Unterhaus in Mainz

Kabarett im "Kommunistenkeller"

Ewald Dietrich, Geschäftsführer des Mainzer Kabaretts "Unterhaus"
Ewald Dietrich, Geschäftsführer des Mainzer Kabaretts "Unterhaus" © dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen
Von Anke Petermann · 30.01.2016
Seit 50 Jahren ist das Mainzer Unterhaus Sprungbrett für den Kleinkunst-Nachwuchs und eine Bühne für die Großen des politischen Kabaretts. Der "Satirelustschutzkeller" von Geschäftsführer Ewald Dietrich feiert den Geburtstag mit zwei Festival-Abenden.
"Hier stehen wir, Spott helfe uns", hieß der Intro-Song der Poli(t)zisten zur Premiere am 31.1.1966.
"Also, das Unterhaus war in Mainz und in der Region als "Kommunistenkeller" verrufen, also das Publikum war schon aus einer bestimmten Ecke, junge Revoluzzer, ein Publikum immer um die 25, 30, 35, weil das etablierte Theaterpublikum sich noch lange nicht ins Unterhaus traute."
So Geschäftsführer Ewald Dietrich. Auf roten Socken in den "Kommunistenkeller" und bloß nicht erwischen lassen – so war das vor 50 Jahren. Der Pfälzer Helmut Kohl, alias "Birne", stieg niemals hinab in diese Niederung der Satire. Heute wagt sich die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin sogar zur Jubiläumsfeier, die allerdings exterritorial im Frankfurter Hof stattfindet – die Unterhaus-Katakomben fassen die vielen zahlenden Gratulanten nicht. Hält Julia Klöckner den Kabarett-Marathon bis morgen Nacht durch, dann kann sie vielleicht einem heiklen Zwiegespräch ihrer Bundesvorsitzenden mit dem Kreml-Chef lauschen. Lars Reichow, Unterhaus-Lokal-Matador, hat Angela und Wladimir verwanzt und das Abhörprotokoll vertont:
Angela: "Du hast doch nichts dagegen, wir zieh'n die Konsequenzen/ und geh'n mit unseren NATO-Waffen bis an deine Grenzen."
Wladimir: "Darf ich kurz lachen über Bundeswehr/ die Hälfte eurer Waffen funktioniert nicht mehr./ Eure Bomber bleiben besser gleich am Boden liegen / und deine Freundin Ursula soll lieber Kinder kriegen." (Lachen)
Für Helmut, Ursula, Angela und alle anderen ist üblicherweise Mathias Richling zuständig, der Turbo-Rollenwechsler aus dem Schwäbischen. Der Mann mit der Nickelbrille wirkt jungenhaft, er ist aber schon dreimal so lange dabei, wie das Unterhaus existiert, und weiß deshalb, wen es dorthin zieht:
"Das Unterhaus-Publikum war insofern ganz besonders, als es von allem Anfang an – ich hab ja angefangen vor 150 Jahren – ausverkauft war, aber nicht wegen mir, mich kannte ja kein Aas, sondern die Leute wussten, das Unterhaus bietet ein gutes, ein interessantes Programm, da können wir auf jeden Fall hingehen, und dann lief es auch durch einen selber."
Ein Publikum, das mal beißender Politsatire, mal lyrischem Kabarett applaudiert – wagemutig, weil getragen vom Vertrauen ins Agieren der Theaterleitung,
"nämlich sich sehr um die Künstler zu bemühen und nicht nur ein Gastspiel abzuhaken, sondern auch die Leute zu unterstützen, die hier aufgetreten sind."
"Mit dem kleinen Unterhaus leisten wir uns eine Art Brutkasten", sagt Geschäftsführer Dietrich, "wo man sich später vielleicht gern erinnert: ‚Im Unterhaus durfte ich schon spielen, als mich noch keiner kannte'."
Der Kabarett-Oscar und die Unterhausglocke
Weshalb die Stars auch dann treu bleiben, wenn sie längst Säle füllen und das Unterhaus ihr Publikum kaum noch fasst. "Kabarett auf Teufel komm raus" heißt das Jubiläumsprogramm mit den besten deutschen Kleinkünstlern – die verdiente Ernte engagierter Nachwuchsförderung. Die Künstler, das Genre und sich selbst pushte das Unterhaus nach vorn, indem es in einer Krise der Anfangsjahre den Kabarett-Oscar kreierte, den ersten und lange auch einzigen deutschen Kleinkunstpreis. Im Gründungsjahr 1972 verliehen an Hanns Dieter Hüsch, den Lyriker unter den Kabarettisten.
"Der Deutsche Kleinkunstpreis 2015 in der Sparte Kabarett geht an ... Christoph Sieber!"
Heutzutage eine nach Sparten sortierte Auszeichnung für Kabarett, Kleinkunst, sowie Musik, Chanson, Lied. Die Stadt Mainz vergibt außerdem den Förderpreis, so dass die meisten Guten mindestens zweimal im Unterhaus gastieren: einmal für den Prinzenkrönchen und einmal für den Kaiser-Lorbeer. Die legendäre Unterhausglocke ist der begehrte Pokal. Manche kommen auch öfter. Volker Pispers allerdings auf unbestimmte Zeit nicht mehr, weil er pausiert. Christoph Sieber, Träger des Kleinkunstpreises anno 2015 in der Sparte Kabarett, morgen zum Jubiläum.
"- Sieber: Musstest du auch diesen schlimmen Knebelvertrag unterschreiben, wo du dich zur Unwahrheit verpflichtest?
- Pispers: Ich hab überhaupt keinen Vertrag. Ich kann sagen, was ich will.
- Sieber: Ich muss morgen wieder bei zuverlässigen Verschwörungstheoretikern lesen, dass man meine Meinung gekauft hat.
Pispers: Ah, der Vatikan kann es nicht lassen, ich kenn das.
Sieber: Nee – Verschwörungstheoretiker, hatte ich gesagt.
Pispers: Ja, Verschwörungstheoretiker: Leute, die an Dinge glauben, die man nicht beweisen kann und jeden Bezug zur Realität verloren haben – Vatikan, sag ich doch.
Sieber: Na ja ich mein', um keinen Bezug zur Realität zu haben, muss man ja heute nicht katholisch sein, da reicht ja auch einfach eine SPD-Mitgliedschaft."
Merke: Auch Sozis leben mittlerweile gefährlich im roten Keller - und vermutlich auch heute Abend im Frankfurter Hof. Warum sollte es ihnen besser gehen als Angela, Wladimir und dem Griechen als solchem?
"Es gibt ein altes griechisches Sprichwort "Pantoffolos kolossos troppoko ..." – weiß nicht, hoffentlich ist keine Grieche hier – und es heißt übersetzt: "Wo ein Grieche ist, da ist auch ein Kredit." Lachen. Und ergänzend möchte ich sagen: "Wo ein Wiesbadener ist, da ist auch ein Guthaben."
Da schmunzeln doch tatsächlich ein paar aus der vornehmen Hessen-Metropole im Mainzer Unterhauspublikum. Völkerverständigung beim Lachen im Keller. Was Wiesbadener angeblich ständig, aber Mainzer nur im Unterhaus tun.
Informationen des Unterhaus Mainz
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