Unterzeichnung des Luxemburger Vertrages

Von Peter Hölzle · 27.10.2006
Der deutsch-französischen Aussöhnung stand nach dem Krieg die Saarfrage im Weg. Das kohlearme Frankreich hätte das kohlereiche Saarland gerne annektiert oder als selbständigen Kleinstaat unter seine Fittiche genommen. Aber die meisten Saarländer wollten keine Franzosen werden. Erst der heute vor 50 Jahren geschlossene Luxemburger Vertrag löste das Problem.
Adenauer: "Diese Stunde ist für mich eine sehr beglückende. Die Heimkehr einer Million Deutscher in den provisorischen deutschen Staatsverband, die nach Ratifizierung der Verträge eintreten wird, zeigt, dass endlich einmal hier ein Stück Wiedervereinigung gelungen ist, und zwar nicht auf Krieg und Drohung, sondern auf dem Wege einer echten Verständigung zweier Staaten, die die Aussöhnung als das höchste und oberste Prinzip der Politik gewählt haben. Deshalb gedenken wir, wenn die Saar zurückkehrt, auch der siebzehn Millionen Deutschen der Zone."

Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte an jenem 27. Oktober 1956 allen Grund zur Freude. Der an diesem Tag in Luxemburg geschlossene deutsch-französische Vertrag zur Regelung der Saarfrage beseitigte das letzte Hindernis, das der Aussöhnung Deutschlands mit Frankreich im Weg stand. Es war ein großes, über Jahre hinweg unüberwindliches Hindernis, weshalb denn auch Walter Hallstein, damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, feststellte:

"Für alle Beteiligten war die Aufgabe, die zu lösen war, schwierig. Die Schwierigkeiten lagen in der Sache und lagen in den Rücksichten, die alle Beteiligten zu nehmen hatten auf die politischen Bedingungen, unter denen sie selbst arbeiten müssen."

Unter Hallsteins Diplomatensprache verbargen sich Gegensätze, die einen langen historischen Schatten werfen. Schon nach dem Ersten Weltkrieg wollte das siegreiche, aber kohlearme Frankreich das kohlereiche Saarland annektieren, drang mit dieser Forderung bei den anderen Siegermächten freilich nicht durch. Ein vom Völkerbund regiertes, aber wirtschaftlich eng mit Frankreich verflochtenes Saargebiet, dessen Kohlegruben in französischen Besitz übergingen, war das Äußerste, was Pariser Diplomaten an diesbezüglicher Kriegsbeute herauszuholen vermochten. Die französischen Hoffnungen auf eine Saar-Annexion zerschlugen sich 1935, als die Saarbevölkerung in einer Volksabstimmung ihren politischen Willen kundtun konnte. Der fiel eindeutig aus. Eine überwältigende Mehrheit der Saarländer wollte lieber unter einer deutschen Diktatur als unter französischer demokratischer Herrschaft leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging dasselbe Spiel von vorne los. Wieder wollte sich Frankreich die Saar einverleiben. Wieder scheiterte es an den anderen Siegermächten, die ihm zwar die Eingliederung der Saar ins französische Zoll- und Währungsgebiet zugestanden, aber keine Annexion. Daraufhin strebte die Pariser Politik einen an Frankreich angelehnten selbständigen Saarstaat an. Aber auch der fand keine Zustimmung. In einer neuerlichen Volksabstimmung sprachen sich zwei Drittel der Saarländer gegen ihre eigene Selbständigkeit aus. Sie hatten nur einen Wunsch: die Wiedervereinigung mit Deutschland. Die hingegen stieß bei französischen Politikern zunächst auf heftigen Widerstand. Ein Jahrzehnt nach Kriegsende saß die Angst vor einem wiedererstarkenden Deutschland tief. Dass sie letztlich doch überwunden werden konnte, hatte viele Gründe. Einen sehr wichtigen nannte kurz vor der Vertragsunterzeichnung, der saarländische Ministerpräsident Hubert Ney:

"Die Lösung der Saarfrage, unter Berücksichtigung der französischen Interessen an der Saar, die den Bund schwere finanzielle Opfer kostete, ist - im Hinblick auf die deutsche Wiedervereinigung - ein erster Schritt, den letzten Krieg endgültig zu überwinden. Nur so ist zu verstehen, dass die Bundesrepublik bereit war, einen hohen Preis für die Rückkehr der Saar zu bezahlen."

Der "hohen Preis", den der Christdemokrat Ney hier anspricht, bestand hauptsächlich aus Kohle. Die Bundesregierung räumte Frankreich das Recht ein, weiterhin in großem Stil Saarkohle abzubauen. Noch fünfundzwanzig Jahre hatte das Nachbarland


Zugriff auf den Warndt, ein Steinkohlerevier westlich von Saarbrücken, wo es insgesamt sechsundsechzig Millionen Tonnen Kohle fördern durfte. Ferner behielt es ein anderes Förderprivileg. Ein Drittel der übrigen Saarkohleproduktion blieb weiterhin für Frankreich bestimmt. Im Gegenzug wurde das Saarland zum ersten Januar 1957 deutsches Bundesland. Am 5. Juli 1959 wurde es auch wirtschaftlich eingegliedert.