Trump und die Frauen

Auf die Wählerinnen kommt es an

22:53 Minuten
Eine Frau mit Cowboyhut schaut auf ihr Smartphone, im Hintergrund ist die amerikanische Flagge zu sehen.
Frauen sind im Repräsentantenhaus und dem Senat in den USA unterrepräsentiert, bei der Präsidentenwahl komme es aber auf ihre Stimmen an. © Getty Images/NurPhoto/Jason Whitman
Von Nicole Markwald · 22.10.2020
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Traditionell wählen bei der Präsidentschaftswahl mehr Frauen als Männer. Aber viele Wählerinnen scheinen sich von Trump abgewendet zu haben. Sie sind genervt von seinem Stil, empört über seine Rhetorik und ermüdet vom Chaos ums Weiße Haus.
Dorothy Burton ist fassungslos.
"Ich fasse es nicht, was mit der Republikanischen Partei passiert ist. Sie ist jetzt eine Partei für weiße Nationalisten. Sie ist eine Partei, die Menschen mobbt, sie nicht respektiert, nicht mal das Gesetz respektiert. Es macht mich traurig."
Burtons Video ist auf der Seite von "Republican Voters Against Trump" – hier haben sich Republikaner zusammengefunden, die sich gegen die Wiederwahl von Donald Trump engagieren. Seit Beginn der 80er-Jahre, also seit Ronald Reagan, hat sie immer für die Republikaner gestimmt, erzählt die schwarze Frau.

Und räumt ein, das sei wegen ihrer Hautfarbe eher ungewöhnlich. Aber, sagt Dorothy Burton, sie glaubt an Eigenverantwortung, an Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit. Ihr ganzes Leben lang hatte sie das Gefühl, dass die Republikanische Partei ihre Werte widerspiegelt. Aber jetzt sei die Partei nicht wiederzuerkennen.

Das Kreuz zum ersten Mal bei den Demokraten

Und weil sie seit Ronald Reagan jedem republikanischen Präsidentschaftskandidaten ihre Stimme gegeben hat, tat sie das auch vor vier Jahren für Donald Trump. Von ihm ist die Texanerin nun komplett enttäuscht:
"Er ist ein Rassist, ein Fanatiker, ein Tyrann und er interessiert sich nicht für alle Amerikaner. Ich glaube nicht einmal, dass er sich für Amerika interessiert. Er ist nur an sich selbst interessiert und an seine Familie. Letztlich geht es ihm um seinen Namen und seine Berühmtheit."
Und deshalb wird Dorothy Burton am 3. November zum ersten Mal in ihrem Leben für einen Demokraten stimmen, Joe Biden – trotz aller ideologischen Unterschiede, die sie zu ihm sehe. Aber Joe Biden sei ein anständiger, einfühlsamer Mann.


Einfühlsam klingt es nicht gerade, wenn Donald Trump um die Stimmen der Frauen wirbt, wie Mitte Oktober auf einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania. Die Frauen in den Vorstädten, sagte er da, sollten mich am allermeisten mögen. Schließlich habe ich ein Programm beendet, das ihre Nachbarschaften kaputtgemacht hat. Sie können jetzt den amerikanischen Traum leben.
Trump spielt an auf eine Regelung, die unter seinem Vorgänger Barack Obama erlassen wurde. Sie machte verstärkten Wohnungsbau für Geringverdiener in den Vorstädten möglich. Trump schaffte die Regelung ab und sagt nun: "Ich habe eure verdammte Nachbarschaft gerettet, ok?"

"Suburban women" sind am Ende wahlentscheidend

Damit verknüpft er die Aufforderung an die – wie er sie nennt– Frauen in den Vorstädten, die "suburban women", ihn zu wählen. Diese Gruppe, die Mittel- und der obere Rand der Mittelklasse, könnte am Ende wahlentscheidend sein.
Am 15. September titelte die Washington Post: "Wenn Trump verliert, bedankt euch bei den Frauen". Anlass war eine Umfrage der gemeinnützigen Organisation "All in Together". Lauren Leader hat "All in Together" 2014 gegründet, um Frauen in den USA stärker politisch zu bilden und zu mobilisieren. Sie sagt:
"In fast jeder Gruppe liegt Biden vorn. Am stärksten bei schwarzen Frauen – da sagen 80 Prozent, dass sie für ihn stimmen werden. Auch bei Frauen unter 30 liegt er weit vorn sowie bei älteren Frauen oder Rentnerinnen. Und auch bei Frauen, die in den Vororten leben."
Auch andere Umfragen zeigen, dass Joe Biden bei Wählerinnen mit Abstand vorn liegt. Bei den Männern liegen die beiden Kandidaten dichter beieinander. Nur bei einer Gruppe der befragten Frauen kommt der Präsident besser weg: weiße Frauen ohne Collegeabschluss. Das war auch schon 2016 so. Doch die allein reichen nicht. Deshalb nahm die Botschaft für Recht und Ordnung einen großen Teil des Wahlkampfes ein, um auch besser gebildete Frauen mit höherem Einkommen anzusprechen – eben die in den viel beschworenen Vororten.


Joe Biden, heißt es in diesem Wahlkampfspot des Präsidenten, wolle das Budget der Polizei kürzen. Zu sehen ist eine alte Frau, die vergeblich auf eine Antwort beim Notruf wartet, als eine dunkle Gestalt in ihr Haus einbricht:
Eine afroamerikanische Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "California for Biden" in ihren Händen.
Laut Umfragen liegt Biden auch bei Frauen unter 30 weit vorn.© imago images/ZUMA Wire/Ronen Tivony
"Joe Biden sagt, er will das Budget der Polizei um 15 Prozent kürzen – und er schlug auch vor, die Notrufnummer 911 von der Weiterleitung an die Polizei zu entkoppeln."
"Hinterlassen sie eine Nachricht und wir melden uns so schnell wie möglich zurück.", heißt es in dem Spot. Ein vergeblicher Versuch, Wählerinnen der Mittelklasse zu gewinnen, glaubt Lauren Leader:
"Er hat diese Frauen schon lange zuvor verloren. Im Prinzip gleich nach der Wahl. Das zeigte sich bei den Kongresswahlen 2018 schon. Die Demokraten haben ihren Erfolg den Frauen zu verdanken."

Rekord: 2018 wurden 39 Frauen neu gewählt

Leader meint die "blaue Welle". Die Demokraten nahmen den Republikanern bei den sogenannten "midterm elections" über 40 Sitze ab, übernahmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Blau ist die Farbe der Demokraten, rot die der Republikaner.
39 Frauen wurden neu in den Kongress gewählt. Seitdem gehört dem Repräsentantenhaus und dem Senat zusammen die Rekordzahl von insgesamt 131 Frauen an. Rekord, aber trotzdem weiter unterrepräsentiert: Frauen besetzen in beiden Kammern weiterhin weniger als ein Viertel der Sitze. Die Zugewinne gab es überwiegend bei den Demokraten. Weniger als zehn Prozent der republikanischen Abgeordneten sind Frauen, neun im Senat, 13 im Repräsentantenhaus.


Um bei den Wählerinnen zu punkten, nahmen Frauen beim Nominierungsparteitag der Republikaner einen Großteil der Bühne ein. Unter anderem die ehemalige Trump-Beraterin Kellyanne Conway zeichnete ein Bild des Präsidenten, der Frauen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik fördere. Er respektiert unsere Meinungen und besteht darauf, dass wir Männern gleichgestellt werden, sagte Conway.
Die Hand einer älteren Frau in einem rosafarbenen Pullower. Auf dem Schild ist die Aufschrift "Trump Pence Keep America Great 2020" zu sehen.
Im Wahlkampf wollte Trump vor allem auch besser gebildete Frauen mit höherem Einkommen ansprechen.© Getty Images/The Washington Post/Jabin Botsford
Linda Tadic winkt ab und erinnert an Donald Trumps Amtsantritt.
"Eine seiner ersten Entscheidungen war, Muslimen die Einreise zu verweigern. Was hat Obama an seinem ersten Tag im Weißen Haus gemacht? Er hat eine Verordnung zur Lohnangleichung für Frauen unterschrieben. Er hat Möglichkeiten erweitert, Trump hat Möglichkeiten verweigert."

Verachtung für Trump

Tadic lebt in Venice, Kalifornien, sie hat vor wenigen Jahren eine Technologiefirma gegründet, die digitale Konservierung von Filmen, Videos oder Fotos anbietet. Für Trump hat sie nur Verachtung übrig.
Er ist eine Kreatur. Er benimmt sich nicht wie ein Präsident oder wie ein Mann, sagt sie – höchstens wie ein Kleinkind. Nach vier Jahren Regierungszeit sorgt sich die Unternehmerin um die Demokratie ihres Landes:
"Unsere Demokratie steht auf dem Spiel. Oder wir haben sie schon verloren und es wird immens Arbeit machen, sie wieder zurückzubringen. Auf der anderen Seite: Wenn es nur diese eine Person brauchte, um sie zu gefährden, war sie vielleicht ohnehin nicht so stabil."
Dass diese Sorge von Linda Tadic nicht nur Frauen aller Communities in den USA haben, sondern auch Männer, zeigt eindrucksvoll der neue Song des amerikanischen Songwriters Sufjan Stevens: "Don’t do to me what you did to America". "Tu mir nicht an, was du Amerika angetan hast!" Denn die Sorge um die Demokratie schließt dann wieder alle Geschlechter mit ein.
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