''Unterm Strich zähl' ich''

Von Andrea und Justin Westhoff · 19.07.2010
Narzissmus ist kein individuelles Phänomen mehr, jedenfalls nicht in erster Linie, sondern ein gesellschaftliches Problem. Und die Politik scheint diese Tendenz für wünschenswert zu halten.
"Über sich selbst, über seinen Körper und Geist ist der Einzelne souveräner Herrscher", schrieb der Sozialphilosoph John Stuart Mill im 19. Jahrhundert. Aber was damals noch Ausdruck eines aufgeklärten Selbstbewusstseins und Grundlage bürgerlicher Zukunftshoffnung war, ist heute vielfach zum reinen Ego-Trip geworden. Psychotherapeuten haben jede Menge zu tun.

"Narzisstische Störungen" konstatieren sie immer häufiger: Menschen sind süchtig nach Anerkennung und Nähe und begegnen sich zugleich voller Misstrauen und Angst. Der inflationär benutzte Begriff der Eigenverantwortung klingt gut, darüber gerät aber das "Gegenmodell" der sozialen Verantwortung vollkommen in den Hintergrund. So kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht vorankommen, vielleicht nicht einmal bestehen. Denn, so erzählt schon der antike Mythos: Narziss verzehrte sich in seiner Selbstliebe - und starb daran.

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Narzissmus und Macht
Narzissmus in den Führungsetagen