Unechte Meisterwerke

05.12.2011
In New York macht derzeit ein Kunstfälscherskandal von sich reden, dessen Ausmaß an den deutschen "Beltracchi-Fall" erinnert - und es gibt auch inhaltlich einige Parallelen, sagt der DLF-Kulturredakteur Stefan Koldehoff. Und auch in Zukunft werde die Branche nichts aus solchen Skandalen lernen.
Die ehrwürdige Galerie Knoedler in New York hat nach 165 Jahren dicht gemacht. Derweil untersucht das FBI, wer die Bilder in Umlauf gebracht hat, die angeblich von bekannten Künstlern wie Jackson Pollock, Mark Rothko, Robert Motherwell und Richard Diebenkorn stammen.

Mitten im Geflecht steht die Galeristin von Knoedler & Company, Ann Freedman. Diese habe eigentlich einen sehr guten Ruf, sei 31 Jahre im Unternehmen gewesen, sagt Stefan Koldehoff in "Fazit". Knoedler sei eine der Galerien, die die moderne Kunst erst in die USA gebracht hätten. "Freedman galt als untadelige Galeristin", so Koldehoff. Umso mehr habe man sich gewundert., als sie 2009 plötzlich zurücktrat. Dann wurde bekannt, dass sie ein Motherwell-Gemälde verkauft hatte, dessen Ursprung später angezweifelt wurde.

Die zweite Protagonisten im amerikanischen Kunstfälscher-Skandal ist Glafira Rosales, eine selbst ernannte Kunsthändlerin, deren Bilder angeblich aus einer verschwiegenen Sammlung stammten. "Eigentlich kannte niemand Rosales", sagt Koldehoff. Sie sei irgendwann aufgetaucht und habe ihre Geschichte über eine Privatsammlung erzählt. Der Sammler lebe in Mexiko und der Schweiz, sein Vater habe seit den 50er-Jahren bei Künstlern wie Pollock und Motherwell selbst eingekauft. Rosales habe Freedman und einen Kollegen beauftragt, diese Bilder weiterzuverkaufen.

Hier sieht Koldehoff eine Parallele zum europäischen Skandal: Es gehe um unbekannte Werke großer Künstler, die angeblich lange in Privatbesitz waren und nie materialtechnisch untersucht wurden. Dann hätte man nämlich festgestellt, dass beispielsweise Pigmente verwendet wurde, die es zu Lebzeiten Pollocks noch nicht gegeben hat, sagt Koldehoff. Zudem hänge auch vielem vom Wert der Bilder, die von einzelnen Experten geschätzt wurden. Denen habe man so vertraut, dass beispielsweise ein belgischer Sammler im Jahr 2007 17 Millionen Dollar für ein angebliches Pollock-Gemälde bezahlt habe.

Der Hedgefonds-Manager Prierre Lagrange hatte am Freitag Anklage wegen Fälschung gegen Freedman und die Galerie Knoedler erhoben. Doch auch Lagrange habe erst mit der Nase drauf gestoßen werden müssen, sagt Koldehoff.

2010 wollte er seinen Pollock weiterverkaufen. Doch Auktionshäuser wie Christie's und Sotherby's fragten nach dem Hintergrund des Gemäldes und materialistischen Untersuchungen.

Jetzt ermittelt das FBI. Bei 15 Bildern sei sich der Geheimdienst inzwischen sicher, dass es sich um Fälschungen handele, so Koldehoff. Der komplette Skandal erstrecke sich über 20 bis 25 Jahre - auch eine Parallele zum Fall Beltracchi.

Trotzdem glaubt Koldehoff nicht, dass die Branche aus solchen Vorfällen langfristig etwas lernen wird: "Der Kunstmarkt funktioniert einfach so." Er wolle nicht marktfrische Bilder und dabei gar nicht so genau wissen, ob diese echt sind und wo diese herkommen. "Die ganze Branche muss sich fragen, was da grundsätzlich schief läuft."

Das vollständige Gespräch mit Stefan Koldehoff können Sie bis zum 5. Mai 2012 als MP3-Audio in unserem Audio-On-Demand-Player nachhören.

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Haftstrafen für die Fälscher
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Im Kölner Kunstfälschungsprozess äußern sich die Angeklagten zum ersten Mal zu den Vorwürfen