Über den Umgang mit kommunistischen Denkmälern

Pieck soll bleiben

Das Wilhelm-Pieck-Denkmal in Guben (Brandenburg) am 11.04.2013. Die Zukunft des umstrittenen Wilhelm-Pieck-Denkmals in Guben (Spree-Neiße) bleibt ungewiss. Die Stadtverordnetenversammlung habe die Entscheidung über die Sanierung des maroden Monuments verschoben, sagte eine Sprecherin der Stadtverwaltung am 22.01.2014. Grund sei die unklare Haushaltslage.
Das Wilhelm-Pieck-Denkmal in Guben (Brandenburg). © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Vanja Budde · 25.10.2017
Die Denkmäler des Kommunismus verkündeten Herrschaftsansprüche – entsprechend wurden viele von ihnen nach der Wende in Deutschland zu Streitobjekten. Manche wurden zerstört, andere umgesetzt oder kreativ umgedeutet.
Unmittelbar hinter der Stadtgrenze von Berlin, wegen fehlender Hinweisschilder nur schwer zu entdecken, in der ersten Kurve der Autobahn 115, steht eine verblichen rosafarbene sowjetische Schneefräse im Kiefernwald. Zuvor versinnbildlichte auf deren Sockel Jahrzehnte lang ein Sowjet-Panzer die Macht des Vaterlands der Werktätigen. Bis Künstler 1992 in einer spektakulären Aktion den schweinchenrosafarbenen Schneeschieber hinauf hievten. Für Jürgen Danyel vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam ist es eines der interessantesten Beispiele für die Wandlung im Umgang mit den Denkmalen des Sozialismus:
"Es ahmt dieses Denkmal eine Aktion nach, die 1990 in Prag stattgefunden hat. Dort hat nämlich ein junger Student ein solches Panzerdenkmal rosa angemalt und ihm gewissermaßen eine friedliche Haut verschafft. Und darauf bezieht sich dieses Denkmal hier, auf dem ja vorher ein martialisch gehaltener Panzer stand, dessen Rohr in Richtung West-Berlin zeigte und für alle Transitreisenden gut sichtbar war."
Die Denkmäler des Kommunismus verkündeten Herrschaftsansprüche – entsprechend wurden viele von ihnen nach der Wende zu Streitobjekten, manche zerstört, andere umgesetzt oder eingelagert.
Jürgen Danyel: "Inzwischen gehen wir viel gelassener mit solchen Denkmälern um und es gibt unterschiedliche Gesichtspunkte, die da diskutiert werden. Und dieses Denkmal lädt förmlich dazu ein zu diskutieren. Es dokumentiert auch eine lange Vorgeschichte. Es macht auch aufmerksam auf das abwesende Denkmal, weil es provoziert, seine Geschichte auch zu erzählen."

Projektionsflächen für den Umgang mit DDR-Erfahrungen

Doch die sozialistischen Denkmäler sind auch Projektionsflächen für den Umgang mit DDR-Erfahrungen, sie transportieren Emotionen. Nicht jeder, der in der DDR vom Regime verfolgt wurde, erfreut sich heute daran, dass für Steuergelder Lenin-Statuen restauriert werden. Thomas Drachenberg vom Landesamt für Denkmalpflege sagt:
"Ich kann mir Vergangenheit nicht aussuchen. Das heißt, es gab östlich der Elbe ein Experiment, eine andere Gesellschaft aufzubauen. Und diese hat ideologisch besetzte Denkmale produziert, mit einem gewissen Anspruch. Und das Glück ist, dass es bei uns keine Gewalt gegeben hat, diese Denkmale zu beseitigen, sondern wir haben sie heute noch da. Und wir können heute anhand des Originals versuchen, unsere Geschichte zu verstehen: Was ist denn da in der DDR vorgegangen? Was ist denn da passiert?"

Eisenhüttenstadt ist Deutschlands größtes Flächendenkmal

Des Schutzes würdig und ein Denkmal sei das, was eine gewisse Qualität habe, eine historische Aussage liefere, argumentiert Drachenberg.
"Und so sind auch Objekte, Relikte aus Zeiten der DDR natürlich auf der Denkmalliste, mit Eisenhüttenstadt eine ganze Stadt, die sozusagen der gebaute Kommunismus ist: Das ist die Achse aufs Stahl- und Walzwerk mit Kulturhaustheater und großartigem Rathaus und vielen, vielen Wohnungen mit sehr guten Wohnungsschnitten."
Eisenhüttenstadt im Osten Brandenburgs ist Deutschlands größtes Flächendenkmal. Die erste am Reißbrett entworfene sozialistische Stadt der DDR, in den 50er-Jahren aus dem sandigen Boden gestampft für die Arbeiter im benachbarten Stahlwerk. Axel Drieschner, Kurator am dortigen Dokumentationszentrum für DDR-Alltagskultur, erinnert daran:
"Kulturpolitik war im Kalten Krieg hochgradig aufgeladen. Das war eine Form, die eigene kulturelle und gesellschaftliche Überlegenheit zu demonstrieren. Man wollte sich ganz klar vom Westen mit seinem internationalen Baustil abgrenzen, wo praktisch auf Bauhaus und Moderne, Neues Bauen der 20er-, 30er-Jahre zurückgegriffen wurde. Der Osten wollte dem etwas entgegensetzen, indem er gesagt hat: Wir bauen prachtvoll. Wir wollen unsere Menschen nicht in Schuhkartons unterbringen."

Das marode Wilhelm-Pieck-Denkmal in Guben

Die älteren Eisenüttenstädter seien bis heute stolz auf das architektonische Erbe, sagt Drieschner. Doch politisch aufgeladen sind die Bauten nicht mehr. Anders als das marode Wilhelm-Pieck-Denkmal in Guben: Über Sanierung oder Abriss streitet die Geburtsstadt des ersten DDR-Präsidenten seit Jahren. Für viele Gubener ist es schlicht ein Schandfleck, den sie am liebsten beseitigen würden. Doch für Denkmalschützer Drachenberg kommt das nicht in Frage:
"Weil wir unsere Aufgabe darin sehen, der Gesellschaft das Original anheim zu geben, um sich daran zu reiben."
Das Pieck-Denkmal aus Beton von 1976 sei bedeutend, weil es zeige, wie Ideologie damals funktioniert hat und dies mit hohem künstlerischem und architektonischem Anspruch verbunden sei, so Drachenberg. Auch Jürgen Danyel vom Zentrum für Zeithistorische Forschung ist der Ansicht, dass das vereinigte Deutschland diese Denkmäler braucht. Heute hätten sie die Funktion, über DDR-Geschichte kritisch aufzuklären.
Jürgen Danyel: "Das Spannende daran sind immer die Debatten und da kann Denkmalschutz eine wichtige Rolle spielen, weil er solche Debatten fördern kann. Und die Tagung, die wir machen, ist ja so ein Versuch, mal Zeithistoriker und Denkmalschützer zusammenzubringen, hätte eigentlich schon viel früher und viel öfter geschehen sollen, weil, das ist eine Art Symbiose, die da sehr produktiv sehr kann.
Denkmalschutz ist selber Teil dieser Debatten, also es gibt keine eindeutigen Antworten, auch für die Denkmalschützer nicht und deren Positionen ändern sich genauso. Und die Zeithistoriker haben großes Interesse, diesen Wandel in der Erinnerungskultur zu untersuchen, insofern liegt's nahe, beide mal zusammenzubringen. Und das wollen wir mit dieser Tagung machen."
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