Ukraine-Konflikt

Kremltreue Künstler müssen draußen bleiben

Die ukrainische Schlagersängerin Ani Lorak tritt trotz der Krise weiterhin in Russland auf.
Die ukrainische Schlagersängerin Ani Lorak tritt trotz der Krise weiterhin in Russland auf. © AFP
Von Florian Kellermann · 05.08.2014
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wird nun auch auf dem Feld der Kultur ausgetragen: Die Regierung in Kiew will über 500 russischen Künstlern die Einreise verbieten. Auch russlandtreue ukrainische Kulturschaffende stehen in der Kritik.
Das Konzert der Schlagersängerin Ani Lorak in Odessa am Mittwoch führte zu einem Skandal. Ani Lorak stammt aus der Ukraine, tritt aber weiter in Russland auf und hat dort vor kurzem sogar einen Preis angenommen. Einige Dutzend Odessiten protestierten deshalb gegen ihren Auftritt. In die Menge mischten sich Randalierer, und die Polizei ging gegen alle brutal mit Schlagstöcken vor. Das Ergebnis: mehrere Verletzte auf beiden Seiten.
Die Regierung in Kiew verurteilte zwar die gewaltbereiten Demonstranten, äußerte aber ihr Verständnis für den friedlichen Protest gegen die Sängerin. Während sie jedoch gegen Ukrainer, die in Russland auftreten, nichts unternehmen kann, will sie nun immerhin über 500 russischen Kulturschaffenden die Einreise verwehren. Dies soll für alle gelten, die es öffentlich befürwortet haben, dass Russland die Halbinsel Krim annektiert hat und die separatistische Bewegung in der Ostukraine unterstützt.
Einreiseverbote sind eine extreme Form der Zensur - trotzdem unterstützen viele Kulturschaffende in der Ukraine den Schritt, ebenso Künstler- und Verlegerverbände. Dmytro Kapranow, ein Musiker und Herausgeber:
"In einem Monat beginnt in Lemberg eine wichtige ukrainische Buchmesse. Diesmal ist kein russischer Verleger eingeladen. Ich finde das richtig. Diese Leute geben Bücher heraus, wie tolle russische Spezialeinheiten unsere Soldaten vernichten. Sie haben hier nichts verloren. Das gleiche gilt auch für Künstler, die Graffitis mit Separatisten an Häuserwände malen. Und für anti-ukrainische Musiker. Wir können doch nicht sagen: Unsere Soldaten kämpfen, aber die Künstler treten hier und dort auf, wie es ihnen passt, das wäre unmoralisch."
"Kommen Putins grüne Männchen nach Kiew?"
Dmytro Kapranow und sein Zwillingsbruder studierten in Moskau und lebten viele Jahre in Russland. Er habe noch viele Freunde dort, sagt Dmytro, die der Politik von Präsident Wladimir Putin kritisch gegenüber stehen.
So wie er denken die meisten ukrainischen Künstler und Schriftsteller über die geplanten Einreiseverbote, sagt Dmytro.
"Selbst die russischsprachigen ukrainischen Autoren, die Nationalisten früher als destruktive Kräfte gegeißelt haben, unterscheiden sich hier nicht. Anders ist es nur mit denjenigen, die nach Moskau ausgewandert sind, von ihnen hört man im Moment gar nichts."
Dmytro Kapranow engagiert sich persönlich im Konflikt in der Ostukraine, er und sein Zwillingsbruder fahren morgen nach Dniptropetrowsk, um für Soldaten in einem Ausbildungslager zu spielen.
Anderen Künstlern fällt der Umgang mit der Krise schwerer. Der Kiewer Maler Olexandr Rojtburd hat weniger Aufträge - weil die potenten Ukrainer ihr Geld zurzeit lieber der ukrainischen Armee spenden als Bilder zu kaufen. Außerdem will er den Krieg nicht zum Gegenstand seiner Malerei machen.
"Aber davon zu abstrahieren, ist eigentlich nicht möglich. Deshalb arbeite ich einfach weniger. Wie soll ich irgendetwas darstellen, was für mich zum Beispiel Glück bedeutet, wenn es wieder heißt, morgen rückt die russische Armee in der Ukraine ein? Da kann ich mich nicht lösen von Gedanken wie: Wird diese Stadt morgen bombardiert? Kommen Putins grüne Männchen nach Kiew?"
"Russland ist von einem kollektiven Wahnsinn ergriffen"
Olexandr Rojtburd stammt aus Odessa, er spricht besser Russisch als Ukrainisch und hatte die meisten seiner wichtigen Ausstellungen in Russland. Man merkt ihm an, er leidet unter dem Graben, der sich zwischen den beiden Kulturen auftut. Dennoch unterstützt auch er ein Einreiseverbot für manche russische Kulturschaffende, ebenso wie das Verbot von antiukrainischen Büchern. Mit einigen seiner russischen Kollegen hat er wegen ihrer Einschätzung der Ereignisse den Kontakt abgebrochen.
"Russland ist von einem kollektiven Wahnsinn ergriffen, das steht für mich fest. Der Bazillus des Imperialismus hat sich überall verbreitet. Ich weiß nicht, wie diese Krankheit geheilt werden kann. Klar ist aber: Wir dürfen die Künstler und Kulturprodukte von dort nicht mehr unbesehen auf unseren Markt lassen. Selbst wenn das qualitativ gute Produkte sein sollten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Filme von Leni Riefenstahl während des Zweiten Weltkrieges in den USA gezeigt wurden."
Allerdings sollte es nicht einfach eine Art Ethikkommission sein, die über Einreise- oder Importverbote entscheidet, meint Rojtburd. So eine Behörde könnte zu mächtig werden. Seiner Ansicht nach sollte in jedem einzelnen Fall ein Gericht entscheiden.
Kein Zweifel, der Kulturkrieg zwischen Russland und der Ukraine spitzt sich zu.
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