US-Präsident Trump in Brüssel

Offene Missachtung für EU und Nato

US-Präsident Donald Trump hält eine Rede auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten bei der Einweihung des neuen NAT-Gebäudes in Brüssel.
US-Präsident Donald Trump hält eine Rede auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten. © imago / Christophe Licoppe
Von Marcus Pindur · 27.05.2017
US-Präsident Donald Trump war vergangene Woche zu Gast bei EU und Nato - ein Besuch, der die angespannten transatlantischen Beziehungen normalisieren sollte. Das Gegenteil ist eingetreten, meint Marcus Pindur.
Man hatte alles so schön hergerichtet. Eine würdige Zeremonie sollte es werden vor dem neuen Nato-Hauptquartier. Ein Stück der Berliner Mauer vor dem Gebäude soll an den größten Triumph des Westens erinnern: Die Überwindung des Kalten Krieges. Gegenüber ein Stück des von Terroristen zerstörten World Trade Centers, das an die Solidarität der Bündnispartner gemahnt. Der Bündnisfall wurde nur ein einziges Mal ausgerufen, und dies, weil die europäischen Verbündeten den USA im Kampf gegen den Terror beistehen wollten.
Ausgerechnet vor diesem Mahnmal verweigerte nun ein amerikanischer Präsident das Bekenntnis zum Artikel 5 des Nato-Bündnisvertrages, der sogenannten Beistandsklausel. Sie besagt, dass die Bündnispartner einen Angriff auf einen Partner als Angriff auf alle Partner betrachten. Die Nato war immer ein politisches Bündnis, das heißt, die Bündniszusage musste von jedem einzelnen Mitglied immer wieder aufs Neue gegeben werden. Einen Automatismus des Beistandes gibt es nicht. Freie Gesellschaften entscheiden sich zur Verteidigung ihrer kollektiven Freiheit. Dies ist der ideologische und politische Kern der Nato.

Trump verweigert Beistandsgarantie

Wenn der größte und mächtigste Bündnispartner den Eindruck erweckt, er stehe nicht, oder nicht voll hinter dem Bündnis, dann ist das Bündnis geschwächt. In der Politik sind Worte nämlich allzuoft auch Taten. Entgegen der Wahlkampfrhetorik des deutschen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist eine starke, abwehrbereite Nato ein Stabilisierungsfaktor. Das Bündnis stärkt über militärische Abschreckung und durch politische Solidarität den Frieden in Europa.
Dieser Frieden ist gefährdet – die russische Intervention in der Ukraine hat dies unter Beweis gestellt. Donald Trump spielt Putin direkt in die Hände. Der russische Präsident kann jetzt auftrumpfen. Die unmittelbaren Nachbarn Russlands, die baltischen, die skandinavischen und die osteuropäischen Staaten, sind mit Recht entsetzt.

Polen zahlt bei der Abschreckung für uns Deutsche

Die Europäer hatten gehofft, dass Trump mittlerweile verstanden hat, wie wichtig die Nato auch für die Sicherheit der USA ist. Dass ihnen auch ein heilsamer Schreck in die Glieder gefahren ist, sieht man daran, dass sie sich nunmehr alle verpflichtet haben, einen Plan vorzulegen, wie sie auf das Ausgabenziel von 2 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes für ihre militärische Sicherheit kommen wollen. Das ist überfällig, und die europäischen Nato-Partner haben sich darauf bereits 2014 auf dem Gipfel von Wales verpflichtet. Die Lasten sind derzeit ungleich verteilt. Das betrifft übrigens nicht nur die USA. So versteckt sich Deutschland derzeit auch hinter den Polen, die einen Großteil der konventionellen Abschreckung für uns Deutsche tragen. Das ist in der Tat nicht hinnehmbar.
Doch was nützen all diese Anstrengungen, wenn der größte Partner sich demonstrativ weigert, die Beistandsverpflichtung anzuerkennen?
Wie die amerikanische Außenpolitik aus dem Lot geraten ist, zeigt ein Vergleich mit den vorherigen Reisezielen des Präsidenten: Trump versprach Saudi-Arabien und anderen sunnitischen Autokraten, dass sie sich auf amerikanische Unterstützung verlassen könnten und dass er nicht gekommen sei, um ihnen Lektionen zu erteilen.

Trumps Außenpolitik ist aus dem Lot geraten

Welch ein Unterschied zu seinem Auftritt in Brüssel, wo er den versammelten Bündnispartnern eine demütigende Gardinenpredigt hielt, ein ebenso erniedrigender wie einzigartiger Vorgang. Dass er dem EU-Kommissionspräsidenten Juncker noch etwas vorjammerte über die deutschen Exportüberschüsse, fiel angesichts der offenen Missachtung der Nato kaum noch ins Gewicht.
Donald Trump hat angefangen, das Bündnis zu unterhöhlen. Das Nato-Treffen in Brüssel hat gezeigt, dass auf ihn kein Verlass ist. Daran können auch die Beteuerungen seiner rationaleren Mitarbeiter wie Sicherheitsberater McMaster nichts ändern. Die Europäer müssen mehr für ihre Verteidigung ausgeben. Wenn Sie endlich das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, tun sie weniger dem amerikanischen Präsidenten als sich selbst einen Gefallen. Diese amerikanische Präsidentschaft zeigt nämlich, dass Europa bei aller wünschenswerten transatlantischen Bindung sehr schnell auf eigenen Füßen stehen lernen muss.
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