Ukraine

Studie: Aufrüstung ist kontraproduktiv

Ein zerstörter Panzer der ukrainischen Armee steht am 19. September 2014 in der Region Lugansk.
Die ukrainische Armee muss große Verluste an Panzern und schwerem Gerät hinnehmen. © pa/dpa
Von Jochen Spengler  · 11.02.2015
Die Bundesregierung bekommt Schützenhilfe von unerwarteter Seite: auch das Internationale Institut für Strategische Studien in London warnt vor Waffenlieferungen für die Ukraine. Der Kreml könne jede Aufrüstung kontern - ungefährlicher werde die Lage dadurch nicht.
Konventionelle Waffen brauche die Ukraine ohnehin nicht, weil sie diese in großer Anzahl besitze, erläutert Brigadegeneral Ben Berry; doch für hochentwickelte Präzisionswaffen fehle es ihr an trainierten Soldaten, so dass deren Einsatz kurzfristig nicht möglich sei. Außerdem liefere man Russland damit ein willkommenes Argument, die Separatisten offen zu unterstützen.
"Russland kann überdies zusätzliche Ausrüstung in die Region sehr viel schneller bringen, als externe Waffenlieferungen an die Ukraine möglich sind. Sollten also die USA und andere beschließen, die Ukraine zu unterstützen, würde es dauern, eine militärische Überlegenheit zu erreichen, die wahrscheinlich ohnehin zunichte gemacht würde durch eine rasche russische Eskalation."
Diese Analyse des anglophilen thinktanks entspricht weitgehend der Argumentation der Bundesregierung, wonach jede Aufrüstung der Ukraine, leicht von Russland gekontert werden könne. Zumal der Kreml während der gesamten Krise entschlossen gezeigt habe, so betont Institutsdirektor John Chipman, die militärische Macht zu nutzen. Er modernisiere die Armee, investiere in neue Lenkwaffen, Schiffe, Kampfflugzeuge und Bomber.
"Sehr im Zentrum von Russlands Militärstrategie stehen Atomwaffen und wir beobachten eine wachsende Konzentration auf schnelle Eingreiftruppen, während es zugleich seine Luft- und See-Fähigkeiten häufig provokativ vorführt. Alles in allem hat es Europa mit einem kampflustigeren Russland zu tun, das anscheinend beabsichtigt, die Entschlossenheit des Westens zu testen."
Der Kreml wünscht sich eine gespaltene Ukraine
John Chipman zeigte sich wenig optimistisch hinsichtlich einer Lösung des Ukraine-Konflikts, da die militärische Lage unklar bleibe und es deswegen schon eine Herausforderung darstelle, überhaupt Waffenstillstandslinien festzulegen. Und:
"Nur die Europäer scheinen sich auf einen Waffenstillstand zu fokussieren, während die Separatisten sowie die Regierungen der Ukraine und Russlands strategischer denken und zugleich vollkommen unvereinbare Ziele haben."
Präsident Poroschenko sei entschlossen seinen Machtbereich über die gesamte Ostukraine bis zur Südostgrenze zu sichern. Der Kreml dagegen wünsche sich offenbar eine gespaltene Ukraine, die unfähig ist, die russische Einflusssphäre zu verlassen. Und die Rebellen wollten sich nicht nur mit ihren bisherigen Enklaven zufrieden geben, sondern suchten für ein weit größeres Gebiet eine Zukunft außerhalb der Ukraine.
Auf jeden Fall werde der Ausgang der Krise das weitere Verhältnis der Westmächte und Russlands maßgeblich bestimmen. Das gegenseitige Vertrauen sei schon jetzt nahezu aufgebraucht und die europäische Nachkriegsordnung stehe in Frage. Nötig sei eine neue westliche Strategie.
Außerdem müsse die Allianz hinsichtlich der eigenen Rüstung bald Farbe bekennen. Seit 2010 seien die Europäischen Verteidigungsausgaben um effektiv acht Prozent gesunken. Und die Verpflichtung der NATO-Staaten, dafür mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereitzustellen, werde in absehbarer Zeit nicht erreicht.
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