Treffen der Rechtspopulisten in Prag

"Der rechte Rand muss sich neu sortieren"

Der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders, die Vorsitzende des französischen Front National (FN), Marine Le Pen und die AFD-Vorsitzende Frauke Petry während einer Tagung (21.01.17) in Koblenz der rechtspopulistischen ENF-Fraktion.
Archivbild: Geert Wilders und Marine Le Pen bei einer Tagung der rechtspopulistischen ENF-Fraktion. © dpa picture alliance / Thomas Frey
Alexander Häusler im Gespräch mit Ute Welty · 16.12.2017
Die Rechtspopulisten reiten auf der Erfolgswelle: Einige der im Europaparlament vertretenen Parteien treffen sich an diesem Wochenende in Prag. "Sie eint eine autoritäre, nationalistische, antipluralistische Gesellschaftsauffassung", sagt der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler.
In Prag treffen sich an diesem Wochenende verschiedene europäische Rechtspopulisten der ENF-Fraktion ("Europa der Nationen und der Freiheit") im Europaparlament. Erwartet werden unter anderen der Niederländer Geert Wilders und die Französin Marine Le Pen. Im Kern gehe es darum, die Rechtsaußen-Parteien im Europaparlament neu zu sortieren, erklärt der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler.

Neusortierung für die Europawahlen 2019

Aktuell seien die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien auf unterschiedliche Fraktionen verteilt. Durch den Wegfall der Briten und deren rechtspopulistischer UKIP verändere sich bei den nächsten Wahlen zum Europaparlament 2019 das Gefüge. "Der rechte Rand muss sich neu sortieren", so Häusler.
In deren Zusammenarbeit stecke durchaus auch ein Widerspruch, weil die Parteien eben nationalistisch seien. Es handele sich um ein reines Zweckbündnis: "Denn die Parteien eint nicht nur ein Nationalismus, der sie vielleicht auch voneinander trennt in bestimmten Situationen, sondern die Parteien eint auch eine autoritäre, nationalistische, antipluralistische Gesellschaftsauffassung." Ebenso wie der Widerstand gegen den Zuzug von Flüchtlingen.

Anschluss an die ENF-Fraktion gesucht

Die ENF-Fraktion versuche jetzt Anschluss zu finden an die sogenannte Visegrad-Gruppe, also Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn, die massiv Front machen gegen die solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Ungarn – und damit derzeit ja auch Erfolg hätten, so Häusler.
Gastgeber in Prag ist der tschechische Rechtspolitiker Tomio Okamura. Seine SPD-Partei war er bei der Parlamentswahl im Oktober auf 10,6 Prozent der Stimmen gekommen und damit viertstärkste Kraft geworden.

Die AfD ist nicht dabei

Anders als bei der ENF-Tagung in Koblenz im Januar ist diesmal kein Mitglied der deutschen AfD dabei. Denn ENF-Mitglied Marcus Pretzell war nach der Bundestagswahl aus der AfD ausgetreten.
(uz)

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: "Europa der Nationen und der Freiheit", so haben die rechten Parteien ihre gemeinsame Fraktion im Europaparlament genannt. Heute und morgen trifft man sich in Prag, allerdings sind FPÖ und AfD nicht dabei. Die Österreicher sind ja mit Regierungsbildung beschäftigt, die Deutschen, vertreten durch Jörg Meuthen, sind lieber einer anderen Fraktion beigetreten, die sich "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" nennt. Alexander Häusler ist Sozialwissenschaftler und forscht zum Rechtsextremismus an der Hochschule in Düsseldorf. Guten Morgen, Herr Häusler!
Alexander Häusler: Guten Morgen!
Welty: Die FPÖ ist nicht dabei, weil eben ab sehr bald an der österreichischen Regierung beteiligt. Inwieweit ist das womöglich ein Signal oder auch ein Fanal für zukünftige europäische Regierungen?
Häusler: Nun, so weit würde ich nicht gehen mit der Einschätzung. Man muss sich klarmachen, die FPÖ als extrem rechte Partei, steht jetzt quasi vor dem Zenit ihrer neuen Macht, in der Möglichkeit, in eine Regierungskoalition einzutreten, und da will man jetzt nicht wahrscheinlich unnötig noch Zeitungsmeldungen bekommen, dass man sich mit anderen rechtsextremen Gruppen trifft. Es kann auch wirklich schlicht der Zeitdruck sein, der sie daran hindert, an diesem Treffen teilzunehmen. Man muss sich klarmachen, dieses Treffen dient eigentlich der Sortierung für die ganz unterschiedlichen Rechtsaußenparteien im Europaparlament, um eben eine neue Gruppe zu gründen im Europaparlament, wenn jetzt Wahlen anstehen im Jahr 2019. Das ist eigentlich der eigentliche Grund für dieses Treffen, denn man muss sich klarmachen, dass aktuell die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien verteilt sind in unterschiedliche Fraktionen im Europaparlament.
Also ein Beispiel: Die Fidesz von Ungarns Präsidenten Orbán ist ja aktuell noch in der größten Fraktion bei den europäischen Konservativen, wo auch die CDU unter anderem Mitglied ist. Andere sind wieder in der ENF-Fraktion. Das heißt, diese ganzen Gruppen sind geteilt untereinander, und das sortiert sich jetzt alles neu bei der nächsten Wahl, und zwar besonders deswegen auch, weil die Briten nicht mehr dabei sein werden bei der nächsten Wahl, sprich also, einer der großen Parteien, die die ESPD-Fraktionen mitgründet, die Ukip, die wird das nächste Mal gar nicht dabei sein, das heißt, der rechte Rand muss sich neu sortieren, und dazu dient dieses Treffen zur Sondierung.
Welty: Aber warum ist das denn so, Herr Häusler, warum haben sie sich nicht auf eine einzige Fraktion einigen können? Die Ideen müssten ja eigentlich für eine gemeinsame Basis sorgen oder nicht?
Häusler: Nun, diese Ideen sind eben nicht alle gleich, weil diese ganzen Parteien nämlich in erster Linie nationalistisch sind. Und das ist ja ein Widerspruch in sich, dass diese nationalistischen Parteien nun jetzt sich international zusammenschließen wollen, deswegen gibt es auch immer wieder Konflikte. Auf der anderen Seite haben diese Parteien ein instrumentelles Verhältnis zur Europäischen Union. Das heißt, sie machen Propaganda gegen die EU, und gleichzeitig nutzen sie die Gelder der EU, um eben ihre nationalistische Politik zu betreiben, unter anderem auch jetzt mit diesem Treffen.
Eine Besonderheit für dieses Treffen jetzt in Prag ist, dass es eben die Rechtsaußenfraktion, die ENF-Fraktion jetzt versucht, auch einen Anschluss zu finden an die sogenannte Visegrád-Gruppe, also die Gruppe der Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die ja jetzt aktuell in Brüssel massiv Front machen gegen eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge. Und bislang ist es den Rechtsaußenparteien, den anderen, vor allen Dingen den westeuropäischen, nicht gelungen, führende Vertreter dieser Visegrád-Gruppe in ihre eigenen Fraktionen mit hineinzuziehen. Die ENF hat bislang keine großartige Beziehung zur Visegrád-Gruppe, und deswegen ist ja nicht von ungefähr dieses Treffen eben auch organisiert von dieser tschechischen Rechtsaußenpartei unter Okamura, weil dort eben dieser Anschluss gesucht wird.
Welty: Welche Rolle spielen denn die Gastgeber, diese tschechische SPD und ihr Vorsitzender Tomio Okamura?
Häusler: Nun, in Wirklichkeit keine große Rolle. Okamura war schon bei einem Treffen zum sogenannten Patriotischen Frühling damals in Koblenz im Frühjahr hier gewesen mit anderen Rechtsaußenpolitikern, seine Partei selber existiert noch gar nicht lange. Er ist über die Partei jetzt verbunden auch mit der ENF-Fraktion und versucht eben, ein Ansprechpartner zu sein. Seine Partei selber hat um die 10 Prozent bei den letzten Wahlen geholt, also ist jetzt nicht zentral, aber es ist die einzige Partei, die als Ansprechpartner dienen kann, um auch quasi einen Bezug zur sogenannten Visegrád-Gruppe aufzubauen.
Welty: Wenn man auf europäischer Ebene zusammenarbeiten will, welche Rolle spielt dann, dass das eigene Land, die eigene Nation im Grunde genommen – Sie haben das ja eben sehr eindringlich beschrieben – immer Vorrang hat, und wie gut kann eine solche Zusammenarbeit denn überhaupt funktionieren?
Häusler: Man muss sich das vorstellen als ein rein instrumentelles Verhältnis.
Welty: Ein Zweckbündnis?
Häusler: Ein reines Zweckbündnis, was darüber hinaus auch versucht, bestimmte politische Akzente zu setzen, denn diese Partei, eigentlich nur ein Nationalismus, der sie vielleicht auch voneinander trennt in bestimmten Situationen, sondern diese Parteien eint auch eine bestimmte Vorstellung von autoritärer, nationalistischer, antipluralistischer Gesellschaftsauffassung. Alle diese Parteien haben gemein, dass sie nicht nur nationalistisch sind, sondern dass sie zugleich auch gegen die EU sind, dass sie zugleich auch gegen unsere europäischen Einwanderungsgesellschaften sind, dass sie gegen auch den Zuzug von Flüchtlingen sind und auch massiv gegen den Islam sind.
Das teilen sie alle propagandistisch, und deswegen nutzen sie die Möglichkeiten der Europawahlen, um ihre Macht auch zu verbreitern und über diese Vernetzung ihre Propaganda auch über ihre eigenen Grenzen hinaus zu verbreiten. Das ist also ein reines Zweckbündnis, was durchaus aber auch Folgen für die europäische Politik haben kann. Wenn man jetzt gerade aktuell sieht die Unfähigkeit der EU, sich in der Flüchtlingsverteilung solidarisch zu einigen, dann hat das einen wesentlichen Grund auch darin, dass solche Staaten eben dort blockieren.
Welty: Schulterschluss der rechten Parteien in Prag, allerdings ohne FPÖ und AfD. Dazu Einschätzungen von Sozialwissenschaftler Alexander Häusler, Rechtsextremismusforscher an der Hochschule in Düsseldorf. Haben Sie Dank für dieses "Studio 9"-Gespräch, Herr Häusler!
Häusler: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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