US-Medien und Trump

Mehr Abos, mehr Quote, mehr Fake

"Saturday Night Live"-Entertainer Alec Baldwin als US-Präsident Donald Trump.
Die Sketch-Sendung "Saturday Night Live" erzielt Top-Quoten mit Entertainer Alec Baldwin als US-Präsident Donald Trump. © Screenshot SNL / YouTube
Von Nana Brink · 24.05.2017
"Es mag nicht gut für Amerika sein, aber es ist verdammt gut für CBS!", freut sich der Chef des TV-Netzwerkes über die gestiegenen Quoten durch Trump. Auch die New York Times verkauft nun deutlich mehr Abos. Goldene Zeiten für den US-Journalismus, aber nicht für Fakten.
"Today news programs are money maker and that drives the kind of news you see. Far less news and far more entertainment!”
Bruce Stokes, Direktor des renommierten Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center in Washington, wundert sich schon lange nicht mehr über die Nachrichten-Shows seines Landes. Er hält sie – bis auf wenige Ausnahmen – für Schlagzeilen-Produzenten, die vor allem eines leisten müssen: Die Zuschauerzahlen nach oben treiben, um Geld zu machen. Was er nicht vermutet hatte: Seit Donald Trump sich zur Präsidentschaft im Weißen Haus aufmachte, haben die großen Fernsehsender mehr von ihm profitiert, als sie zu glauben gewagt hätten. Zumindest als "Money Maker". In einem seltenen Moment der Offenheit verkündete der Chef der Sender-Gruppe CBS Leslie zu Beginn des Jahres:
"Who would have thought that this circus would come to town. It may not be good for America, but it’s damned good for CBS!”
Es mag nicht gut für Amerika sein, aber es ist verdammt gut für CBS! – Die Zahlen geben dem CBS-Chef recht: Im Wahlkampf stiegen die Einschaltquoten im Schnitt bis zu 150 Prozent an, wenn Donald Trump auf Sendung war. Und er war oft auf Sendung.
Bildschirmfoto eines Tweets von CBS
Bildschirmfoto eines Tweets von CBS. Das TV-Network freut sich über steigende Quoten, wenn Trump auf dem Bildschirm auftaucht.© screenshot twitter.com/CBSNews
Auch andere Medien haben von Trump wirtschaftlich profitiert. Die renommierte Tageszeitung New York Times verkaufte im ersten Quartal dieses Jahres rund 300.000 Digital-Abos mehr. Ein Anstieg um 16 Prozent. Das ist der stärkste Zuwachs in der Geschichte des Unternehmens. Vom Ausverkauf der Medien in den USA kann also keine Rede sein, - eher im Gegenteil. Kein Präsident hat die Medien so befeuert wie Donald Trump.

Wie der Milliardär sich zum Volk zählte

Verschwörungstheoretiker vermuten, die sorgsam inszenierte Haßliebe zwischen dem Präsidenten und den großen Medien sei ein abgekartetes Spiel. Weit gefehlt, meint Josef Braml, Politikwissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
"Trump wurde lange nicht ernst genommen, man hat auf ihn herabgeschaut und es bedurfte genau dieser Ignoranz und seiner Bauernschläue, um einem Milliardär zu helfen, sich mit dem Volk gemein zu machen. In Amerika gibt es sehr viele, die fühlen sich von denen nicht ernst genommen, Hillibillies, christliche Rechte, und er hat damit gezeigt, ich bin einer von Euch, mich nehmen sie auch nicht ernst, ich liebe die Ungebildeten, wir passen zusammen, - Arroganz und Ignoranz war das Geheimrezept für Donald Trump, er hats der Gegenseite zu verdanken."
Diese Einschätzung teilt auch Bruce Stokes vom Pew Research Center in Washington. Obwohl der Präsident unter Beschuss steht wie selten zuvor, würden ihn laut einer jüngsten Umfrage immer noch über 40 Prozent der US-Bürger wählen. Das sind nur unmerklich weniger als bei seinem Sieg im November, als er 46 Prozent der Stimmen holte.
Warum? Weil seine Wähler ihn für authentisch hielten – und viele Amerikaner kein Vertrauen in das Establishment hätten:
"They like Trump because he speaks his mind and people will say even if I don’t agree with him I like the fact he seems authentic. There is low degree of faith in government and elites. And Trump said, I am not part of that establishment.”

Trumps Partnerschaft mit dem Fernsehen

Es dauerte bis zum Frühsommer 2016, bis weite Teile der etablierten Presse den republikanischen Präsidentsschaftskandidaten Donald Trump in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung stellten. Nicht unbedingt ihrer kritischen Beobachtung. In den Fernseh-Sendern dominierten Berichte über einen Kandidaten, der sich jeglicher politischen Korrektheit entziehen wollte – und auch konnte. Der islamische Einwanderer als "unamerikanisch" beschimpfte, in einem Video frauenverachtende Sprüche äußerte, eine Mauer gegenüber Mexiko bauen wollte und die Nato für überflüssig hielt. Und das alles zur besten Sendezeit.

Rassistische und sexistische Ausfälle sind nicht unbedingt etwas außergewöhnliches in einem amerikanischen Wahlkampf, - allerdings kamen die Kandidaten meist nicht weit. Bei Donald Trump war es anders. Die Eskalationsdynamik bescherte den großen Fernsehsendern wie CNN, CBS oder Fox News überdurchschnittliche Einschaltquoten:
Zu sehen ist ein Fernsehstudio in Las Vegas und mehrere Kandidaten der US-Republikaner an Stehpulten.
CNN lädt 2016 zu einer Fernsehdebatte der US-Republikaner, in der Trump verbal und gestenreich versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.© picture-alliance / dpa / Ruth Fremson
"Er hat es vermocht in einer Art Partnerschaft mit dem Fernsehen, einer merkwürdige Symbiose mit dem Fernsehen, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das zeigen die entsprechenden Untersuchungen, selbst eine Hillary Clinton, die sehr viel stärker ausgearbeitete Konzepte hatte, kam in vergleichbarer Weise vor."
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen kommt in seiner Analyse zum Schluss: "Fernsehmacher und Populisten sind durch ein gemeinsames Geschäftsinteresse verbunden". Für die Fernsehmacher ein in der Tat lohnendes Geschäft.
Anfang Mai veröffentlichte CNN – der zu den drei großen Sender in den USA gehört neben Fox News und MSNBC – eine wahre Erfolgsstory: In den ersten drei Monaten ist die Zuschauerzahl insgesamt um 36 Prozent gestiegen. In Zahlen ausgedrückt: Ein Profit von 1,1 Milliarden Dollar für 2017 bisher.

Emotionalisieren, sonst schalten die Leute weg!

Die ständigen Angriffe des Präsidenten auf Sender wie CNN haben also nicht geschadet, - im Gegenteil: Je unverhohlener sich Donald Trump auf den Kriegspfad begibt, desto öfter schalten amerikanische Fernsehzuschauer die Nachrichtenformate und politischen Magazine von CNN ein. Die Methode, die Donald Trump so erfolgreich angewendet hat – und noch immer anwendet, heißt: "Call me a pig but call me", - übersetzt so viel wie: Sprich’ schlecht über mich, aber sprich’ über mich!.
"Für die Medien war es ein gefundenes Fressen, Trump hat emotionalisiert, er hat ja das Handwerk auch gelernt in der Mediendemokratie, er knapp zehn Jahre seine Show gehabt, ‚The Apprentice‘, wo er die Leute gefeuert hat, sich als erfolgreichen Geschäftsmann stilisieren konnte, er hat eine Medienfigur geschaffen, die hat weiter gelebt, und er wusste auch um die Mechanismen: Emotionalisieren, immer wieder, sonst schalten die Leute weg und genau das hat er im Wahlkampf gemacht, hat die Medien genutzt, ausgenutzt, die haben alle gesendet und er musste keinen Dollar Spenden einsetzen. Er war immer zum Nulltarif in den Medien - Mutter Courage und ihre Kinder, von dem Krieg, den Trump gegen die Medien geführt hat, haben sie profitiert, aber selber dabei verloren."
Folgt man der Argumentation von Medienwissenschaftlern wie Bernhard Pörksen, hat die etablierte Presse vor allem eines verloren: Die Deutungshohheit. Die Funktion als so genannte "Gatekeeper", als Torwächter, die den Fluss der Nachrichten steuern. So konnten neue Informationsquellen an Bedeutung gewinnen.
"Donald Trump ist nur denkbar durch die Betrachtung der modernen Medienwelt, er ist der Profiteur einer massiv veränderten Medienwelt, - warum? Er hat längst sein eigenes Mediensystem geschafften, 13 Millionen Twitter Follower, mehr als die New York Times, die große Qualitätszeitung der USA Auflage hat."
Donald Trump hat inzwischen sogar 30 Mliionen Twitter-Follower. Wobei das nicht alles Menschen sind. Das zeigen Untersuchungen, z.B der Oxford University. Trump hat wie andere Politiker auch gekaufte Twitter-Accounts, die ihm folgen und automatisch seine Nachrichten weiter verbreiten. Bei den TV-Debatten mit Hillary Clinton soll jede dritte Botschaft für Trump von Maschinen erstellt worden sein. Für Hillary Clinton etwa jede fünfte.
Donald Trump und Hillary Clinton bei ihrem zweiten TV-Duell
Donald Trump und Hillary Clinton im vergangenen Jahr bei ihrer zweiten TV-Debatte.© dpa/picture-alliance/Jim Lo Scalzo
Noch diskutieren demnach in der Mehrzahl Menschen miteinander, meint der Intiator der Studie, Professor Philipp Howard von der Oxfort University.
"Es ist positiv, dass soziale Medien immer noch Plätze sind, wo Menschen ihre politischen Meinungen austauschen, aber wenn fast bei einem Viertel aller Twitter-Aktivitäten davon ausgegangen werden muss, dass sie automatisch generiert sind, weckt das den Verdacht, dass Politiker die öffentliche Meinung manipulieren wollen."

Twitter und Facebook profitieren von Trump

Ob Mensch oder Maschine – Twitter profitierte wirtschaftlich vom Hype um Donald Trump. Ähnlich ist es bei Facebook. Laut einer Studie der Oxford University aus dem vergangenen Jahr nutzen über 60 Prozent der Amerikaner Facebook als Nachrichtenkanal. Und was lesen sie? Hauptsächlich Meldungen, die sie in ihren Meinungen bestärken. Ob sie stimmen oder nicht. Eine Parallelwelt entsteht, die sich auch das Trump-Team zunutze macht.
"Don’t be so overdramatic about that. They’re gave alternative facts to that."
Der legendäre Ausspruch von Präsidentenberaterin Kellyanne Conway kurz nach der Inaugurationfeier entlarvt die Taktik der Regierung, unliebsame Fakten auszublenden. Hintergrund dieses Interview mit dem CNN-Moderator Chuck Todd waren Äußerungen des Präsidentensprechers Sean Spicer, es hätten mehr Menschen an einer Inaugurationsfeier teil genommen als in den Jahren zuvor, auch wenn Fotos das Gegenteil beweisen. CNN-Moderator Todd spricht die falschen Trumps Botschaften offen an.
"Alternative facts? Four of the five facts he uttered – the one thing he got right. Four of the five facts he uttered were just not true. Look, alternative facts are not facts. They’re falsehoods."

Auch die New York Times verdient an Trump

Fakten und "alternative Fakten" – ein Streit um die Deutungshoheit ist ausgebrochen, den Donald Trump auch mit der renommiertesten Zeitung der USA, der "New York Times", ausfechtet. Im September 2016 bezichtigt die Tageszeitung den Präsidentschaftskandidaten auf der Titelseite das erste Mal der "Lüge". Seitdem schlägt Donald Trump zurück. Er sperrt die New York Times – wie andere Medien auch – von Pressebriefings aus und tituliert sie als "fake news", also als "Lügenpresse". In einem seiner notorischen Tweets bezeichnet Trump die ihm gegenüber kritische Presse als "Feinde des amerikanischen Volkes". Selbst der Sprecher des White House Press Corps, Jeff Mason – sonst eher um Ausgleich bemüht – findet beim jährlichen Empfang der Regierungs-Korrespondenten deutliche Worte:
"It is our job to report on facts and held accountable. Thats how we are. We are not fake news! We are not failing news organisations! And we are not the enemy of the American people."
"Failing New York Times" nennt der US-Präsident gern seinen Lieblingsfeind, die New York Times. Aber es darf auch schon mal drastischeres Vokabular sein.
"This was fake and false. Your are a pile of garbage. I am not giving you a question. You dont get a question! You are fake news!”
"Stinkender Mülleimer" oder "Lügenpresse" sind die gängigen Begriffe im Wortschatz des amerikanischen Präsidenten. Die Absicht ist stets die gleiche: Durch permanente Wiederholung den Gegner klein halten. Genau das allerdings hat nicht funktioniert. Die permanente Auseinandersetzung mit Donald Trump hat die Auflage der New York Times in die Höhe schnellen lassen. Zusammen mit den Digital-Abos konnte sie ihre Auflage auf über drei Millionen steigern. Der stärkste Zuwachs in der Geschichte der New York Times. Oder wie heißt es so schön: "Bad news are good news". Auch das ist ein Teil der Wahrheit in diesem verbalen Krieg.

Nutznießer der ständigen Erregung

Viel entscheidender als die orwell’sche Manipulationstaktik eines Donald Trump war allerdings die Verbreitung von tatsächlichen "fake news" schon während des Wahlkampfes. Ein Beispiel liefert die Plattform "endingthefed.com": "Hillary verkaufte Waffen an den IS", hieß es da. Laut einer Recherche der Süddeutschen Zeitung erreichte die Plattform vor allem über Facebook rund drei Millionen Interaktionen im Netz, mehr als vergleichbare Top-Meldungen der Washington Post. "Fake news" wurden häufiger kommentiert, geteilt oder geliket als seriöse Nachrichten. Und: 17 der 20 untersuchten Falschmeldungen bezogen im US-Wahlkampf eindeutig Position für Donald Trump: "Mit ihm lässt sich wohl mehr Geld machen", so die Zeitung. Allerdings lehnte Facebook-Chef Mark Zuckerberg kategorisch jede Verantwortung ab. Facebook sei ein "technisches System" und es wäre nicht sehr mitfühlend zu behaupten, jemand hätte sein Wahlverhalten danach ausgerichtet, ob er Falsch-Nachrichten bei Facebook gelesen hätte.
"I think there is a profound lack of empathy, in acerting that one could voting the way he did, is becauce they saw some fake news.”
Auch wenn Facebook-Gründer Zuckerberg den Einfluss seiner Plattform klein redet, soziale Medien haben ihren Anteil an der Eskalationsdynamik, die mit dem Auftreten von Donald Trump auf der politische Bühne – zumindest in den USA – Einzug ins politische System gehalten hat. Sie profitieren vom permanenten Skandal und der ständigen Erregung. Aber nicht nur sie. "Trump macht den Journalismus wieder groß", schrieb der Kolumnist Jack Shafer im Magazin "Politico". Und er macht ihn auch reich, - oder erfolgreich, blickt man auf die Umsatzzahlen von Qualitätsblättern wie der New York Times oder der Washington Post. Offen bleibt allerdings die Frage, wer diesen Kampf um die Deutungshoheit gewinnt, so Josef Braml.
"Trump hat das sehr durchdacht, er will die so genannte vierte Gewalt außen vor lassen, die so genannten Wachhunde der Demokratie – jetzt kommen sie gar nicht mehr ans Fressen, er lädt sie gar nicht mehr zu den Pressekonferenzen. Er nutzt sie, um sie als stinkende Mülleimer oder ‚fake news‘ herabzuwürdigen, da war auch CNN mit dabei. Er hat sein eigenes Medium, er kann direkt mit seinem Volk kommunizieren. Da hat man sich jetzt in ein neues Zeitalter begeben, Anstand zählt nichts mehr, selbst demokratische Prinzipien wurden mit Füßen getreten, Trump wurde gewählt, obwohl, ich würde sogar sagen, weil er diese Grenzen überschritten hat, ob das wieder eingefangen werden kann, das wage ich zu bezweifeln."
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