Ugly Vienna Tour

Die etwas andere Wien-Führung

Eugene Quinn organisiert die "Ugly Vienna"-Stadtführungen.
Eugene Quinn organisiert die "Ugly Vienna"-Stadtführungen. © Stephan Oszvath, ARD Wien
Von Stephan Ozsváth · 07.03.2016
Eugene Quinn organisiert Stadtführungen der besonderen Art: Der Brite zeigt "the dark side of Vienna", wie er sagt, und meint damit architektonische Todsünden im Stadtbild Wiens. Die Tour jenseits der Wien-Klischees gefällt allerdings nicht jedem.
"Hi, welcome!"
Eugene Quinn bedauert, dass es keinen Regen gibt. Denn da sehen die hässlichen Gebäude noch hässlicher aus, meint der Tourführer mit dem Dreitagebart. Der 47-Jährige trägt orangefarbene Hosen der Wiener Müllarbeiter - und eine Art Wünschelroute mit zwei Zetteln: "Ugly Vienna Tour" steht darauf. Der etwas andere Stadtführer zeigt auf einen Flakturm inmitten des barocken Augarten – neben dem Domizil der Wiener Sängerknaben.
"Unser erstes Gebäude ist dieses hier", sagt der Ire, und zeigt auf den Flakturm. Die Flaneure sollten sich schon mal auf das Bewerten einstellen, das sei schließlich eine interaktive Tour. Der Flakturm sei ein schönes Beispiel, meint Quinn, das Schönes manchmal auch hässlich zugleich sein kann. Man denke nur an Mick Jagger oder Katy Perry.
Lachen in der Runde. Britischer Humor, der sehr gut ankommt. Drei Stunden lang unterhält uns der Ire mit launigen Anekdoten über die Stadt. Früher hat er für die BBC gearbeitet, legt als DJ auf. Seit sieben Jahren lebt er in Wien – und das gerne, wie er beteuert. Seine Botschaft:
"Du verstehst das Schöne besser, wenn Du das Hässliche siehst."
Und davon sehen wir reichlich: Etwa einen grauenhaften Betonklotz nahe dem Donaukanal, über dem Eingang die ungarische Fahne, an der Fassade nutzlose Metallgestänge.
"Das ist das Collegium Hungaricum, das ungarische Kulturinstitut. Ich dachte zuerst, es wäre eine Pizzeria, denn ich kenne die Fahnen nicht so gut. Wenn es eine Person wäre, dann Wladimir Putin."
Das Collegium Hungaricum in Wien (ungarisches Kulturinstitut)
Das Collegium Hungaricum in Wien (ungarisches Kulturinstitut)© Stephan Oszvath, ARD Wien

Eine Fassade wie im LSD-Rausch gemalt

Eine Station unserer Tour ist der eigentlich schöne Karmeliter-Markt im Szeneviertel Leopoldstadt – eine Art Prenzlauer Berg Wiens. Und hier: eines der hässlichsten und kitschigsten Häuser Wiens. Die Fassade sieht aus wie im LSD-Rausch gemalt: weinende Frauen, Penisse, Spermien.
"Das hier ist das Haus der Zeit. Der Künstler Gerhard Bruckberger hat es im Alter von 31 Jahren bemalt. Es beschreibt sein Liebesleben, aber das war wohl nicht so toll, die Frauen weinen. Es ist eine Art öffentliche Psychotherapie."
Abstimmung. Einige Hände gehen in die Höhe. Doch die Meinungen sind geteilt.
"Es ist etwas provokant, aber es passt gut hier her."
"Ich finde es sehr lustig, ich mag bunt, ich mag uneben. Passt auch nach Wien, finde ich."
En passant spricht er über Gentrifizierung, Immobilienspekulation, kurz: wie aus einem alt-ehrwürdigen Bezirk "Bobostan" wird – ein Yuppie-Bezirk. Der Wiener Rentnerin Heidi Danielis gefällt die Tour.
"Man geht durch Wien, man sieht viele Häuser mit anderen Augen, mit seinen Augen."

Ein Strafgeld als Werbung

Der Wirtschaftskammer der Stadt allerdings gefällt die Alternativ-Tour überhaupt nicht. Sie stellt sich schützend vor ihre etwa 900 Stadtführer, die 6000 Euro bezahlen und nach zwei Jahren eine Prüfung ablegen müssen, und die das Klischee-Wien am Laufen halten, das die Kassen klingeln lässt: Sissi, Sacher, Schönbrunn, Schnitzel.
"Das ist das beste Marketing, das ich bekommen konnte. Seit mir 380 Euro Strafe aufgebrummt wurden, kommen mehr Leute. Das zieht sie an, ist ein bisschen frech, eine Art Piraten-Tour."
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