Umweltkatastrophen

"Wir reden von Hunderten Unfällen jedes Jahr"

Hauke Harms im Gespräch mit Gabi Wuttke · 24.03.2014
1989 liefen vor der Küste Alaskas 37.000 Tonnen Rohöl ins Meer. Die Küste wurde versucht, hunderttausende Tiere starben. Die Prävention ist besser geworden, erklärt der Mikrobiologe Hauke Harms. Doch noch immer gebe es viele Unfälle.
Gabi Wuttke: Es war der 24. März vor 25 Jahren, da fuhr die Exxon Valdez auf ein Riff. Aus dem Rumpf des Tankers liefen 37.000 Liter [Korrektur: Tonnen, siehe unten] Rohöl in den Prinz-William-Sund vor der Küste von Alaska. Damals berichtete ein Korrespondent aus dem Hubschrauber:
O-Ton Peter Staisch: “Alaska ist nahezu total weiß um diese Jahreszeit. Es ist eine Mischung aus schwedischen Fjorden und Schweizer oder österreichischen Bergen. Der Kontrast dieser eigentlich idyllischen Landschaft, wenn man in die Berge hineinschaut und dann in dieses total verdreckte Meer guckt, das ist auffallend und das ist deprimierend. Und dann sieht man die verschmierten Steine, die verschmierten Strände, und das ist ein sehr deprimierender Eindruck, denn man kann sich sehr leicht vorstellen, was das für verheerende Auswirkungen auf das Tierleben im Prinz-William-Sund hat.“
Wuttke: Peter Staisch im März 1989. 2000 Kilometer Küste wurden damals verseucht. Eine Viertel Million Seevögel, Seehunde, Otter, Wale starben. Die Zahl der toten Fische ist ungezählt. Trotz der Umweltkatastrophe durch die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon hat sich der Name Exxon Valdez ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Grund genug für uns, mit Hauke Harms zu telefonieren. Er leitet die Abteilung Umweltmikrobiologie am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Einen schönen guten Morgen, Herr Harms!
Hauke Harms: Guten Morgen!
Wuttke: Was glauben Sie, wieso kann noch heute so ziemlich jeder etwas mit dem Namen Exxon Valdez anfangen?
Harms: Ich denke, da kommen mehrere Dinge zusammen. Die Umstände zum Zeitpunkt 1989 waren denkbar ungünstig. Es war Winterzeit. Das heißt, das Öl, das sich anders als im Golf von Mexiko dort ergoss, konnte nicht sich verflüchtigen. Die Wasserlöslichkeit für Öl ist relativ gering. Die Abbaugeschwindigkeit ist sehr, sehr gering. Bakterien können bei diesen niedrigen Temperaturen nicht richtig aktiv werden. Zudem gab es dann einen Sturm zwei Tage später und dieses Öl – das waren übrigens 37.000 Tonnen und nicht Liter wie in der Anmoderation …
Wuttke: Entschuldigung! Da habe ich allerdings untergestapelt.
Harms: …, das wurde an die Küste getrieben und es konnte sich dann in diesem Sturm relativ schnell innerhalb von Wochen im Prinzip über diesen relativ langen Küsten- und Strandabschnitt dort verteilen.
"Das Röhöl wurde nur zu einem kleinen Teil wieder eingefangen"
Wuttke: In der Region sind gerade wieder über 4000 Seeotter gezählt worden. Heißt das, nach 25 Jahren ist alles wieder gut?
Harms: Das scheint so, wenn man sich nur die Seeotter anschaut. Andererseits hat sich das Ökosystem nicht wieder regeneriert, wie man beispielsweise am Ausbleiben der Heringsbestände sehen kann. Einige Tiere haben sich in der Tat erholt, aber andere eben nicht. Die Heringe, die kamen zunächst noch wieder 1990/91, und dann wirkte es sich aber aus, dass die ganzen Eier und die Jungfische so geschädigt waren, dass dann einfach keine Generation nachwuchs. Ab 1992 war da eigentlich nichts mehr möglich in Bezug auf Heringsfang.
Wuttke: Und was ist mit dem Rohöl?
Harms: Das Rohöl, das wurde zu einem kleinen Teil wieder eingefangen, oberflächlich und auch von den Stränden abgesammelt. Man geht aber davon aus, dass das nur etwa 15 Prozent waren. Das heißt, mehr als 30.000 Tonnen verblieben irgendwo. Die werden sich zum Teil abgebaut haben, zum Teil auch verflüchtigt haben, aber vieles von diesem Öl ist nach wie vor auf den Stränden, obwohl man es nicht sieht. Es wurde dort großflächig gereinigt, mit heißem Wasser zunächst, was sich als nicht sehr sinnvoll erwies, weil dadurch natürlich die ganze Mikroflora, Bakterien und Ähnliches getötet wurden. Es wurden dann auch Dispersionsmittel eingesetzt, seifenartige Substanzen, um das Öl zu entfernen. Das führt aber vor allen Dingen zu einer Verlagerung in den Untergrund. Wenn man dort heute Löcher gräbt, dann sieht man ab 20 Zentimeter durchaus diese teerige Masse, die noch genauso riecht wie vor 25 Jahren.
Havarierter Öltanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas 1989
Der havarierte Öltanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas© picture alliance / dpa / AFP
Wuttke: Wir haben Deepwater Horizon schon erwähnt. Deshalb geht meine Frage letztlich in zwei Richtungen. Was konnte man damals noch nicht, das jetzt immer noch zeigt, dass es vor 25 Jahren eine solche Umweltkatastrophe in Alaska gegeben hat? Oder anders herum: Was hat man aus der Exxon Valdez Geschichte gelernt, obwohl man immer noch sagen muss, es war katastrophal, was nach der Explosion der Deepwater Horizon passiert ist?
Harms: Man ist lokal wesentlich besser vorbereitet jetzt auf solche Unfälle. Beispielsweise gab es relativ wenig Ausrüstung. Zum Beispiel die schwimmenden Barrieren, die man braucht, um Ölteppiche von der Küste entfernt zu halten, die lagen teilweise unter Schnee. Es wurden dann im Nachgang dieser Katastrophe in den folgenden Tagen solche Ausrüstungen auf dem Golf von Mexiko und aus England, aus Schottland importiert, weil die lokalen Vorrichtungen völlig unzureichend waren und zum Teil gar nicht zugänglich. Was sich auch verändert hat ist, dass heutzutage dort keine Einhüllenschiffe, also Schiffe, die einfach nur eine Stahlwand haben zwischen dem Meerwasser und dem Öl, verkehren, sondern nur noch Doppelhüllen. Das sind also Schiffe, die so eine Art Knautschzone rund um das ganze Schiff besitzen von etwa zwei Meter Durchmesser. Das heißt, wenn so ein Schiff auf Riff läuft, dann geht die Außenhülle kaputt und hoffentlich nicht die Innenhülle. Außerdem werden die heutzutage auch mit Schlepperverbänden begleitet, diese Schiffe, und sehr viel besser radarüberwacht, als das damals der Fall war.
"Die Exxon-Valdez-Katastrophe ist nicht eine der größten"
Wuttke: Wenn Ölkonzerne und Wirtschaftspolitik nicht so eng verbandelt wären, Herr Harms, und wenn Geld keine Rolle spielen würde, könnte Öl für die Umwelt risikofrei gefördert und transportiert werden?
Harms: So weit würde ich nicht gehen. Das Risiko lässt sich sicher stark minimieren, aber es findet einfach an zu vielen Stellen auf der Welt Erdölextraktion statt, als dass man Unfälle vollkommen ausschließen kann. Ich weiß nicht, ob Sie wissen: Die Exxon-Valdez-Katastrophe ist vielleicht die berühmteste, aber sie ist nicht eine der größten, nicht einer der größten Fälle von Ölfreisetzung im Meer. Sie schafft es nicht mal unter die top 50. So viele große Unfälle hat es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben. Wir reden von Hunderten Unfällen jedes Jahr und das lässt sich nicht auf null reduzieren.
Wuttke: Obwohl die Ölkonzerne dann zahlen, Geld kann nun mal nicht essen. – Herr Harms, ich danke Ihnen sehr für Ihre Erläuterungen. Hauke Harms vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, 25 Jahre nach der Ölkatastrophe der Exxon Valdez vor der Küste von Alaska. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, danke.
Harms: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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