Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien

"Rajoy und Puigdemont sind Betonköpfe"

Barcelona
Unterstützer des Referendums zur Unabhängigkeit Kataloniens gestern Abend in Barcelona auf dem Placa de Catalunya © picture alliance/dpa/Foto: Nicolas Carvalho Ochoa
Michi Strausfeld im Gespräch mit Miriam Rossius · 02.10.2017
Die katalanische Regionalregierung und die spanische Regierung stehen sich nach dem Referendum unversöhnlich gegenüber. Dass Barcelona und Madrid einen Lösungsweg finden, glaubt kaum noch jemand. Die Hoffnung liegt nun auf Vermittlern aus dem Ausland.
Das umstrittene Referendum in Katalonien hat eine klare Mehrheit für die Unabhängigkeit erbracht, doch wie es jetzt weitergehen soll, ist unklar.

Für Rajoy ist die Abstimmung nur Theater

Die spanische Regierung in Madrid sprach von einer "Inszenierung" - Regierungschef Rajoy erklärte, es habe keine Volksabstimmung gegeben. Der katalanische Regierungschef Puigdemont wiederum sagte nach einer Kabinettssitzung, das Ergebnis der Abstimmung vom Sonntag sei "verbindlich". Nun müsse das Regionalparlament in Barcelona über die Ausrufung der Unabhängigkeit entscheiden.
Die Lektorin Michi Strausfeld
Die Lektorin Michi Strausfeld© Deutschlandradio / Torben Waleczek
Die Literaturwissenschaftlerin und Lektorin Michi Strausfeld verurteilt beide Seiten scharf. Im Deutschlandfunk Kultur sagte die profunde Kennerin der spanischsprachigen Literatur, Madrid wie auch Barcelona hätten nur die eigenen Interessen im Kopf, alles andere sei ihnen egal. Rajoy und Puigdemont bezeichnete sie als "absolute Betonköpfe".
"Es sind so viel Lügen im Raum, es sind so viel Verfälschungen im Raum, die Geschichte ist im Augenblick total verfahren", betonte Strausfeld.

"Weg von der Gewalt!"

Es gebe jetzt nur noch die Hoffnung auf europäische Vermittler. "Weg von der Gewalt, weg von der Polarisierung", forderte Strausfeld: "Man sollte auch nicht vergessen, dass Spanien im 20. Jahrhundert einen Bürgerkrieg hatte. Und danach kam 40 Jahre lang Diktatur. Das Land war ja zerrissen, und diese Narben, die brechen so leicht wieder auf. Ich finde, das ist alles sehr, sehr gefährlich."
Ein spanischer Nationalpolizist geht mit seinem Schlagstock auf Befürworter des Katalonien-Referendums los, die sich auf die Straße gesetzt haben, am 01.10.2017 in Barcelona (Spanien).
Szene vom Tag der Abstimmung: Ein spanischer Nationalpolizist geht mit seinem Schlagstock auf Befürworter des Katalonien-Referendums los© picture alliance / dpa / Manu Fernandez
Die Feuilleton-Chefin des Berliner "Tagesspiegels", Christiane Peitz, ergänzte, momentan könnten die Kulturschaffenden in Katalonien nicht mehr viel tun, um den Konflikt zu entschärfen.
"Dieser Wandel von 'Wir wollen Aufmerksamkeit, wir wollen verstanden werden, wir wollen auch kulturell integriert sein' zu nur noch 'Wir wollen Recht haben' - der ist schon vollzogen", sagte sie.

Überall in Europa driftet es auseinander

Überall könne man in Europa inzwischen beobachten, dass "es auseinander driftet". Man müsse einerseits mehr Europa wagen, und andererseits aber trotzdem regional kulturelle Autonomie ermöglichen: "Aber das darf auf gar keinen Fall heißen, dass es immer mehr Regierungen, immer mehr Länder, immer mehr Grenzen gibt", sagte Peitz. (ahe)
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