TÜV-Gründung vor 150 Jahren

Überwachungen aller Art als Geschäftsmodell

Zu sehen ist Eine Plakette mit dem Jahr 2017 für die Hauptuntersuchung, hier beim "Deutschen Kraftfahrzeugüberwachungsverein Dekra in Dresden.
Hauptuntersuchung beim Auto: Eine von vielen Einnahmequellen der TÜVs. © picture-alliance / dpa / Arno Burgi
Von Mathias Schulenburg · 06.01.2016
Ende des 18. Jahrhunderts kam es im wild wachsenden Dampfmaschinenwesen zu spektakulären Explosionen. Eine eigentlich relativ kleine Explosion in einer Bierbrauerei in Mannheim war dann Anlass für die Gründung eines Überwachungsvereins - am 6. Januar 1866, vor 150 Jahren, wurde so die Vorläufergesellschaft des ersten TÜV gegründet.
Als sich im 19. Jahrhundert die Dampfkraft so recht entfaltete, gerieten die Zeitgenossen in eine Art Fortschrittsrausch. Heinrich Seidel, Konstrukteur der anspruchsvollen Halle des Anhalter Bahnhofs in Berlin, besang den Bändiger der Dampfkraft, den Ingenieur so:
"Den Riesen macht er sich zum Knechte,
Dess' wilder Mut, durch Feuersglut aus Wasserflut befreit,
zum Segen wird dem menschlichen Geschlechte -
und ruhlos schafft mit Riesenkraft am Werk der neuen Zeit."
Auf das Lied geht auch das Düsentriebsche Motto "Dem Ingenieur ist nichts zu schwör" zurück. Die damals freigesetzten Riesenkräfte freilich forderten Tribut in der Form zahlreicher Dampfkesselexplosionen, fachsprachlich "Zerknallungen". Friedrich Engels bemerkte betrübt:
"Vom Dampfkessel wie vom Gasometer erwartete man jeden Augenblick, dass sie explodierten."
Dann kam die Explosion, die in Deutschland den Arbeitsschutz endlich voranbrachte, obwohl sie es nach heutigen Maßstäben kaum in die überregionale Presse gebracht hätte: Die Katastrophe, die die Mannheimer Aktienbrauerei am 28. Januar 1865 kurz nach 13 Uhr heimsuchte, kostete einen Toten, vier Verletzte und erschütterte die Stadt.
Explosion eines Dampfkessels sorgte für Vereinsgründung
Ein Dampfkessel war explodiert, wegen Wassermangels, zu hohen Drucks und mangelhafter Wartung. Die ortsansässigen Dampfkesselbetreiber zogen zukunftsträchtige Lehren aus dem Unglück: Am 6. Januar 1866 gründeten sie die "Gesellschaft zur Ueberwachung und Versicherung von Dampfkesseln mit dem Sitze in Mannheim", abgekürzt DÜV, die Vorläuferorganisation des heutigen TÜV-SÜD. Der blickt zurück:
"Schnell wurde die neue Organisation nach 1866 als staatsentlastend anerkannt. Und schnell zeigten sich auch Erfolge bezüglich der Sicherheit: Kontrollierte Kessel waren 20 Mal sicherer als nicht kontrollierte Kessel."
Die private Dampfkesselüberwachung war so erfolgreich, dass die Mitgliedschaft in einem DÜV ab 1871 die Aufsicht eines staatlich bestellten Beamten überflüssig zu machen begann. Auch in anderen Regionen entstanden Überwachungsvereine, denen die zunehmende Technisierung immer neue Tätigkeitsfelder erschloss. Aus den Dampfkesselüberwachungsvereinen wurden Technische Überwachungsvereine, TÜV. Und es wurden viele technische Überwachungsvereine, die heute miteinander konkurrieren. Dem gemeinen Bürger haben sich die Institutionen vor allem als Wächter der automobilen Sicherheit eingeprägt.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Völker Europas ihre Liebe zum Automobil entdeckten, brachte das neben mancherlei Vorteilen auch gravierende Nachteile, wie Tausende Verkehrstote. Die waren großenteils technischen Mängeln geschuldet, die nicht alle Autobesitzer von sich aus behoben. Den Säumigen aufzuhelfen, wurde am 1. Januar 1961 für die Hauptuntersuchung von Kraftfahrzeugen die Plakettenpflicht eingeführt.
Heute vielfältiges Prüfangebot
Den Webseiten der TÜVs ist zu entnehmen, was heute alles so geprüft wird: vom Atomkraftwerk über Siliconimplantate zur Brustvergrößerung bis zum Zivilschutzbunker. Und das Netz der Dinge wächst und wächst, in Zeit und Raum; der TÜV SÜD etwa ist inzwischen an 800 Standorten weltweit vertreten. Die Entwicklung, vermeldet der TÜV SÜD stolz, ...
"... verlangt nach hoch qualifizierten Mitarbeitern: Über 80 Prozent der TÜV-SÜD-Mitarbeiter sind Akademiker. Neben vielen Ingenieuren zum Beispiel auch Chemiker, Physiker, Informatiker, Ökotrophologen oder Psychologen. Seit 2005 hat TÜV SÜD nahezu jedes Jahr über 1.000 neue Mitarbeiter im Unternehmen begrüßt."
Den meisten anderen TÜVs geht es gleichermaßen gut. Kritiker aber gibt es auch, die die Unabhängigkeit der Vereine in Zweifel ziehen. Denn manche Gegebenheiten, wie Kernkraftwerke, scheinen nur sicher, wenn sie nicht mehr da sind. dann aber fallen sie natürlich als zahlende Kundschaft für die TÜVs aus. Weshalb die Prüfvereine geneigt sein könnten, bei lukrativen Objekten auch mal ihre Prüflust zu zügeln – was aber energisch bestritten wird.
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