Umweltministerium

    Gereimte Öko-Regeln bringen Bauern in Rage

    Eins von elf Motiven der umstrittenen Kampagne für eine umweltverträgliche Landwirtschaft, für die das Bundesumweltministerium 1,6 Millionen Euro ausgegeben hat.
    Eins von elf Motiven der umstrittenen Kampagne für eine umweltverträgliche Landwirtschaft, für die das Bundesumweltministerium 1,6 Millionen Euro ausgegeben hat. © BMUB
    08.02.2017
    Eine Werbekampagne des Bundes für eine umweltverträgliche Landwirtschaft regt viele Bauern auf. Slogans wie "Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm" kommen nicht bei allen gut an.
    Das Bundesumweltministerium hatte die Kampagne in Auftrag gegeben und dafür 1,6 Millionen ausgegeben. Auf Plakaten in mehr als 70 Städten, auf Ansichtskarten und über Social Media wirbt Ministerin Barbara Hendricks für eine Reform der europäischen Agrarförderung.
    Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, Nina Sehnke, warf Hendricks mangelnde Wertschätzung vor und kritisierte: "Wir erwarten, dass Steuergelder zur Information der Bürger unseres Landes eingesetzt werden und nicht als Meinungsmache und Marketing-Gag auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern."
    Die Bayerische Jungbauernschaft sprach in einem offenen Brief von einer "schallenden Ohrfeige". Man dürfe nicht alle Landwirte über einen Kamm scheren und müsse zur Sachlichkeit zurückkehren.
    Kritik kam aber auch aus der Koalition selbst. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, CSU, kritisierte die verantwortliche Ministerin Barbara Hendricks, SPD, im ARD-Morgenmagazin. Er sprach von einer Diffamierung der Bauern, die unangemessen sei. Er forderte seine Kabinettskollegin öffentlich dazu auf, die Kampagne zu beenden und sich für den "entstandenen Schaden bei den Bäuerinnen und Bauern" zu entschuldigen. Die Junge Union Achern twitterte: "Klarer Fall von politischem Ernteausfall!"
    Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk, CDU, hat die Bundesumweltministerin gar zum Rücktritt aufgefordert. "Mein Tipp an Frau Hendricks lautet: Plakate abreißen, einstampfen und dann zurücktreten", sagte Hauk am Mittwoch in Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur. Es sei verwerflich, so eine Kampagne mit Steuergeldern zu finanzieren. Auch der Bund der Steuerzahler hatte dem Umweltministerium Steuergeldverschwendung vorgeworfen.
    Einen Stopp der Aktion lehnte die Sprecherin des Umweltministeriums in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" am Mittwoch jedoch ab. Hendricks verteidigt zuletzt in der "Bild am Sonntag" ihre Kampagne: "Wer mir vorwirft, ich würde einen ganzen Berufsstand diffamieren, hat die Bauernregeln nicht verstanden - oder versteht sie mit Absicht falsch." Landwirtschaft habe nur eine Zukunft, "wenn sie naturverträglich ist und Artenvielfalt, Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen mit berücksichtigt". (huc)
    Reim dich oder ich fress dich - die elf Slogans der "Bauernregeln" im Wortlaut:
    "1. Bauernregel: Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein."
    "2. Bauernregel: Gibt's nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamser jede Spur."
    "3. Bauernregel: Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser, dann ins Geld."
    "4. Bauernregel: Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm."
    "5. Bauernregel: Zu viel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt."
    "6. Bauernregel: Ohne Blumen auf der Wiese geht's der Biene richtig miese."
    "7. Bauernregel: Steh'n im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle mächtig Mühe."
    "8. Bauernregel: Gibt's nur eine Pflanzenart, wird's fürs Rebhun richtig hart."
    "9. Bauernregel: Wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist."
    "10. Bauernregel: Strotzt der Boden vor Nitraten, kann das Wasser arg missraten."
    "11. Bauernregel: Bleibt Ackergift den Feldern fern, sieht der Artenschutz das gern."

    Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der FU Berlin nannte die Kampagne im Deutschlandradio Kultur "polemisch", auch wenn sie "im Prinzip harmlos" sei.
    Anatol Stefanowitsch
    Anatol Stefanowitsch © dpa / picture-alliance / Ben Stefanowitsch
    Er plädierte für eine trockene und nüchterne Form der der Auseinandersetzung in politischen Streitfragen. Eine emotional gefärbte Form der Kommunikation, wie sie zum Beispiel in den sozialen Netzen gepflegt werde, sei in der politischen Kommunikation eigentlich nicht passend. Außerdem verstehe er nicht, worauf das Ministerium hinauswolle, sagte Stefanowitsch:
    "Werden hier Missstände angeprangert? Dann würde ich mich fragen, warum das Bundesministerium nicht einfach Gesetze erlässt, um diese Missstände in den Griff zu kriegen. Oder soll hier eine kooperative Stimmung mit der Landwirtschaft erzeugt werden: Sollen die Bauern sich freiwillig noch ökologischer verhalten als es die Gesetze verlangen? Dann kann man sich fragen, ob diese etwas passiv-aggressive Art der Bauernregeln die geeignete ist."
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