Unterhaltsame Coming-out-Geschichte und überladene Ausstattungsorgie

Vorgestellt von Hannelore Heider · 08.08.2007
"Reine Geschmacksache" ist eine amüsante Komödie aus der tiefen Kleinbürgerprovinz. "Angel - ein Leben wie im Traum" erzählt die Geschichte der englischen Schriftstellerin Marie Corelli und vermag trotz der opulenten Ausstattung nicht zu überzeugen.
Reine Geschmacksache
BRD 2007
Regie: Ingo Rasper
Darsteller: Edgar Selge, Florian Bartholomäi, Roman Knizka, Horst Krause, Franziska Walser, Traute Hoess, Irm Hermann, Jessica Schwarz

Das Regiedebüt des Ludwigsburger Regiestudenten Ingo Rasper will das Kino nicht revolutionieren, sondern einfach gut unterhalten und das gelingt scheinbar ohne Mühe dank flotter Dramaturgie, pointierter Dialoge und einem aus Alt und Jung gut gemischten, gut gelaunten Ensemble. In der Komödie aus tiefster Kleinbürgerprovinz im Westen wird eine Coming-out-Geschichte zwischen Vater und Sohn erzählt, die mit einer Katastrophe beginnt.

Schon lange hätte der Modevertreter Zenker (Edgar Selge) seinen Führerschein abgeben müssen, jetzt wird er auf dem Weg zum Flugplatz wirklich kassiert. Sein Sohn darf den Sprachurlaub nach Spanien nicht antreten, er muss einen Sommer lang seinen Vater auf der Verkaufstour chauffieren.

Nächstes Ungemach: der Konfektionsbetrieb hat eine zweite, moderne Modelinie aufgelegt und die will Zenker partout nicht verkaufen, so dass ihm der junge Kollege Brookmüller (Roman Knizka) die Stammkunden abjagt. Zenkers sind aber fast pleite, der alte Hagestolz wird zunehmend hysterischer und bringt sich und seinen Sohn in unmögliche Situationen. Sohn Carsten schlittert derweil in seine erste große Liebe, ausgerechnet mit Vaters Konkurrenten und charmanten Verführer Brookmüller - viel Raum also für Gags und Situationskomik, die wie bei einer gelungenen Fernsehkomödie abspulen.

Trotz aller Überzeichnung bleiben die Figuren aber liebenswerte Charaktere, die Szenen in den Provinzboutiquen sind wirklich köstlich und wie dem alten Starrkopf Zenker am Ende von allen Seiten die Hörner gestutzt werden, ist leichte, unangestrengte Kinounterhaltung ohne jede Peinlichkeit.

Publikumspreis, Bestes Drehbuch, Bester Nachwuchsdarsteller auf dem Max Ophüls Festival, NDR Filmpreis Nachwuchs Film Fest Emden

Angel - ein Leben wie im Traum
GB/Fr/Belgien 2006
Regie und Buch: Francois Ozon nach einem Roman von Elizabeth Taylor
Darsteller: Romola Garai, Charlotte Rampling, Michael Fassbender, Sam Neill

<im_39676>"Angel" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_39676>Wieder verblüfft Francois Ozon sein Publikum mit einem Film, den man so von ihm nicht erwartet hätte. Nachdem er es schon äußerst erfolgreich mit dem Filmmusical versucht hat, inszeniert er diesmal ein Melodram im alten Hollywoodstil der 40er und 50er mit prächtigen Kostümen, strahlenden Farben und einer Heldin, die sich die Verwischung, ja die Aufhebung der Grenze zwischen Realität und Fantasie zum Lebensmotto gemacht hat. Im Roman, der seinem Film zugrunde liegt, wird das Leben der englischen Schriftstellerin Marie Corelli (1855 – 1924) erzählt, die mit ihren Kitschromanen zur Lieblingsautorin ihrer Zeit, auch für Queen Victoria wurde.

Schon als junges Mädchen in einfachsten Verhältnissen depürte sie ihre Umwelt mit ihren Ergüssen und ihren Traum, einmal in die verwunschene Villa "Paradise House" als Herrin einzuziehen, verwirklichte sie mit größter Entschlossenheit. Dank der Überrumplung eines Verlegerpaares (Sam Neill, Charlotte Rampling) wurde sie zur gefeierten und reichen Schriftstellerin, die ohne Bruch auch privat das Leben ihrer Romanfiguren führte, bis sie durch eine tragische Liebe und die bittere Realität des Krieges, die sie einfach nicht wahrhaben will, als anachronistische Figur endet.

Ozon stellt diese Frau in ihrer ungebrochenen Verstiegenheit ohne Distanz, psychologisches Analysieren oder gar ironische Brechungen vor uns hin in einer Ausstattungsorgie, in der die Emotionen bis zum Kitsch hoch schlagen. Der Film ist die Verfilmung eines Trivalromans, doch dieser Kraftakt erreicht nicht wirklich das Herz des Zuschauers. Es bleibt eine Imitation klassischer Melodramen wie "Vom Winde verweht", doch fehlt es an der Doppelbödigkeit, dem kleinen Augenzwinkern, wie es ihm im Filmmusical "8 Frauen" so genial gelang.