Über Moral in Kriegszeiten

Von Hans-Ulrich Pönack · 07.11.2007
Mit hochkarätiger Besetzung reflektiert Robert Redfords Film "Von Löwen und Lämmern" kritisch Bushs Afghanistan-Politik. In "Abbitte" wird die Geschichte eines 13-jährigen Mädchens erzählt, das im heißen Sommer 1935 ein vermeintlich erotisches Verhältnis ihrer Schwester falsch deutet, was katastrophale Konsequenzen für alle nach sich zieht.
"Von Löwen und Lämmern"
USA 2007, Regie: Robert Redford, Hauptdarsteller: Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, ab zwölf Jahren

Der Titel zitiert den Spruch eines deutschen Generals aus dem 1. Weltkrieg, der die britischen Infanteristen spöttisch als "Löwen, die von Lämmern angeführt werden", bezeichnete. Der heute 71-jährige Robert Redford (geb. am 18.8.1936 in Santa Monica, Kalifornien) zählt seit den 60er Jahren - durch Filme wie "Butch Cassidy und Sundance Kid" (1969), "Der Clou" (1973), "Die drei Tage des Condor" (1975), "Die Unbestechlichen" (1976), "Jenseits von Afrika" (1985), "Der Pferdeflüsterer" (1998) - zu den populärsten amerikanischen Schauspielern.

Des weiteren ist der engagierte Umweltschützer auch als Produzent und Regisseur aktiv. Er hat bislang sieben Spielfilme inszeniert, u.a. "Milagro - Der Krieg im Bohnenfeld" (1988), "Aus der Mitte entspringt ein Fluss" (1992), "Quiz Show" (1994), gleich für den ersten - "Eine ganz normale Familie" - bekam er 1981 den Regie-"Oscar". 2002 erhielt Redford den Ehren-"Oscar" für sein Lebenswerk als Schauspieler, Regisseur, Produzent und Gründer des unabhängigen Sundance-Instituts (= 1980 gründete er, in seiner Heimat Utah, dieses Institut, das er nach seiner Rolle in "Butch Cassidy und Sundance Kid" benannte. Ziel ist die Förderung unabhängiger Filmemacher und ihrer Werke. Seit 1984 findet das alljährliche Sundance-Film-Festival statt, das inzwischen zum wichtigsten Treffpunkt der amerikanischen Independent-Bewegung wurde).

Sein neuestes Werk dauert nur 95 Minuten, kommt einem aber wie ein "Vorfilm" vor, weil man überrascht ist, wie schnell hier die Zeit vergangen ist. "Von Löwen und Lämmern" ist eine politische wie gesellschaftliche Zustandsbeschreibung über das aktuelle USA - Amerika. Handelt von der großen Wut und Enttäuschung über die Bush-Kriegs-Politik ("Die Politiker sind heute eine Beleidigung für unsere Intelligenz", Redford im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", 5.11.07).

Es Ist ein sehr wortlastiger Film, bei dem zuhören ebenso wichtig ist wie das Zusehen. Das Drehbuch stammt von Matthew Carnahan, der bereits für das Drehbuch zum politischen Actionfilm "Operation Kingdom" verantwortlich war und hier das politische Hintergrundwissen, das im Actionfilm auszubreiten nicht möglich war, voll benutzen und ausbreiten kann.

Seine Geschichte verläuft über drei Erzählebenen: Die liberale Journalistin und der smarte, aufstrebende, konservative Politiker (Senator) im Interviewduell, der alte liberale Uni-Professor, der einem talentierten, aber "bequemen", lustlosen Bürger-Söhnchen-Studenten mit Fragen über dessen Werte und Ziele "aktivieren" möchte, engagiert(er) ins Leben zu treten, zwei junge, motivierte amerikanische "Freiwillige"-Soldaten, ehemalige Studenten des Uni-Professors, die zur selben Zeit und aufgrund dieser vom obigen Karriere-Senator erklärten neuen "todsicheren" Militärdoktrin in Afghanistan hinter feindliche Linien geraten und dort sterben.

"Von Löwen und Lämmern" ist ein faszinierender, erregender, wunderbar an den Kopf hämmernder Schlagabtausch über Moral in Kriegszeiten. Das Redford-Anliegen: Ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den desillusionierenden, oberflächlichen Zynismus von Teilen der antriebslosen (konsumorientierten) Sorglos-Jugend, ein listig-piekendes wie aufrüttelndes Plädoyer gegen die Kritiklosigkeit der US-amerikanischen Medien bzw. gegen ihren verantwortungslosen journalistischen Nachrichten-Umgang mit Begriffen wie "Objektivität", "Wahrheit" (wobei Quoten, bezahlter Lobbyismus, manipulierte Verblödung, Einseitigkeit eine große wie erhebliche Rolle spielen), sowie s. Titel: Die Verheizung von patriotisch gestimmten jungen Männern durch inkompetentes Politik- bzw. Militär-Personal.

Drei Hollywood-Stars haben sich hierfür zur Verfügung gestellt: Außer Redford treten Meryl Streep als altgediente Journalistin und Tom Cruise als glatter Senator-Aufsteiger (und Aspirant auf den nächsten Präsidenten-Posten nach Bush) zu der Verbal-Schlacht an. Alle drei ordnen sich diszipliniert wie unaufgeregt dem bedeutsam-aktuellen Thema unter, sind spannende Protagonisten. (Cruise war lange nicht mehr so überzeugend wie hier).

"Von Löwen und Lämmern" ist Ausdruck eines kollektiven Unwohlseins über die internationale Weltlage, herbeigeführt durch Verstrickungen von Wirtschaft, Medien, Politik in den USA. Die Dialoge sind wie Gewehrfeuer, liefern viele Denkanstöße, lassen humane Gedanken und Träume vereisen. Der aus der Frustration über den politischen wie geistigen Zustand seines Landes entstandene Film ist wichtig, informativ, mitteilsam, aufregend. Und weil dieses "amerikanische Thema" natürlich inzwischen weltweit eine (verheerende) Rolle spielt, geht der kluge Streit-Film natürlich auch uns hier viel an. Sich mit ihm zu befassen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, ist ein großer Gewinn. Und ein ausgesprochen riesiges intellektuelles Vergnügen.

"Abbitte"
Großbritannien 2007, Regie: Joe Wright, Hauptdarsteller: Keira Knightley, James McAvoy, Vanessa Redgrave, ab zwölf Jahren

Der Film stammt von Joe Wright, einem 35-jährigen Londoner Regisseur, der auch bei uns vor einiger Zeit mit seinem Debüt-Spielfilm, der Jane-Austen-Adaption von "Stolz und Vorurteil", bekannt wurde. Für sein zweites Leinwand-Werk nahm sich Wright des 2001 veröffentlichten, gleichnamigen Romans des britischen Schriftstellers Ian McEwan an.

Erzählt wird die Geschichte eines 13-jährigen, schriftstellerisch begabten jungen Mädchens. Die deutet im heißen Sommer von 1935 auf dem großherrschaftlichen Landgut ihrer Familie "eine (erotische) Situation" ihrer Schwester "mit einem Unterklassigen" falsch und löst durch ihre Äußerungen unglückselige Kettenreaktionen aus, die das Leben ihrer älteren Schwester, deren Geliebten und auch ihr Leben nachhaltig wie unglückselig zerstören soll. Was wie eine Art Agatha-Christie-Krimi formidabel-bedrohlich beginnt, entwickelt sich zu einem bewegenden Melodram, das auf drei Zeitebenen spielt: Eben vor dem Zweiten Weltkrieg, dann zu Anfang des Krieges, nach der Niederlage britischer Truppen in Belgien und Frankreich, sowie schließlich 1999. Handwerklich eindrucksvoll bebildert, darstellerisch brillant.

Die junge Irin Saoirse Roman ist als heranwachsende Biony Tallis ebenso vorzüglich wie Romola Garai als junge Frau und schließlich Vanessa Redgrave als altgewordene Erfolgsschriftstellerin, die in ihrem letzten Buch "Abbitte" leistet. Um sie herum sind "everybodys darling" Keira Knightley ("Fluch der Karibik 1-3", "Stolz und Vorurteil") und James McAvoy (in "Der letzte König von Schottland" der Hofarzt von Idi Amin) ein Traumpaar. Eine hochkarätige, hochemotionale sowie atmosphärisch überzeugende Literaturverfilmung. Erinnerungen an "Der englische Patient" sind ebenso genehm wie Gedanken an "Vom Winde verweht". "Oscar"-Avancen winken. Ein schönes Unterhaltungserlebnis auf der in jeder Hinsicht wohl ausgefüllten großen Leinwand.
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