenschaftlerin und an der Brookings Institution Washington D.C. tätig.
Constanze Stelzenmüller ist Politikwissenschaftlerin und an der Brookings Institution Washington D.C. tätig.© dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Und wir beobachten die Wahl in den USA, und es sieht danach aus – oder formulieren wir es etwas vorsichtiger –, Donald Trump hat einen Vorsprung von knapp 20 Wahlmännerstimmen, 238, wenn ich das bei CNN richtig sehe, hat er hinter sich gebracht, 215 Hillary Clinton. 270 braucht er insgesamt oder braucht jeder, der Präsident oder Präsidentin werden will. Und man muss dazu sagen, die großen Swing States wie Ohio, wie Florida, wie North Carolina sind schon an Trump gefallen, Pennsylvania ist noch offen, aber das Rennen ist sehr nahe zusammen.
Das wollen wir jetzt alles noch mal auseinandernehmen, und zwar mit Constanze Stelzenmüller. Sie ist in Washington, arbeitet dort für Brookings, eine der wichtigsten, bekanntesten, ältesten Denkfabriken. Schönen guten Abend erst mal nach Washington!

Unklarheit über das Beraterteam

Constanze Stelzenmüller: Guten Abend!
Brink: Und mit Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik", die schon bei uns hier sitzt, auch noch die ganze Sendung. Ja, Frau Stelzenmüller, erst mal an Sie: Wenn Trump Präsident wird, wird ja die große Frage sein, was ist sein Team, was er um sich scharen wird? Das ist etwas, womit er ja immer sehr vage geblieben ist, oder keiner ist so richtig aus der Deckung gekommen. Sie arbeiten für einen großen Think Tank, das ist ja bekanntermaßen ein Pool für jede Administration. Ist da schon irgendwas rausgedrungen?
Stelzenmüller: Also ich glaube nicht, das mein Think Tank, die Booking Institution, sehr viel Material für eine Trump-Regierung hergeben würde. Sie haben in der Tat recht, Trump ist sehr zurückhaltend gewesen mit – er hat mehrfach versprochen, seine Beraterteams und seine Kandidaten für die Spitzenämter in einer eigenen Regierung vorzustellen und hat das nie wirklich gemacht. Es ist auch sicherlich so, dass er anders als Clinton, für die also ganze Heerscharen von Washingtonern Positionspapiere ausgearbeitet haben, das scheint es bei Trump gar nicht gegeben zu haben. Das ist auch eine der vielen Aspekte, die seine Kandidatur so ungewöhnlich machen.
Trotzdem gibt es Kandidaten, von denen man glaubt, also Leute, die ihm nahestehen, Berater, wichtige Figuren, zum Beispiel Newt Gingrich, der gehandelt wird als möglicher Außenminister, Secretary of State. Rudy Giuliani, einer seiner geharnischten Befürworter, früherer Bürgermeister von New York, wird gehandelt als Justizminister. Und das "National Journal", ein angesehenes Magazin hier für Politik, hat sogar seinen Sohn, einen der Trump-Söhne, als möglichen Innenminister gehandelt, was schon etwas erstaunlich wäre.

Wie könnte ein Trump-Kabinett aussehen?

Brink: Nun gucken wir uns doch mal die Partei dann auch an, aus der er ja wahrscheinlich auch nicht wirklich Gewinn ziehen kann, die Grand Old Party. Er ist ja sozusagen komplett isoliert.
Stelzenmüller: Ja, die Republikanische Partei hat sich doch großflächig von ihm abgewendet. Man darf, glaube ich, nicht ausschließen, dass es jetzt sozusagen taktisch-opportunistische, sozusagen Krebs-, Seitwärtsbewegungen auf ihn zu geben könnte in den nächsten Tagen. Das kann man sich, glaube ich, ganz gut vorstellen.
Aber in der Tat, es gibt kein wirkliches Schwergewicht der Republikanischen Partei, und schon gar nicht jener Republikanischen Partei, die sich Europa und einer globalisierten Welt verbunden fühlt, der sich, glaube ich, in einem Trump-Kabinett ernsthaft würde blicken lassen. Das ist schwer vorstellbar. Wenn ich mir überlege, wie viele Republikaner, die hier Ansehen haben in Washington, sich in den letzten Tagen für Hillary Clinton ausgesprochen haben und gesagt haben, sie würden für sie wählen – also, schwer zu sehen.

"Man muss das notwendige Personal finden"

Sylke Tempel: Und das heißt, da ist auch keiner mit Erfahrung da. Also diejenigen, Constanze Stelzenmüller hat es gerade gesagt, interessiert an der Welt, an der globalisierten Welt, an Europa, das kann man Newt Gingrich nicht sagen, das kann man von Rudy Giuliani nicht sagen, und von einem der Trump-Söhne ganz bestimmt nicht. Und ich meine, wir müssen immer bedenken, so was geht in die zweite, dritte, vierte Linie in den Apparaten mit rein. Da muss man schon ein bisschen Personal finden.
Was die wunderbaren Seitwärtsbewegungen einiger Republikaner betreffen, ja, das ist menschlich, das kann man schon erwarten, dass so was vielleicht zu sehen sein wird. Aber spannend wird noch mal der Moment sein – Trump hat sich ja auch als unglaublich rachsüchtig herausgestellt während des Wahlkampfs – ob er die dann einfach abblitzen lässt. Und da er ja so eine Verachtung für das Expertentum und das Establishment hat, was interessant ist, wo er doch selber Establishment ist, wird man mal sehen, ob er dann auf Leute zurückgreift, die keiner von uns kennt und an die wir uns erst mal gewöhnen müssen und die vor allem sich in enorm viele Dinge einarbeiten müssen, was wirklich viel Zeit braucht.

Trumps Schlagwort "Make America great again"

Brink: Auch Namen, Constanze Stelzenmüller, die bislang noch keiner gehört hat – vielleicht haben Sie schon welche gehört?
Stelzenmüller: Nein, ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Und wie gesagt, wir haben ja auch noch das Ergebnis noch nicht.
Brink: Wollen wir trotzdem noch mal einmal kommen – wie gesagt, das Ergebnis haben wir in der Tat noch nicht, es kann auch noch ein bisschen sich hinziehen. Gerade ist Pennsylvania noch offen, noch nicht entschieden, das sieht ganz knapp aus. Wenn wir uns dem zuwenden, was wir hier natürlich von deutscher Seite aus, wenn wir in Richtung Amerika blicken, zu erwarten haben, dann ist ja wenig auch von Trump gekommen. Das einzige Schlagwort, was uns allen in den Ohren klingt, ist noch "Make America great again", aber er hat es auch, was die transatlantischen Beziehungen angeht, ja nie wirklich definiert.
Stelzenmüller: Ja, also, definiert hat er überhaupt gar nichts. Er hat nur vieles gesagt, was ihn als eigentlich wirklich inkompetent und unberechenbar dastehen lässt. Und ich glaube, das ist das, was uns allen am meisten zu denken geben muss. Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die glauben, dass der Betrieb ihn dann schon zähmen wird. Es hat ja hier pensionierte Generäle, frühere Chefs der Aufklärungsdienste gegeben, die gesagt haben, notfalls, wenn der Präsident etwas Illegales befehle, müsse man dann halt einfach die Ausführung des Befehls ablehnen. Das ist gar nicht so leicht gegenüber dem mächtigsten Mann der Welt.
Ich denke, es wird hier noch erhebliche Kämpfe und Reibungen geben, und wir haben es dann natürlich mit einem Amerika zu tun, das sich sehr mit sich selbst beschäftigen wird. Und das ist für Europa und für den Rest der Welt auch keine schöne Aussicht.

"Tiefe, geharnischte Spaltung" in Amerika

Brink: Da würde ich gern noch mal einhaken – Sie haben das Stichwort gegeben, ein Amerika, das sich mit sich selbst beschäftigen wird, ein gespaltenes Land, egal auch, wer dann am Ende jetzt Präsident oder Präsidentin wird.
Stelzenmüller: Das ist sicher richtig, also unabhängig vom Ausgang der Wahl. Wenn Hillary Clinton jetzt noch siegen sollte, ist dieses Ergebnis trotzdem angesichts der sehr frohgemuten Vorhersagen für sie eine Katastrophe. Und man musste immer schon sagen, wenn sie Präsidentin würde, würde sie mit dem Trumpismus zu tun haben. Aber eine so tiefe, so geharnischte Spaltung, so klar entlang an ethnischen, Alters-, Stadt/Land-Linien, Einkommens- – also Einkommen hat wohl nicht so gezählt, Entschuldigung –, aber alles andere hat gezählt. Und das wird, da Brücken zu bauen, da so was wie einen nationalen Konsens, überhaupt ein nationales Gespräch herzustellen, das wird unglaublich schwierig werden. Und man darf sich bei Trump ernsthaft fragen, ob er das überhaupt versuchen wird.
Tempel: Da kommt noch ein Moment mit dazu, den ich wirklich faszinierend finde: Wir reden schon die ganze Zeit von Polarisierung. Die haben wir ja auch bei George W. Bush gesehen. Aber jetzt ist ein neues Element dazu gekommen, das Trump hervorgebracht hat: Er behandelt politische Gegner nicht mehr wir politische Gegner, sondern wie Feinde. Und das macht ein Gespräch enorm schwierig, wenn es überhaupt möglich ist. Das haben wir in Demokratien eigentlich nie so vereinbart.
Wir können tiefe Gegnerschaften haben, aber wir haben keine Feinde, es sei denn, sie würden sich gegen das gesamte System wenden und es mit Gewalt abschaffen wollen. Dann hat die Demokratie Feinde. Trump hat die Feindschaft in die Politik eingeführt, und das macht die Überwindung einer solchen Spaltung enorm schwierig.
Stelzenmüller: Darf ich da mal einhaken: Dieses Denken kennen wir Deutsche natürlich von Carl Schmitt, nicht wahr, dem Kronjuristen des Dritten Reiches.
Tempel: Absolut.
Brink: Herzlichen Dank für diese Einschätzungen so weit, Constanze Stelzenmüller für Brookings in Washington. Schönen Dank, dass Sie bei uns waren hier in "Studio 9". Sylke Tempel, die bleibt uns ja Gott sei Dank noch erhalten bis neun Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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