Umgang mit der AfD

Deutscher Kulturrat kritisiert Medien

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats
Der Geschäftsführer des deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, rügt die mediale Inszenierung. © imago stock & people
Olaf Zimmermann im Gespräch mit Gabi Wuttke  · 25.09.2017
Nach der Bundestagswahl fordert der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, eine Debatte über die Rolle der Medien. Sie hätten die AfD erst salonfähig gemacht. Kultur und Medien müssten jetzt einen neuen Weg beschreiten.
"Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Medien beim Salonfähigmachen der AfD", forderte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, schon am späten Wahlabend in einem Tweet.
Er ist eine von mehreren Stimmen, die den medialen Umgang mit der AfD selbst und mit den von ihnen gesetzten Themen kritisieren. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte diesen Vorwurf in der Berliner Runde am Sonntag Abend als einer der ersten geäußert.

Kritik am TV

Zimmermann kritisierte im Deutschlandfunk Kultur vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien und hob die besondere Rolle des Fernsehens hervor. Dort habe man sich in den letzten Monaten einen "Überbietungswettkampf" darin geliefert, "wer reagiert schneller, intensiver, größer auf eine der Zumutungen der AfD". Man müsse darüber reden, was man gemeinsam falsch gemacht habe und in Zukunft besser machen könne. "Ich wünsche mir eine Berichterstattung, die nicht nur AfD ist", sagte Zimmermann. Viele Themen seien im Bundestagswahlkampf und in der Berichterstattung darüber zu kurz gekommen. Als Beispiel nannte der Geschäftsführer die Bildungspolitik.

Das Interview im Wortlaut:

Gabi Wuttke: Der Tag nach der Bundestagswahl, schon immer der Tag, an dem zerbrochenes Porzellan zusammengekehrt und schwarze Peter hin- und hergeschoben werden. Nach der Wahl der AfD zur drittstärksten Kraft im neuen Bundestag hat sich auch der Deutsche Kulturrat zu Wort gemeldet. Geschäftsführer Olaf Zimmermann twitterte: "Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Medien beim Salonfähigmachen der AfD" und ergänzte in einer Pressemitteilung: "Besonders einige Medien sind in den letzten Monaten über jedes Stöckchen gesprungen, das ihnen die AfD hingehalten hat." Guten Abend, Herr Zimmermann!
Olaf Zimmermann: Schönen guten Abend!
Wuttke: Wer sind "besonders einige Medien"?
Zimmermann: Besonders einige Medien sind zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Medien in ihrer gesamten Breite, ganz besonders aber auch das Fernsehen, das einfach in den letzten Monaten schon so etwas wie ein Überbietungswettkampf geboten hat – wer reagiert schneller, intensiver, größer auf eine der Zumutungen der AfD?
Wuttke: Das heißt, Sie vertreten die Meinung von CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann?
Zimmermann: Ja, das wundert mich selbst, aber ich glaube schon, dass wir einfach darüber nachdenken müssen. Es ist auch kein Schwarzer-Peter-Spiel, ganz besonders nicht für den Deutschen Kulturrat, weil alle die ich gerade genannt habe, sind auch alle unsere Mitglieder. Das heißt, wir reden über uns selbst, wir reden letztendlich darüber, was wir gemeinsam in den letzten Monaten vielleicht auch falsch gemacht haben und was wir in der Zukunft besser machen können.

Umgang mit Protestwählern

Wuttke: Wahlforscher haben ermittelt, 60 Prozent der AfD-Wähler waren Protestwähler. Da ging es überhaupt gar nicht um Argumente.
Zimmermann: Ja, gut, aber auch Protestwähler müssen ja erst einmal irgendwie so ein Protestgebäude sehen, dem sie sich dann quasi anschließen können. Und das ist natürlich gerade auch inszeniert worden in den letzten Monaten. Wir haben einfach erlebt, jede Zumutung, jede Erweiterung auch letztendlich der Zumutungen, die die AfD uns geboten hat, wurde medial in einer Art und Weise ausgeschlachtet, dass, glaube ich, viele daran auch wieder Spaß gefunden haben, die nächste Zumutung dann hinterherzusenden. Und ich glaube, auch die Protestwähler fanden es einfach spannend, also die AfD auch gerade deshalb zu wählen, weil die zeigt es mal den herrschenden Politikern. Ich finde schon, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, ob das der richtige Weg ist.
Wuttke: Viele Medien – ich weiß jetzt nicht, was genau Sie im Kopf haben – hatten schon lange vor Beginn des Wahlkampfs verstanden, eben auch die Öffentlich-rechtlichen, dass man versuchen muss, das Phänomen AfD zu erklären, eine Herausforderung, die da war, die sicher nicht immer gelungen ist. Aber wünschen Sie sich jetzt eine Bundestagsberichterstattung ohne AfD?
Zimmermann: Nein, überhaupt nicht, aber ich wünsche mir eine Berichterstattung, die nicht nur AfD ist. Ich kenne viele Themen, die also auch zumindest mir wichtig waren, die auch vielen anderen, glaube ich, schon wichtig waren, die in diesem Bundestagswahlkampf einfach gar nicht vorgekommen sind, oder wenn überhaupt, nur am Rand vorgekommen sind. Die gesamte Bildungspolitik zum Beispiel. Ich finde schon, es ist die Verantwortung der Medien, das eine natürlich zu zeigen, so viel, wie es sein muss, natürlich zu zeigen, aber trotzdem auch ein Sensorium dafür zu haben, ein vollständiges Abbild zu liefern. Und da glaube ich schon, dass es manchmal gemangelt hat.

Grundfragen stellen

Wuttke: Das wäre aber die eierlegende Wollmilchsau. Wenn Sie so genau wissen, was Sie wollen, wie soll es denn dann hergestellt werden? Zumal, Herr Zimmermann, Sie lassen damit CDU und CSU, auch die SPD davonkommen, die offensichtlich ja nicht begriffen hatten, dafür haben sie gestern die Quittung bekommen, ihre Politik so aufzustellen, dass Menschen sich gesehen und nicht länger abgehängt fühlen, sondern selbst über das Stöckchen der AfD gesprungen sind, worüber die Medien verpflichtet sind, zu berichten.
Zimmermann: Nein. Hier entlässt niemand irgendjemand davonkommen. Besonders haben die Wähler diese Parteien nicht davonkommen lassen, deswegen haben sie ja nun auch massivste Einbrüche bei den Wählern erfahren müssen. Aber das bedeutet doch nicht, dass jetzt nur die Parteien dafür verantwortlich sind, sondern ich finde einfach, wir müssen auch mal in den Medienbereich hineinschauen, und das hat überhaupt nichts Negatives mit zu tun, sondern es gehört doch zur Demokratie bei uns letztendlich dazu, dass wir diese Grundfragen immer wieder stellen – sind wir eigentlich auf dem richtigen Weg? Wir als Deutscher Kulturrat werden das jetzt drei Tage lang machen. Ob wir hätten vielleicht auch etwas anders machen können. Und ich finde, es ist doch mehr als nur gerecht, dass auch die Medien sich darüber Gedanken machen.
Wuttke: Kai Voges, der Intendant des Schauspiels Dortmund, sagte uns gestern Abend etwas, um die Situation zu verbessern, nämlich, dass Kulturinstitutionen weiterhelfen könnten, zwischen recherchierter Information und verkleideter Propaganda unterscheiden zu können. Hören wir ihn mal kurz.
Kai Voges: Ich glaube auch, dass das Theater der Ort ist, wo man lernen kann, Bilder zu dechiffrieren. Und dieser Wahlkampf, den wir jetzt hinter uns haben, der hatte sehr viel mit Polemik und Populismus zu tun. Das bedeutet, Medienkompetenz – wie gehen wir mit gesteuerten Twitter-Meldungen um, wie gehen wir mit Polemik um – vielleicht können da die Kulturinstitutionen in Deutschland auch Handreichungen geben.

Verantwortung und Chance

Wuttke: Herr Zimmermann, sollten die Kulturinstitutionen und die Medien also noch stärker zusammenarbeiten?
Zimmermann: Ich glaube, ja. Und besonders müssen wir uns alle fragen, was wir wirklich tun können. Herr Lilienthal von den Kammerspielen in München hat da jetzt gesagt, er will noch mal auf seinen Spielplan gucken und will mal schauen, ob er da auch etwas verändern muss. Weil es ist auch unsere Aufgabe, ins Gespräch zu kommen. Und natürlich müssen wir auch mit den Wählern der AfD jetzt ins Gespräch kommen.
Und natürlich müssen wir einen Weg finden, wie wir sie also auch wieder, ich sag mal, mehr in die Mitte der Gesellschaft ziehen können. Das ist auch eine Aufgabe des Kulturbereichs. Und darüber werden wir auch jetzt in der nächsten Zeit streiten müssen, weil natürlich auch unterschiedliche Wege dort angedacht werden können. Aber ich sehe gerade die Kultureinrichtungen in einer großen Verantwortung, aber auch in einer großen Chance, diese Aufgabe zu bewältigen.
Wuttke: Aber Sie haben natürlich auch ganz hautnah mitbekommen, dass die Auseinandersetzung mit der AfD eine für die Kulturinstitutionen genauso schwierige war wie für die Medien. Nicht nur, was die Rhethorik angeht, sondern auch in der Balance zwischen dem, was berichtet gehört, und dem, womit man vorsichtig umgehen muss, um aufzuklären.
Zimmermann: Natürlich. Ich kann mich gut an ein Treffen erinnern mit AfD-Politikern, das ich in Magdeburg hatte. Und da kann ich Ihnen nur sagen, das war schon harter Tobak gewesen. Das war kein einfaches Treffen gewesen, und die Debatten, die jetzt geführt werden, gehen ja auch gerade darum, dass die AfD sagt, sie will unsere künstlerische Freiheit einschränken. Sie sagt ja, sie will in der Zukunft gerade dort nicht mehr mit öffentlichen Mitteln finanzieren, wo nach ihrer Ansicht ich sag mal linke Kunst propagiert wird.
Und da müssen wir uns auch deutlich zur Wehr setzten, um auch klar zu machen, die Politik hat da gar nichts zu suchen. Das sind unsere Sachen, die wir letztendlich in den Theatern spielen, was wir in den Museen zeigen. Da kann nicht die Politik quasi so eine Form von Einfluss nehmen. Aber da werden wir in den nächsten Monaten noch ganz heftig dran arbeiten müssen. Und ich hoffe, das machen wir in einem Schulterschluss Medien und Kulturbereich gemeinsam.
Wuttke: Sie geben mir aber zu, es gibt keinen einfachen Umgang mit der AfD. Da müssen wir alle noch lernen.
Zimmermann: Natürlich. Das ist ja auch für uns alles Neuland, und ich finde, deswegen ist es ja auch gut, wenn wir jetzt miteinander über diese Fragen diskutieren. Und wir sollten das auch so offen wie möglich machen. Das hat auch nichts mit Angriffen untereinander zu tun, sondern wir müssen doch jetzt einfach einen gemeinsamen Weg finden, und einen Weg in ein doch unbekanntes Land zu finden, ist ja gar nicht so einfach, aber es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig, als ihn jetzt zu finden, weil wir können doch nicht wollen, dass sich diese Entwicklung so fortsetzt. Und stellen Sie sich das mal vor, wenn das nicht gestoppt wird, wie das dann bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren aussieht. Also wir haben da auch eine gemeinsame Verantwortung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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