Dienstag, 16. April 2024

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Religion und Politik nach der US-Wahl
"Ich halte Trump für faschistoid"

Donald Trump hat im Wahlkampf gezielt gegen die Politische Korrektheit verstoßen und damit auch religiöse Minderheiten herabgesetzt. Alexander Görlach, Mitgründer des Debatten-Magazins "The European" und zurzeit an der Harvard University, fühlt sich an die Rhetorik der Nazizeit erinnert. "Ich glaube, dass die jüdische Gemeinschaft das hier spürt", sagte er dem Deutschlandfunk.

Alexander Görlach im Gespräch mit Gerald Beyrodt | 10.11.2016
    Portraitfoto eines Mannes in mittleren Jahren mit Brille und Bart
    Alexander Görlach, Mitbegründer des Debatten-Magazins The European und Gastdozent in Boston an der Harvard University (The European/Lars Mensel)
    Gerald Beyrodt: Herr Görlach, wie groß ist der Anteil der Religion an diesem Wahlergebnis?
    Alexander Görlach: Also ich glaube, dass man das nicht linear sagen kann, zum Beispiel die Mormonen haben sich schon recht früh klar von Donald Trump distanziert. Donald Trump selber hat in der frühen Phase des Wahlkampfs die Nähe zu evangelikalen Predigern gesucht, da gibt es dann auch so skurrile Videos, wie alle ihre Hände auf seine Schultern oder was auch immer legen, was gerade frei ist, und dann irgendwelche Gebete sprechen und wo jemand eine Bibel halten muss und so. Wissen Sie, ich glaube für die Leute, die jetzt Trump gewählt haben, wo er gepunktet hat, der weiße Bevölkerungsanteil, der ein stückweit abgehängt ist oder sich als arm versteht, da geht Christlichsein, Weißsein und Amerikanersein in eins, das ist genau so, wie dass man sich in Bayern vor fünfzig Jahren nicht vorstellen konnte, dass es irgendwo was anderes gibt außer Katholiken. Das ist sozusagen das religiöse Selbstverständnis dieser Region, über die wir ja sprechen, das ist einfach gegeben.
    "Das starke Amerika glorreicher Zeit"
    Beyrodt: Auf religiöse und andere Minderheiten Rücksicht nehmen zu müssen und sich politisch korrekt zu verhalten, das hat ja bislang zum guten Ton in den USA gehört. Wie groß ist die Lust, dagegen zu verstoßen? Beziehungsweise dieses Wahlergebnis drückt das auch aus, dass das sehr erfolgreich sein kann?
    Görlach: Wir sehen jetzt, wenn wir nach England oder die USA heute schauen - der Rest Europas macht jetzt auch keine gute Figur, aber das hat sich noch nicht politisch manifest gemacht - das Zurück zu einer Zeit, die man als glorreich erlebt hat, die Engländer, eben die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Commonwealth, hier eben das weiße Amerika, das starke Amerika, das sind die Dinge, die die Menschen interessieren, in einer Zeit, in der vieles unklar zu sein scheint. Also wir haben es mit Zorn, Wut, aber auch mit einer erschreckenden Weise an Bildungslosigkeit, das muss man auch leider dazu sagen, zu tun, also weite Teile dieses Landes leben in vormodernen Strukturen, wenn Sie nach dem Klimawandel fragen, dann sagen ihnen die Leute, dass Christus wiederkehrt und damit diese Probleme ja gelöst seien. Das werden Sie in weiten Teilen Europas nicht finden, also so eine bildungsfreie Landschaft und all das hat jetzt zu dem geführt, was man von London bis Washington jetzt beobachten kann, Brexit und jetzt dieses Desaster der Trump-Wahl.
    "Über Political Correctness zu reden, ist hier zu hoch"
    Beyrodt: Political Correctness heißt ja auch, dass man sich religiösen Minderheiten, aber auch anderen Minderheiten gegenüber benimmt, aber da scheint ja eine große Lust zu sein, sich eben nicht zu benehmen.
    Görlach: Naja, also das haben wir ja auch in ähnlicher Weise in der Diskussion über Political Correctness und da gibt es ja viel darüber zu sagen und dass jede Bewegung, auch diese Bewegung seltsame Stilblüten treibt, das mag ja alles sein. Aber gleichzeitig ist das, was es so im Kern beschreibt, nämlich, dass Wandel in einer Gesellschaft nur dann möglich ist, wenn man das Sprechen und damit das Denken über bestimmte Gruppen oder Sachverhalte ändert. Das ist eben die Basis und das ist wahr, also wenn ich jetzt sozusagen ein Weltbild habe, das Frauen zum Sexobjekt macht, die ich einfach immer anfassen kann, wenn ich Bock habe oder wie auch immer das Herr Trump so sieht, dann ist das eben kein Umkleide-Talk, das halt Jungs einfach mal so machen, sondern das ist etwas, was einfach so nicht funktioniert, wenn man sagt, man will auf gleicher Basis, mit gleichen Bezügen, miteinander leben.
    Das heißt, das, was heute als "politisch korrekt" in dem Zusammenhang bezeichnet wird, nämlich, dass man das einfach nicht mehr sagt, macht schon hochgradig Sinn. Vor allem in Gesellschaften - Sie haben es angedeutet -, die auch viele Minderheiten haben, also, wenn ich an einem Tag Behinderte verspotte, am nächsten Tag Frauen ans Geschlechtsteil fasse, am dritten Tag sage, alle Mexikaner sind Vergewaltiger, das ist halt over the top. Das ist jetzt nicht, dass man sagt, die Political Correctness ist vielleicht hier oder da ein wenig aus dem Ruder gelaufen, sondern das ist ja die volle Breitseite auf Minderheiten zur Selbstvergewisserung der eigenen, kleinen, mickrigen Identität. Das ist schon fast zu hoch gegriffen, jetzt über Political Correctness zu diskutieren.
    Beyrodt: Nach allem, was Trump über Muslime gesagt hat, stelle ich mir vor, dass die muslimische Community in den USA ziemlich besorgt ist. Kann man das so sagen?
    Görlach: Natürlich kann man das so sagen, aber die muslimische Gemeinde hier ist ja auch sehr klein. Es ist ja ein Sturm im Wasserglas, also, das Thema ist sehr diffizil und hat eine Rolle im Wahlkampf eingenommen: das kennen wir in Europa auch - drei Burkinis und Frankreich steht still. So dass diese irrationale, disproportionale Geschichte ... Sie haben vollkommen recht, die muslimische Gemeinschaft sieht sich ja wie in vielen Ländern des Westens Diskriminierungen und auch öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt, das wird natürlich durch einen Wahlsieg nicht eliminiert.
    "Immer wieder gegen Minderheiten feuern"
    Beyrodt: Wenn wir mal aufs Judentum zu sprechen kommen, das ist ja eine andere Gemengelage, Trumps Tochter ist zum Judentum übergetreten, Trump selber hat im Wahlkampf immer wieder durchblicken lassen, dass er die israelische Politik, die von Netanjahu, stärker unterstützen würde, als das zum Beispiel Obama getan hat. Trotzdem so richtig warm geworden ist er mit den meisten Juden in den USA eigentlich nicht. Woran liegt das?
    Görlach: Zum einen, weil natürlich, nehm ich stark an, seine Rhetorik an die Rhetorik Nazideutschlands erinnert und das ist auch richtig so, also es gibt Unterschiede, deutliche Unterschiede, aber in der Rhetorik und in dem Appeal, den so jemand wie Trump oder Hitler oder Goebbels macht gegen Minderheiten, immer wieder auf die feuern. Die Identität einer Mehrheit gegen bestimmte Minderheiten zu richten, ich glaube, dass die jüdische Gemeinschaft hier das spürt und merkt und nur weil es heute die Muslime sind und andere Gruppen, das Muster dahinter ist ja gleich und auch wenn die jüdische Gemeinde heute nicht unbedeutend ist in Amerika, gab es auch Zeiten, in denen es auch für die jüdische Gemeinde nicht schön war und ich glaube für Menschen, die überhaupt irgendwie religiös sind, kann eigentlich - es haben bestimmt viele Menschen Donald Trump gewählt-, aber in meiner Weltanschauung hat das eben nichts mit den humanistischen Linien zu tun, die Religionen heute ja gerne betonen.
    Beyrodt: Wenn wir mal einen Strich darunter machen: Wird Trump es schaffen, das Land und vor allem auch die düpierten religiösen Minderheiten wieder zu versöhnen, wie er es angekündigt hat? Wird er es überhaupt versuchen?
    Görlach: Ach, für mich ist das ein Mann mit einem nicht existierenden Charakterprofil. Wir können jetzt mal abwarten, was die nächsten Wochen passiert, wie er sich da zeigt und ob sich da was tut, ob wir alle überrascht sein werden. Ich sag es Ihnen ehrlich, ich würde es mir wünschen. Jetzt ist der Mann der US-Präsident und damit einer der mächtigsten Menschen auf der Welt, ich persönlich halte ihn für äußerst schwierig und faschistoid, da bin ich nicht allein mit, aber das ist jetzt natürlich alles Spekulation, von dem, was wir bisher erlebt haben, ist der Mann ein krasser Spalter und überhaupt kein Versöhner.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.