Tourismus

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In der Berliner Wilhelmstraße 89 teilen sich die Anwohner mit Dutzenden Ferienwohnungen von "Apartments am Brandenburger Tor" das Haus.
In der Berliner Wilhelmstraße 89 teilen sich die Anwohner mit Dutzenden Ferienwohnungen von "Apartments am Brandenburger Tor" das Haus. © Deutschlandradio - Simone Rosa Miller
Von Simone Miller  · 27.05.2014
In Berlin explodieren die Mietpreise, gleichzeitig suchen Touristen nach Unterkünften mit Kiezcharakter. Das "Zweckentfremdungsverbot" verbietet die kurzfristige Vermietung von Wohnraum, sorgt aber für neuen Ärger.
In seinem sparsam eingerichteten Bürohäusschen findet Hans Dentler gerade so Platz hinter seinem Computer - den Blick gerichtet auf den frühlingsgrünen Garten eines ruhigen Wohngebiets am Berliner Stadtrand. Er ist der Geschäftsführer der Zimmervermittlung "Ferienwohnungen in Berlin", angefangen hat er vor 18 Jahren mit einer Ferienwohnung. Heute vermittelt er über 200.
"Also der normale Besucher auf dieser Seite findet nur Ferienwohnungen, von denen abgeraten wird und Hotels und das ist auch vermutlich von bestimmten Interessen gesteuert und kein Zufall."
Dentler hat auf seinem Bildschirm die Internetseite "berlin.de" des Berliner Senats geöffnet. Schüttelt den Kopf, ärgert sich. Gemeinsam mit anderen Wohnungseigentümern und Zimmervermittlern wird er klagen gegen das sogenannte Zweckentfremdungsverbot. Ein Gesetz, das im Mai dieses Jahres in Berlin eingeführt wurde und die Nutzung von Wohnraum zur kurzfristigen Vermietung als Ferienwohnung verbietet. Bis 2016 gilt eine Übergangsfrist, dann soll entgültig entschieden werden, ob ein Apartment Ferienwohnung bleiben darf oder in normalen Wohnraum zurückverwandelt werden muss. Für den Zimmeragenten, der äußerlich ruhig und gelassen wirkt, hätte das ernsthafte Konsequenzen:
"Dann würde ein großer Teil unserer Vermieter wegfallen und das würde dann für uns eine erhebliche Umsatzeinbuße sein. Dann wird's für mich kritisch."
Wer trägt die Verantwortung für das Dilemma?
Dass in Berlin Wohnungsknappheit herrscht und die Mietpreise in ungekannte Höhen steigen, das weiß auch Dentler. Dass die derzeitige Diskussion aber den Eindruck erweckt, als seien daran fast nur die Ferienwohnungen schuld, findet er unverhältnismäßig.
"Der Anteil der Ferienwohnungen macht ungefähr ein pro Mille des Berliner Wohnungsmarkts aus - das sagt eigentlich schon alles... und die Gründe, warum die Mieten steigen, liegt einfach an der Nachfrage, weil wir eine große Zuwanderung nach Berlin haben und daran, dass der Senat in der Vergangenheit fleißig Wohnungen verkauft hat."
Der Senat, weiß Dentler, besitzt auch Ferienwohnungen. Die wurden aber nicht verkauft.
"Die Firma Berlinovo ehemals Arwo-Bau betreibt über 4000 Ferienwohnungen, die sind überwiegend senatseigen und diese Wohungen sind von dem Verbot ausgenommen und das ist natürlich für jeden Gewerbetreibenden und auch für jeden normaldenkenden Menschen schwer nachzuvollziehen, wieso die privaten Ferienwohnungen verboten werden aber die Ferienwohnungen, hinter denen der Senat steckt, weiterhin legal bleiben sollen."
Der Senat verweist an Ulrich Kaliner, Pressesprecher von Berlinovo. Er bestätigt, dass die Immobiliengesellschaft, deren Eigentümer das Land Berlin ist, tatsächlich rund 7000 möblierte Appartements besitzt. Diese seien aber gar keine Ferienwohnungen. "Bei der Anmietung würden grundsätzlich unbefristete Mietverträge mit den Kunden geschlossen", sagt er.
Ein Ort, an dem das Zweckentfremdungsverbot in Zukunft greifen könnte, ist die Wilhelmstraße 89. Keine 800 Meter vom Brandenburger Tor entfernt ragt die große Wohnanlage aus DDR-Zeiten in den Berliner Himmel. Knapp 950 Wohnungen stehen hier insgesamt zur Vermietung, über 200 davon werden als Ferienapartments angeboten. Daniel Dagan ist einer der verbliebenen Dauermieter. Auf dem Hof vor dem großen Plattenbau unterhält er sich mit einer jungen Frau - auch sie teilt ihre Etage mit Feriengästen:
"Ich habe heute ein paar Insekten gefunden in der Küche, ich vermute mal, das sind Kakerlaken, ich weiß nicht woher sie kommen, seit über zehn Jahren miete ich diese Wohnung, ich habe nie so etwas gesehen...ist ekelhaft einfach...ich weiß nicht: Kommt es durch diese Gäste?"
Vertreibung der Dauermieter
Auch in Daniel Dagan brodelt es, das spürt man. Mit erhobener Hand deutet er auf die graue Fassade des Plattenbaus. Die Ferienwohnungen, so vermutet er, würden in der Wilhelmstraße nicht allein dem Tourismus dienen. In Wahrheit sollen sie helfen, die Dauermieter zu vertreiben - davon ist der Gründer der Bürgerinitiatve Wilhelmstraße fest überzeugt. Platz wäre auf dem vier Fußballfelder großen Areal dann zum Beispiel für schicke Hotels, Einkaufspassagen, Luxuswohnungen - also ein noch lukrativeres Geschäft. Dass der Eigentümer derzeit quasi ein Hotel betreibt, habe er vor Gericht bestritten - "und ist damit auch noch durchgekommen", schimpft Dagan.
"Gehen Sie zu der Zentrale des illegalen Hotels und mieten Sie eine Wohnung für eine Nacht, dann haben Sie den Beweis."
"Ein Skandal!"
Die Hotellounge ist nur einen Block entfernt - ein Zimmer mieten kann man an diesem Tag nicht. Die Apartments sind alle ausgebucht, sagt eine junge blonde Frau am Empfang. Im vierten Stock aber hat eine Geschäftsreisende nichts dagegen, ihr Apartment zu zeigen.
"Kommen Sie rein, das ist die Küche."
Drinnen: keine Spur von Kakerlaken. Dafür blitzblanke Eichendielen, Fenster ringsum, schlichte Möbel, dezentes Design. Und das alles einen Steinwurf vom Brandenburger Tor. Zwei Zimmer, Küche, Bad - 50 Quadratmeter für 125 Euro die Nacht. Im Flur davor: ein Wagen mit Reinigungsutensilien und Bettlaken darauf. Auf dem Klingelschild neben dem Ferienapartment steht kein Name - die Wohnung steht offenbar leer. Kein Einzelfall, meint Daniel Dagan:
"Natürlich sind viele ausgezogen - die Wohnverhältnisse, die Lebensverhältnisse hier sind ja nicht normal. Was hier Politik und Verwaltung zulassen, nicht nur dulden sogar unterstützen, ist ein Skandal!"
Auch hierzu möchte der Senat momentan keine Stellung beziehen. Er befinde sich derzeit mit dem Eigentümer in der Wilhelmstraße in einem Rechtsstreit.
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