Umstrittene Wildtierhaltung

Wie der Circus Krone um seine Löwen kämpft

Circus-Krone-Dompteur Martin Lacey mit seinen Löwen
Circus-Krone-Dompteur Martin Lacey mit seinen Löwen © Deutschlandradio Kultur / Michael Watzke
Von Michael Watzke · 29.04.2017
Löwen brüllen ordentlich und machen Eindruck, wenn sie ihre Tatzen spielen lassen. So auch im Circus Krone. Allerdings verbieten immer mehr deutsche Kommunen den Besuch von dressierten Zirkuslöwen. Was sagt ein Raubtier-Dompteur zu den Vorwürfen der Tierschützer?
- "Ich find‘ den weißen Löwen toll!"
- "Wunderschön, oder? Der heißt Beluga!"
Martin Lacey mit seinen Fans. Der Engländer ist ein Superstar - in den Kinderzimmern vieler Jungen und Mädchen. Das liegt vor allem an seiner 26-köpfigen Familie.
"Hast du gesehen? Sein Papa ist draußen im Außengehege, der heißt King Tonga!"
Martin Lacey, 39 Jahre alt, ist Raubtier-Dompteur. Im Circus Krone in München probt er gerade mit Aleki. Der mächtige Mähnenlöwe faucht und springt Lacey immer wieder an.
"Er kommt wie ein großer Hund für einen Ball. Dann geht er wieder zurück, dann kommt er wieder. Aber er ist ein Löwe, daher sieht’s aus wie eine Attacke. Er hat Spaß dran. Das Publikum denkt, er attackiert. Aber das ist natürlich trainiert."
Lacey trainiert seine 26 Circus-Löwen jeden Tag. Siebenmal die Woche, 365 Tage im Jahr.

Ostern, Weihnachten - eigentlich immer mit den Tieren

"Es heißt, alles mit den Tieren. Im Osterurlaub bin ich mit meinen Tieren, Weihnachten bin ich mit meinen Tieren. Egal wo ich bin, meine Löwen sind dabei."
Ab und zu trainiert Lacey öffentlich. So können sich die jungen Löwen schon bei der Probe ans Publikum gewöhnen. Und die Zuschauer – vor allem Kinder – erleben die Raubtiere aus nächster Nähe.
"Ich geb‘ meinem Publikum das Gefühl, die Uuuhs, die Aaaahs! Oooh, das sieht gefährlich aus! Das ist ganz, ganz wichtig. Live-Entertainment. Kein Fernseher, kein Videospiel. Solch‘ ein Gefühl fehlt heutzutage."
Der Dompteur lässt 16 Löwenweibchen gleichzeitig in die Manege. Der strenge Geruch der riesigen Raubtiere wabert durch das Zirkuszelt. Ihr Brüllen und Fauchen ist bis draußen auf die Straße zu hören. Lacey will gar nicht erst den Eindruck erwecken, er arbeite mit Stubentigern, die nie einen echten Dschungel gesehen haben. Auch ein Zirkus-Löwe sei eine perfekte Tötungsmaschine.
"A perfect killing machine. Dafür ist er gebaut. Daher muss ich immer Respekt haben. Ich respektiere meine Löwen immer. Ich weiß genau, wenn ich zu nahe komme. Ich weiß genau, wenn Beluga keine Lust hat. Und dann muss ich vorsichtig sein. Wenn er sagt, lass mich in Ruhe, und dann so macht, dann bin ich kaputt. Er ist ein starkes Tier."

Circus mit eigenen Tierrechtsregeln

Mit der rechten Hand deutet Lacey einen Prankenhieb seines Lieblingslöwen Beluga an. In der Manege dirigiert der Dompteur seine Tiere mit Stock und Peitsche. Die Löwen machen Männchen. Lacey wirkt wie ihr Rudel-Anführer, das Alphamännchen. Doch dieses Bild sei falsch, sagt er. Die Tiere machten ihre Chefs unter sich aus.
"In meiner Nummer aus 26 Löwen und Tigern gibt es vier Chefs in der Gruppe. Und ich bin eigentlich der beste Freund. Ich bin akzeptiert in der Gruppe. Wäre ich das nicht, könnte ich nichts machen. Deshalb sage ich immer: Ich bin ein komischer Löwe. Ich muss die Tiere natürlich lesen. Wenn eine gefährliche Situation kommt, merke ich das vorher. Da hab‘ ich einen sechsten Sinn. Wie Mutter und Kind. Die Mutter weiß, ob das Kind gute oder schlechte Stimmung hat. Ich auch."
Kritiker bezweifeln das. Sie werfen Lacey vor, er quäle die Tiere. Tierrechtler bemängeln, dass der Circus Krone seine Löwen, Tiger und Elefanten nicht artgerecht halte. Mit viel zu wenig Platz und zu viel Stress durch das ständige Reisen und die Vorstellungen. Lacey kann diese Kritik nicht nachvollziehen.
"Ich bin ein Tierschützer, aber Tierrechtler sind furchtbar. Ich finde es sehr schade, dass diese Tierrechtsorganisationen Millionen verdienen. Und gar nichts geht zu den Tieren. Nichts. Das hat gar nichts mit Tierschutz zu tun. Was ist Tierschutz? Unsere Wagen besprühen? Unsere Plakate runterreißen? Das tut sehr weh."

Einige Städte und Orte sind für den Circus tabu

Die Vorwürfe von Tierrechts-Organisationen schmerzen Lacey vor allem deshalb, weil sie seinen Beruf gefährden. Auf öffentlichen Druck hin haben in den vergangenen Jahren viele Kommunen in Deutschland Tierhaltungsverbote beschlossen. In Städten wie Passau oder Erding dürfen Circus-Veranstalter wie die Familie Krone ihre Zelte nur noch ohne Wildtiere aufschlagen. Deshalb verteilt ein Mitarbeiter von Martin Lacey am Rande der öffentlichen Raubtierprobe Unterschriftenlisten. Für eine Petition gegen Tierhaltungsverbote in Zirkussen.
"Da kann man Unterschriften sammeln. Und wer z.B. 100 Unterschriften sammelt und uns zuschickt, der darf – wie der Junge gerade – den Beluga mit einem Stück Fleisch am Stock füttern."
Das ist der Deal: wer 100 Unterschriften bringt, darf auf Tuchfühlung mit Laceys Löwen gehen. 28.000 Unterschriften hat der Dompteur in Bayern schon gesammelt. 4000 fehlen noch für eine Eingabe an den bayerischen Landtag. Der Wahlmünchner ist zuversichtlich. Gutgeführte Circusse, fordert er, sollten in Bayern auch weiterhin wilde Tiere präsentieren dürfen.
"Wir haben super Tierärzte, wir haben Zahnärzte, wir haben alles, was die Tiere brauchen. Ich gebe jeden Monat allein 20.000 Euro für Fleisch aus. Ich habe fünf Tierpfleger, wirklich alles."
Laceys Löwen sind längst wieder aus dem runden Käfig in der Manege in das Zaungehege hinter dem Zirkus gelaufen. Hier sind sie geboren, aufgewachsen, haben ihr ganzes Leben verbracht. Sie kennen nicht anderes. Scheinbar gelangweilt liegen sie zwischen Holzkisten, gähnen und wälzen sich im Sägemehl.
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