Unzulänglichkeit menschengemachter Erklärungsmuster

Von Ralf Bei der Kellen · 10.03.2012
Auch wer mit Science-Fiction-Romanen nichts am Hut hat, kennt zumindest diesen einen: "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams. Statt um Technik und Raumschlachten geht es bei Adams um einen schrägen Blick auf das Leben und natürlich um den Sinn des Lebens.
"Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen."

Nein, hier handelt es sich nicht um eine freie Neuübersetzung des ersten Buch Mose, sondern um den ersten Satz des zweiten Bandes von "The Hitchhiker's Guide To The Galaxy", zu Deutsch: "Per Anhalter durch die Galaxis." Der Autor: Douglas Adams, Jahrgang 1952. Und der hätte als Schüler über diesen Satz wohl kaum gelacht.

"Als Teenager war ich ein engagierter Christ, es was Teil meiner Herkunft. Ich arbeitete sogar in der Kapelle meiner Schule","

berichtet der Autor später. Tatsächlich hatte Adams' Vater Theologie studiert, die Familie lebte in einer christlichen Gemeinschaft:


""Eines Tages, ich war 18 Jahre alt, ging ich die Straße hinunter und hörte einen Straßenprediger. Pflichtbewusst hielt ich an, um ihm zuzuhören. Und plötzlich dämmerte es mir, dass er kompletten Unsinn erzählte, und dass ich vielleicht besser mal selbst über meinen Glauben nachdenken sollte."

Als Douglas Adams 1977 mit der Abfassung des ersten Teils des "Anhalters" beginnt, liegt diese Episode bereits sieben Jahre zurück. Adams bezeichnet sich mittlerweile als Agnostiker, ist aber nach wie vor von Religion fasziniert. Und handelt deren Kerninhalte in seinen Romanen satirisch ab. Zum Beispiel die Idee der Unsterblichkeit:

"Und dann gibt's noch eine Szene, die ich auch sehr interessant finde, und die mich als Theologen auch sehr beeindruckt hat und die ich auch in Predigten ab und zu zitiere. Im zweiten Band gibt es ja diesen 'Wowbagger, den unendlich Verlängerten'","

sagt Pfarrer Heiko Ehrhardt aus Hüttenberg, Douglas Adams-Fan und Sekten- und Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Kirche im Rheinland. Wowbagger ist durch einen Zufall unsterblich geworden, kann mit dieser "Gabe" aber nichts anfangen - außer, dass er mit langfristigen Aktiengeschäften eine Menge Geld verdient.

Heiko Ehrhardt: ""Und weil er so reich ist, leistet er sich dann den Luxus, weil er mit seiner Zeit nichts anfangen kann, er fliegt durchs Universum und beschimpft alle Kreaturen des Universums in alphabetischer Reihenfolge. Und das ist natürlich so ein Gegenbild zu der Vorstellung, die religiöse Menschen vom ewigen Leben haben, ja?"

Mit seinen absurden Bildern regt Adams zum Hinterfragen alter Konzepte und Ideen an. Als 1984 der vierte Band des "Anhalters" erscheint, erklärt der Autor in einem Interview:
"Ich bin ein überzeugter Agnostiker. Ich streite mich schrecklich mit meiner Freundin darüber, die überzeugte Atheistin ist. Das scheint mir irrational. Weder die eine noch die andere Seite hat überzeugende Beweise."

Diese Denkweise fand ihren Niederschlag in dem berühmten "Gottesbeweis". Dazu diente der "Babelfish", eine typische Adams-Kreation: Ein Fisch, den sich die Bewohner sämtlicher Galaxien ins Ohr stecken, weil er die Gabe hat, alle Sprachen simultan übersetzen zu können.

"Ich weigere mich zu beweisen, dass ich existiere”, sagt Gott, "denn ein Beweis ist gegen den Glauben, und ohne Glauben bin ich nichts!”

"Aber”, sagt der Mensch, "der Babelfisch ist doch eine unbewusste Offenbarung, nicht wahr? Er hätte sich nicht zufällig entwickeln können. Er beweist, dass es dich gibt, und darum gibt es dich, deiner eigenen Argumentation zufolge, nicht. Quod erat demonstrandum.”

"Ach, du lieber Gott”, sagt Gott, "daran habe ich gar nicht gedacht”, und löst sich in ein Logikwölkchen auf. "Na, das war ja einfach”, sagt der Mensch und beweist, weil's gerade so schön war, dass schwarz gleich weiß ist, und kommt wenig später auf einem Zebrastreifen ums Leben."



1987 lernt Douglas Adams den britischen Evolutionsbiologen und überzeugten Atheisten Richard Dawkins kennen, der sich als Fan von Adams Romanen outet. Dawkins überzeugt Adams, der sich bald als "radikaler Atheist" bezeichnet. 2006 widmete Dawkins sein Buch "The God Delusion", deutscher Titel "Der Gotteswahn", seinem Freund.

Zitat Richard Dawkins aus "Der Gotteswahn":
"Douglas Adams, der Widmungsträger dieses Buches, verdiente sich seinen Lebensunterhalt damit, dass er die Seltsamkeiten der Naturwissenschaft ins Komische zog."

Heiko Ehrhardt: "Das ist für mich eigentlich schon eine harte Kritik an allen Denksystemen - wobei die Härte immer wieder dadurch abgefedert wird, dass man drüber lachen kann."

Pfarrer Heiko Ehrhardt weist darauf hin, dass Adams in den Anhalter-Romanen eigentlich alle menschlichen Erklärungen- von der Evolutionstheorie über die Kybernetik bis zu den Religionen - entlarvte: als mehr oder minder in sich unschlüssige Versuche der Welt einen Sinn zu geben. Da wundert es nicht, wenn die Antwort auf die Frage nach "dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" schlicht "42" lautet. Und am Ende der Reise durch die Galaxis ist es übrigens eine ganz andere Gruppe, die die Beantwortung der Sinnfrage vereitelt:

"Weil, die Psychologen wollen verhindern, dass die Menschheit die Antwort auf die Sinnfrage erfährt, weil dann Psychologie überflüssig wäre, ja? Man kann da ja auch fragen, wieso Adams da nicht ein Komplott der Theologen schmiedet?"

Liest man die Vorträge, die Adams kurz vor seinem Tod hielt, so scheint es, als sei sein Atheismus neben Dawkins' Einfluss vor allem seiner Furcht entsprungen, die Menschheit könne den Planeten Erde als selbstverständlich, als für sie gemacht, eben als "gottgegeben" ansehen und sich nicht um seinen Fortbestand kümmern.

Als Douglas Adams am 11. Mai 2001 im Alter von nur 49 Jahren starb, hinterließ er seiner weltweiten Fangemeinde ein Werk, das in ironischer und übertriebener Form immer wieder auf die Unzulänglichkeit menschengemachter Erklärungsmuster verwies. Und das schließlich doch noch eine weitere Erklärung für "das Leben, das Universum und den ganzen Rest" anbietet:

"Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist."