TV-Sektion auf dem Filmfest München

Neues Hoch für Deutsche Fernsehserien

Eine Sammlung von Fernsehgeräten, Radios und Radioweckern aus den Anfängen der Unterhaltungsindustrie
Eine Sammlung von Fernsehgeräten, Radios und Radioweckern aus den Anfängen der Unterhaltungsindustrie © picture alliance / dpa / Farnsworth
25.06.2016
Der Serien-Hype ist in Deutschland mit Verzögerung angekommen. Doch die guten Produktionen nehmen zu, sagt Ulrike Frick vom Filmfest München. Dort gibt es nicht nur TV-Serien zu sehen.
Nach Einschätzung der Kuratorin für TV-Serien, Ulrike Frick, holen deutsche Produktionen auf dem internationalen Serienmarkt auf. Noch bestehe ein Unterschied zu US-amerikanischen Produktionen wie "House of Cards" oder "Game of Thrones". "Aber bestimmte Produktionsfirmen, die finanziell etwas besser ausgestattet sind, und sich geschickt verhalten, holen gut auf", erklärte die Leiterin der Fernsehsektion des Filmfestes München am Samstag im Deutschlandradio Kultur.

Vom Netz ins Fernsehen

Gezeigt werden in der Fersehsektion des Festivals unter anderem die dritte Staffel der Web-Serie "Der Lack ist ab" mit Kai Wiesinger, außerdem die Krimi-Serie "Cape Town", die produziert wurde, bevor die Produktionsfirma überhaupt einen Abnehmer dafür gefunden hatte. Dazu kommen zwei Serien unter Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: "Phoenixsee" und "Pregau".
Inzwischen würden auch im Fernsehen die digitalen Möglichkeiten stärker ausgeschöpft, so Frick. "Das tut dem Fernsehen gut, wenn aus ganz verschiedenen Kanälen etwas zusammenfließt." Auch die auf dem Festival gezeigten Web-Formate seien qualitativ hochwertig. "Das, was wir zeigen, ist visuell so interessant und so spannungsreich, dass man das sehr schön auf einer großen Leinwand sehen kann", betonte Frick.
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Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Auf der einen Seite das gute Kino mit kulturellem Anspruch, auf der anderen Seite das böse Fernsehen, das nach wie vor im Ruf steht, zu verblöden. Es ist schon eine gewaltige Schere, die geschlossen werden muss, will man über Fernsehen auf einem Filmfest reden. Ulrike Frick macht genau das und mehr. Sie kuratiert auf dem Filmfest München eine eigene Reihe für die neue deutsche Serie. Guten Morgen, Frau Frick!
Ulrike Frick: Schönen guten Morgen, hallo!
Welty: Diese Ihre Reihe umfasst vier Serien, die vorgestellt werden. Wie mühsam war das denn überhaupt, diese vier Serien zu finden, die lohnen oder hatten Sie tatsächlich die Qual der Wahl?
Frick: Also die gesamte Fernsehreihe besteht ja nicht nur aus den Serien, sondern auch aus Spielfilmen. Die zu finden ist meistens ziemlich langwierig. Bei den Serien, die ja dieses Jahr jetzt zum ersten Mal in so einem Umfang von vier verschiedenen Titeln stattfinden, war es gar nicht so schwierig, weil einen bestimmte Sachen ja doch schnell anspringen.
Welty: Was hat Sie denn angesprungen?
Frick: Im dem Fall war das so eine Kombination aus den Produktionsbedingungen der jeweiligen Serien als auch die Distribution, könnte man sagen, also wie werden die hinterher jetzt eigentlich zu sehen sein. Da gibt es zwei Beispiele, die auf so einem ganz klassischen Weg ablaufen. Das wäre zum einen "Phoenixsee", das ist also eine klassisch produzierte von der ARD. Das andere, "Pregau", ist von der Degeto gemeinsam mit dem ORF. Das sind also so die herkömmlichen Wege der Produktion, die einem bislang auch schon bekannt waren.

Web-Serie "Der Lack ist ab" auf der großen Leinwand

Welty: Da stehen also Fernsehanstalten dahinter.
Frick: Genau, genau. Und das andere wären zum einen "Cape Town", das ist eine Krimiserie, die in Kapstadt spielt, also schon mal die international-deutsche Produktion. Zum anderen war da das Interessante, dass die Produktionsfirma all-in-production von Annette Reeker das in so einer Eigenregie ganz alleine gestemmt hat, auf eigene Kosten und sich anschließend dann erst darum gekümmert hat, wo kann man das denn überhaupt jetzt unterbringen, was wir da produziert haben. Einen ähnlichen Weg ging auch die Web-Serie, die wir zeigen. Da gab es schon zwei Staffeln von "Der Lack ist ab". Das hat Kai Wiesinger, der vor allen Dingen ja als Schauspieler bekannt ist, auch persönlich umgesetzt und inszeniert, und da zeigen wir jetzt die dritte Staffel, die Folgen eins bis zehn, weil das ist relativ kurz. Ansonsten zeigen wir immer die erste oder zweite Folge nur.
Welty: Da kann man dann alles zeigen.
Frick: Genau.
Welty: Damit man so ein bisschen auf Spielfilmlänge kommt.
Frick: Genau, wir haben ja da so Programmschienen, die dürfen natürlich nicht total unter- beziehungsweise überfüllt werden.
Welty: Wenn Sie sagen, die eine Serie wurde gleich für das Internet produziert, die andere ohne Geld von Fernsehanstalten – deutet sich da so etwas wie ein Paradigmenwechsel an, dass also Fernsehanstalten, die bislang für die Serie standen, das Heft aus der Hand geben?
Frick: Ich glaube, das Heft aus der Hand geben wollen und werden die gar nicht, aber ich denke, dass diese anderen Möglichkeiten, einfach durch diese ganzen digitalen Möglichkeiten, die inzwischen so geboten sind, die man ja am Anfang beim Fernsehen nicht so intensiv wahrgenommen hat wie jetzt bei Kinoproduktionen, hatte ich den Eindruck, dass die jetzt da schon auch Nachhall finden, und ich finde das in Ordnung. Also das tut dem Fernsehen als solchem ja nur gut, der einzelnen Serie oder dem einzelnen Film, wenn da aus ganz verschiedenen Kanälen was zusammenfließt.

Deutsche Serien: "Richtig gut gemacht"

Welty: Wie sieht das aus, wenn man ein Web-Format wie "Der Lack ist ab" auf die große Kinoleinwand bringt?
Frick: Ich dachte ja am Anfang, das muss ja irgendwie grobkörniger und unangenehm sein, und man bemerkt da einen Qualitätsverlust optisch, aber das stimmt gar nicht. Also das ist alles ganz gestochen scharf. Es ist ja ein unangenehmer und schon lange überholter Vorwurf, dass Fernsehen immer nur aus halbnahe und halbtotale Einstellungen bestehen, und das muss kein Mensch auf einer großen Leinwand sehen. Das ist natürlich klar. Irgend so eine ganz biedere Vorabendserie, die gibt es ja auch noch heutzutage, die haben auch eine Daseinsberechtigung. Das zeigen wir auch gar nicht, aber das, was man zeigt, ist optisch also visuell wirklich so interessant und so spannungsreich, dass man das sehr schön auf einer großen Leinwand sehen kann und vor allen Dingen dann Details entdeckt. Na ja, ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber das ist dann schon wie bei Polanski, dass man auf einmal sieht, was für eine Mühe sich beispielsweise die ganzen Kostümbildner und Szenenbildner da auch so machen jedes Mal.
Welty: International haben Serien ja längst das Schmuddel-Image abgelegt. Können deutsche Serien da mithalten, auch was die Produktion angeht, denn leider bewahrheitet sich ja allzu oft, dass das, was gut aussieht, eben auch reichlich kostet?
Frick: Ja, also da bemerkt man natürlich schon noch, dass es einen Unterschied gibt also zwischen, sagen wir jetzt mal, sowas wie "True Detective", "House of Cards" oder "Game of Thrones". Das sieht schon noch ein bisschen anders aus als das, was in Deutschland läuft. Ich finde allerdings, dass jetzt da auch bestimmte Produktionsfirmen, die finanziell etwas besser ausgestattet sind und da sich auch recht geschickt, glaube ich, verhalten, die holen da gut auf. Ja, ich meine, wir Deutschen haben den Serienhype ja auch mit einer gewissen Verzögerung erst mal wahrgenommen. So wird es bei den Serienproduktionen jetzt auch sein und werden. Ich bin da ganz guter Dinge, dass sich das bald auf einem bestimmten Niveau einpendelt. Also wenn man sich jetzt sowas anschaut wie "Deutschland 83", "Ku‘damm 56" oder, was gab es da noch, "Unsere Mütter, unsere Väter" – das sind alles Dinge, die sind ja nicht nur ehrenwert und gut gemeint, die sind auch einfach richtig gut gemacht inzwischen.
Welty: Ulrike Frick vom Filmfest in München, sie kuratiert dort die Reihe "Neue Deutsche Serien". Ich danke sehr für dieses Gespräch!
Frick: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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