Touristik

Warum Reisebüros wieder im Kommen sind

Kunden lassen sich in einem Reisebüro in Berlin-Tegel beraten.
Kunden lassen sich in einem Reisebüro in Berlin-Tegel beraten. © afp / Lukas Kreibig
Von Philipp Eins · 06.07.2016
Das große Geschäft machen Reiseveranstalter inzwischen übers Internet. Das kleine Reisebüro um die Ecke ist aber noch längst nicht ausgestorben. Im Gegenteil - es erlebt ein Comeback.
Sieben Tage Sardinien, inklusive Flug ab Berlin-Schönefeld, 354 Euro. Ein echtes Schnäppchen. Und das Hotel? Hat vier Sterne.
Doch taugt es wirklich etwas? Bewertungen gibt es kaum.
Vielleicht doch besser nach Mallorca! Auf dem nächsten Portal finde ich ein Hotel mit Spitzenwerten. Vier Tage kosten ab 454 Euro, Pool und fünf Sterne inklusive.

Durchblick im Schnäppchen-Dschungel

Doch welches Angebot nehme ich nun? Die Auswahl an Schnäppchen im Internet ist einfach riesig. Viele Urlauber fühlen sich davon offenbar überfordert – und suchen wieder die klassische Beratung im Reisebüro um die Ecke, wie der Sprecher des Deutschen Reiseverbands, Torsten Schäfer, betont:
"Wir stellen fest, dass die Menschen eine Orientierung suchen. Sie haben gesehen, dass man im Internet ganz problemlos natürlich Reisen buchen kann. Aber viele sind auch von der Fülle, von dem Dschungel der Angebote erdrückt. Und von daher sehen wir eine Renaissance der Reisebüros gerade seit ein, zwei Jahren."
Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der stationären Reisebüros zum zweiten Mal in Folge, auf 9880. Das sind zwar ein knappes Drittel weniger Büros als im Jahr 2000, vor Beginn der digitalen Revolution. Aber immerhin 150 mehr als noch vor zwei Jahren. Eine Bahnfahrkarte nach Eckernförde oder ein Hotelzimmer werden zwar weiterhin online gebucht. Bei aufwendigen Rundreisen oder Pauschalreisen aber setzen viele Urlauber aufs Reisebüro – egal, wie alt sie sind.
Torsten Schäfer: "Vertrauen, Service und vor allem auch Beratung. Ist dieser Strand wirklich für mein zweijähriges Kind geeignet? Ist das Hotel vielleicht eher für Jugendliche gedacht, wo es also wirklich eine Diskothek gibt, oder wenn ich Ruhesuchender bin, bin da wirklich dann richtig oder falsch?"

Lifestyle ersetzt verstaubte Kataloge

Online recherchieren, vor Ort buchen – jede zweite Reise kommt so zustande, hat eine kürzlich von Google und Tui veröffentlichte Studie ergeben. Im "Flagshipstore" des Reisekonzerns, der World of Tui in Berlin-Mitte, hat man sich auf diese Kunden eingestellt. Verstaubte Kataloge, die sich auf Schreibtischen stapeln, gibt es hier nicht. Stattdessen Loungesessel in hellgrau und zartpink, eine Bar und einen Videoscreen, der sich über die ganze Breite des Raums zieht.
Lifestyle, Beratung und digitale Angebote sollen in ihrem Reisebüro zusammenkommen, sagt Geschäftsführerin Beate Arnold:
"Wir haben viele digitale Informationen, wir haben interaktive Weltkarten, virtuelle Reality-Brillen, mit denen man sich seinen Urlaubsort schon vorstellen kann. Das fordern die Kunden, also die wollen vorab natürlich sehr gut informiert sein, freuen sich aber doch, wenn sie den Rat des Experten haben und vielleicht den einen oder anderen Tipp, wie man auch ein paar Euro sparen kann, in Bezug auf Reisezeiten oder Fluggesellschaftsauswahl und so weiter. Ich glaube, das beides ist es."
Der Preis für eine identische Pauschalreise ist überall der gleiche – ob online oder offline. Das schreibt das deutsche Handelsgesetzbuch vor. Dafür kann ich mir im Reisebüro per 3-D-Brille schon mal anschauen, wie es auf dem Kreuzfahrtschiff aussieht, auf dem ich meine Sommerferien verbringen könnte. Demnächst will die Tui immer mehr Geschäfte zu Tui Stores nach Berliner Vorbild umbauen, vor allem in Großstädten.

Spezialisierung und Nischen als Erfolgskonzept

Atmo Reisebüro Beratung – "How can I help you today?" – "Actually I want to travel to Nigeria." – "So where in Nigeria? Lagos?" – "Lagos." – "And when do you want to travel?" – Computertippen.
Der Reisekaufmann Sunday Francis Ukpaa hingegen setzt auf ein anderes Konzept. Der gebürtige Nigerianer hat sich auf ein Reiseziel spezialisiert: Afrika. In seinem Büro Gate to Africa in Berlin-Wedding ist lediglich Platz für einen Schreibtisch und eine Sofaecke. Gerade für kleine Büros lohnt es sich, Expertise in einem Segment aufzubauen – seien es Kururlaube, Reisen für Lesben und Schwule oder ein bestimmtes Reiseziel.
Sunday Francis Ukpa: "Das ist nicht mehr so, wie es mal war, dass man sagt: Hauptsache, ich biete Reise. Sondern da muss man wirklich sich auf ein Gebiet oder ein Ziel konzentrieren und sich spezialisieren. Weil Reise kann man inzwischen auch alleine von zu Hause buchen."
Wann ist die richtige Reisezeit für eine Safari? Kann ich Kleinkinder auf den Trip mitnehmen? Viele seiner deutschen Kunden kommen mit solchen Fragen zu ihm, setzen auf seine Ortskenntnis, sagt Ukpaa. Doch auch das "ethnische Reisen" ist für ihn ein wichtiger Geschäftszweig geworden. Fluglinien gewähren Migranten, die ihre Familie in den Herkunftsländern besuchen wollen, Sonderkonditionen. Türkische Reisebüros gibt es in vielen Großstädten, aber auch Spezialisten für den arabischen Raum oder eben Afrika. Bis zu 50 Euro pro Flug kann man bei Upkaa sparen. In der afrikanischen Community ist er mittlerweile bekannt – nicht nur in Berlin.
Ob der moderne Allrounder oder der kleine Spezialist: Die Zukunft der stationären Reisebüros ist längst nicht so düster, wie man bisher annahm
Mehr zum Thema