Türkische Initiative "Adademiker für den Frieden"

"Kritik soll im Keim erstickt werden"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält eine Rede, hinter ihm sind zwei türkische Flaggen zu sehen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan duldet keine Kritik von Intellektuellen an seiner Kurden-Politik © picture alliance / dpa / Turkish President Press Office
Sigrid Brinkmann im Gespräch mit Luise Sammann · 15.01.2016
Eine akademische Initiative fordert von der türkischen Regierung ein Ende der Gewalt gegen Kurden. 21 ihrer Mitglieder sollen inzwischen verhaftet worden sein. Die "geballte Kraft" des Protestes mache der Regierung Angst, berichtet die Journalistin Luise Sammann.
Eine Gruppe von Akademikern hat die Regierung in Ankara jetzt dazu aufgerufen, die Gewalt gegen Kurden im Südosten des Landes zu beenden. Sie fordern die Wiederaufnahme des im vergangenen Sommer abgebrochenen Friedensprozesses.
Die Initiative "Akademiker für den Frieden" wurde von Präsident Recep Tayyip Erdogan umgehend zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt. Am Freitag sollen 21 Mitglieder der Initiative festgenommen worden sein. Man wirft ihnen vor, die türkische Nation zu beleidigen. Sie werden auch der "Propaganda für eine Terrororganisation" beschuldigt.
Mehr als 1000 Professoren und Dozenten
Die in Istanbul arbeitende Journalistin Luise Sammann beschrieb im Deutschlandradio Kultur die Ziele und die Teilnehmer der Initiative. Die Akademiker kämen aus der ganzen Türkei, von privaten und staatlichen Universitäten:
"Es sind mehr als 1000 Professoren und Dozenten, die sich zusammengetan haben. Und diese Gruppe sagt eben, sie ginge davon aus, dass viele Türken eigentlich mit dem, was da im Moment im Südosten des Landes passiert, nicht einverstanden seien. Sie würden sich aber nicht trauen, sich zu Wort zu melden. Und sie wollten das eben tun mit ihrer Initiative."
Der türkische Staat attackiere das "Recht auf Leben" seiner Bürger, so laute die Anklage der Akademiker. Er greife auch ihr Recht auf Freiheit und Sicherheit an, zitierte Sammann die Sprecherin der Initiative.
Zum ersten Mal offene Kritik von Intellektuellen
Die heftige Reaktion Erdogans sei auch damit zu erklären, dass es bisher kaum Kritik von Kulturschaffenden und Intellektuellen in der Türkei gegeben habe, sagte Sammann. Wer sich nur ein bisschen auf die Seite der Kurden schlage, könne sehr schnell zum "Vaterlandsverräter" gemacht werden:
"Dies ist wirklich das erste Mal, dass hier so offen Kritik geübt wird. Und dann eben gleich mit mehr als 1000 Teilnehmern. Scheinbar ist es diese geballte Kraft, die der Regierung Angst macht, dass daraus so eine Art Domino-Effekt entstehen könnte. Und diese Kritik soll im Keim erstickt werden."
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