Treuenbrietzen in Brandenburg

Sabinchen soll das Image aufpolieren

Die Sabinchen-Statue auf dem Marktplatz von Treuenbrietzen.
Die Sabinchen-Statue auf dem Marktplatz von Treuenbrietzen. © picture alliance / dpa / Sabrina Hentschel
Von Vanja Budde · 24.07.2017
Treuenbrietzen hat wegen zweier Kriegsverbrechen traurige Berühmtheit erlangt. Heute möchte die Brandenburgische Kleinstadt lieber für das "Sabinchen"-Lied bekannt sein.
Wolfgang Ucksche: "Ja, liebe Nordwalder, dann darf ich Sie oder Euch, darf ich wohl sagen, ganz herzlich begrüßen auch im Namen des Heimatvereins hier in Treuenbrietzen."
"Heimatverein Treuenbrietzen" prangt auch in großen weißen Lettern auf dem blauen T-Shirt, das Wolfgang Ucksche trägt. Er ist der Vereinsvorsitzende. Treuenbrietzen hieß bis ins 14. Jahrhundert nur Brietzen, erzählt Ucksche an der alten Stadtmauer, doch dann wurde umbenannt.
Ucksche: "Da oben steht in der Übersetzung dran: 'Dies ist die Stadt, die Brietzen, die Treue, genannt wurde, weil sie in Zeiten des Krieges ihren Fürsten getreu blieb.' Ich habe noch eine andere Variante, ich sage immer: Die Männer sind besonders treu. Das will mir einfach immer keiner glauben.
Ja, dann würd ich sagen, wir gehen mal in die Stadt. So, jetzt wollen wir versuchen, hier rüberzukommen. Übrigens, die Bundesstraße 2, die wir gleich überschreiten, ist der direkte Weg von Stettin nach Rom."

Stadt feiert das ermordete "Frauenzimmer"

Ucksche ist stolz auf seine Stadt, die an dieser Via Imperii lag, im Mittelalter ein bedeutender Handelsplatz war, wohlhabend auch Dank des Weinanbaus.
Ucksche: "Wir haben den Wein auch exportiert, bis nach Mecklenburg-Vorpommern, also muss er irgendwie trinkbar gewesen sein, sonst hätten sie ihn wieder zurückgeschickt."
Am "Sabinchen"-Brunnen vor dem Rathaus macht Ucksche halt. Das Denkmal des unglücklichen Dienstmädchens steht hier seit 1984. Ein einheimischer Künstler hat es der Stadt vermacht.
"Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar fromm und tugendhaft.
Sie diente treu und redlich immer bei ihrer Dienstherrschaft.
Da kam aus Treuenbrietzen ein junger Mann daher.
Der wollte gern Sabinchen besitzen und war ein Schuhmacher."
Am historischen Rathaus hängt ein großes Banner mit der Aufschrift: "Sabinchenfestspiele". Eine Woche lang feiert die Stadt im Juni immer das ermordete "Frauenzimmer". Wolfgang Ucksche führt die zu diesem Anlass angereisten Chor-Damen, "De Mönsterlänner Meersken", weiter.
Ucksche: "So, stehen wir also vor dem Gildenhaus. Das älteste Haus, was wir hier in Treuenbrietzen haben, etwa so um 1540 gebaut, es ist auch eines der ältesten in Brandenburg überhaupt."

Im Mittelalter eine blühende Stadt

Vor dem sanierten Fachwerkhaus sitzt Thorsten Bergmann in der Sonne. Er wurde vor 53 Jahren in Treuenbrietzen geboren, weg gezogen hat es ihn nie.
Thorsten Bergmann: "Bei uns ist ein Riesenzusammenhalt, gerade wenn wir zum Beispiel unser Fest feiern wollen. Ich fühle mich hier wohl. Das Städtchen ist schön. Ich bin hier zu Hause, habe hier meine Freunde. Wir haben hier eine wunderschöne Altstadt. Wir haben wunderschöne Kirchen, die man sich anschauen kann, und eigentlich kennt jeder unsere Moritat vom Sabinchen, und alleine das ist schon ein Grund, hier mal herzukommen."
Treff mit Michael Knape in der Marienkirche. Knape, seit 16 Jahren Bürgermeister, hat in Treuenbrietzen mal das bundesweit beste Ergebnis aller Zeiten für die FDP geholt: 32,4 Prozent. Mittlerweile ist er parteilos.
Die alte wirtschaftliche Blüte des Mittelalters hat die Stadt nach dem 30-jährigen Krieg nie wieder erreicht. Aber heute sei die Lage stabil, meint Knape.
Michael Knape: "Wirtschaftlich sind wir ganz gut aufgestellt für den Randbereich. Wir sind ja nicht mehr im klassischen Speckgürtel von Berlin. Mit der Kohl AG gut 400 Beschäftigte im produzierenden Bereich. Wir haben daneben das Johanniter-Krankenhaus im Fläming, mit über 700 Beschäftigten, 360 Betten, verschiedenste Fachrichtungen, gut renommiert in ganz Europa in der Zwischenzeit. Das sind so unsere Highlights. Und daneben gibt’s natürlich auch noch sehr viel traditionelles Handwerk, obwohl die es immer schwerer haben, Nachwuchs zu kriegen."

Jugend freut sich auf Party am Abend

Der Nachwuchs läuft sich im Stadtpark langsam warm für die Party am Abend, bei der der DJ garantiert nicht das "Sabinchen"-Lied spielen wird. Oder – vielleicht doch: Hela, 19, will zwar in Berlin Erzieherin werden, ist aber auch sehr heimatverbunden.
Hela: "Ich will auf jeden Fall wiederherkommen, weil, es war das Schönste, hier aufzuwachsen, weil einfach nicht viel los ist und man sich immer noch einen Kopp machen muss, das was los ist – und dann kommt so was hier raus. Ist immer schön. Es ist einfach auch sehr familiär. Es ist für jeden irgendwie was dabei. Man kann sich zurückziehen, man hat viel Grün und irgendwie ist das wie so eine Gemeinschaft, wie eine große Family hier."
7.500 Einwohner und fast 50 Vereine gibt es in Treuenbrietzen, erzählt Heimatverein-Chef Wolfgang Ucksche. Einer davon betreibt das alte Kino mit dem klangvollen Namen "Kammerspiele". Ucksche ist jetzt mit seiner Gruppe unterwegs auf dem Paukert-Ring. Der führt 2,4 Kilometer einmal um Treuenbrietzens historische Altstadt herum.
Carl August Paukert, geboren 1814, war Apotheker und Botaniker. Er ließ die ehemaligen Wallanlagen begrünen und schuf so einen Park, in dem das Wasser der Nieplitz bis heute Brandenburgs ältestes Freibad speist, 1862 gegründet. Nur für Männer.
Schön ist es in Treuenbrietzen, meinen "De Mönsterlänner Meersken", nicht nur zum "Sabinchen"-Fest. Darauf einen Obst-Schnaps.
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