US-Rassismus

Übler als jedes Schlachtfeld

Toni Morrison ist gestorben
Die Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison gestorben © dpa / picture alliance / Ian Langsdon
Von Sigrid Löffler · 07.03.2014
In ihrem zehnten Roman greift die afro-amerikanische Nobelpreisträgerin Toni Morrison erneut einige ihrer Lebensthemen auf: die Nachwirkungen von Sklaverei, Armut und Rassismus auf das Selbstgefühl von Afro-Amerikanern, Erinnerungen an die unterdrückte schwarze Geschichte von Entwurzelung, Enteignung, Selbstverlust und Selbstheilung.
In ihrem zehnten Roman "Heimkehr" greift die afro-amerikanische Nobelpreisträgerin Toni Morrison erneut einige ihrer Lebensthemen auf: die Nachwirkungen von Sklaverei, Armut und Rassismus auf das Selbstgefühl von Afro-Amerikanern, Erinnerungen an die unterdrückte schwarze Geschichte von Entwurzelung, Enteignung, Selbstverlust und Selbstheilung. Die Themen sind gewaltig, doch der Roman, eher eine Novelle, ist schmal, im Original keine 150 Seiten im Umfang. Die knappe Form zwingt die Autorin zu einer aufs Äußerste komprimierten Darstellung.
Erzählt werden die grausamen Erfahrungen eines jungen schwarzen Geschwisterpaares in den 1950-er-Jahren im Süden der USA, wo immer noch maskierte Männerhorden in weißen Laken den Schwarzen das Leben vergällen. Frank Money ist ein 24-jähriger Kriegsveteran, der schwer traumatisiert aus dem Koreakrieg heimkehrt, aus einer integrierten Armee ohne Rassentrennung in ein feindseliges Amerika, in dem immer noch Rassen-Segregation herrscht und ein Schwarzer, der auf der Straße stehenbleibt, wegen Herumlungerns und Landstreicherei verhaftet werden kann. Frank hat in Korea seine besten Freunde sterben gesehen, er will nicht dorthin zurückkehren, wo er herkommt – nach Lotus, Georgia, den "übelsten Ort der Welt, übler als jedes Schlachtfeld".
Besessen von Rassenwahn
Unterwegs verliert er alles, ein zorniger, unbeherrschter, ratloser Drifter, gepeinigt von Kriegsalpträumen. Er verspielt seinen Sold, verliert seine Gelegenheitsjobs und seine Gelegenheitsfreundin, und fast verliert er auch seinen Verstand. Aus der geschlossenen Psychiatrie in Seattle, wohin er verfrachtet wurde, ohne sich erinnern zu können, weshalb, flüchtet er, die Solidarität Geistlicher und schwarzer Brüder hilft ihm weiter, per Greyhound durchquert er das Land, sein Ziel ist der verhasste Heimatort Lotus, denn ein Hilferuf hat ihn erreicht: Er möge eilends kommen, sonst sei seine kleine Schwester Cee tot.
Cee ist inzwischen beinahe den biologischen Experimenten ihres sinistren weißen Dienstherrn, eines von Rassenwahn und Eugenik besessenen Arztes, zum Opfer gefallen. Frank gelingt es, die Schwester aus den Fängen ihres Peinigers zu befreien; eine Gruppe patenter schwarzer Frauen, die sich auf Heilkräuter verstehen, lassen Cee in kürzester Zeit gesunden. Bald ist sie wieder fröhlich und aktiv. Ihr Bruder hingegen stellt sich erstmals seinen Alpträumen, seinem eigenen Anteil an den Kriegsverbrechen in Korea.
Toni Morrison hat sich für "Heimkehr" einen originellen Kunstgriff einfallen lassen. Sie konterkariert ihre Erzählerstimme mit den kursiv gesetzten Einwürfen ihrer Romanfigur Frank. Franks Stimme existiert, so die Fiktion von "Heimkehr", außerhalb der Kontrolle der Autorin, widerspricht ihr zornig, korrigiert sie, tadelt sie ("Ich glaube, du weißt nicht viel von der Liebe. Oder von mir.") Wir bekommen es also mit einer Romanfigur zu tun, die sich gegen ihren Schöpfer auflehnt. Dieser Kunstgriff gibt diesem sonst eher lustlos erzählten und problemverstopften Kurzroman dann doch einen eigenen Reiz.

Toni Morrison: Heimkehr
Aus dem Amerikanischen von Thomas Piltz
Rowohlt Verlag, Hamburg
156 Seiten, 18,95 Euro

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