Tom Slee: "Deins ist Meins"

Geldwertes Teilen

Eine Hand übergibt einer anderen einen Schlüssel.
Business im Gewand einer sozialen Bewegung: Über die Plattform Airbnb werden private Zimmer und Wohnungen vermittelt. © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Felicitas Boeselager · 12.03.2016
Airbnb, Uber und Co.: Konzerne der "Sharing Economy" geben sich als Teil einer nachhaltigen, sozialen Bewegung. Eine Farce, meint Autor Tom Slee und zeigt, wie sie Standards aushöhlen, Preise drücken und die Gentrifizierung vorantreiben.
Airbnb-Werbung: "Entdecke die Welt. Ist sie nicht einfach beeindruckend, so viele Orte, an denen wir uns wie zu Hause fühlen können. Orte zum Abschalten, wunderschöne Schlösser über den Wolken, Bungalows mit Meeresblick…"
Airbnb-User: "Der Bungalow im Grünen war eine hässliche Gartenlaube, die nach Katzenpisse gestunken hat und ziemlich versifft war."
Gebrochene Versprechen. Für den Autor Tom Slee ist das die Essenz der jungen Geschichte der sogenannten Sharing Economy. Der Titel "Deins ist Meins: Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy" ist Programm:

Nachhaltigkeit ist ein Spielplatz von Milliardären geworden

"Der Hauptantrieb, dieses Buch zu schreiben, war das Gefühl betrogen worden zu sein: Was als Aufruf zu Gemeinschaft begonnen hatte, zu direkten persönlichen Beziehungen, Nachhaltigkeit und Teilen ist zum Spielplatz von Milliardären, der Wall Street und Wagniskapitalgebern geworden, die ihre marktwirtschaftlichen Vorstellungen auf immer mehr Bereiche unseres Lebens ausdehnen."
Cover - Tom Slee "Deins ist Meins"
Cover - Tom Slee "Deins ist Meins"© Verlag Antje Kunstmann
Mit dem Anspruch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, schossen in den letzten Jahren unzählige Technologie-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Sie verkauften sich aber nicht nur als Unternehmen, sondern viel mehr als Bewegung, die zu einer besseren Gesellschaft beitragen wollte. Angetreten, um den ganz Großen, den Kapitalisten auf dem Markt den Kampf anzusagen. Gleiche sollten mit Gleichen tauschen. Nachhaltig, gerecht und ökologisch handeln. In "Deins ist Meins" wirft er einen Blick hinter diese Ideologie:
"Die Sharing Economy ist durchaus eine Bewegung: eine Bewegung für Deregulierung. Große Finanzinstitute und einflussreiche Wagniskapitalfonds ergreifen die Gelegenheit, die Regeln zu attackieren, die demokratisch gewählte Stadtverwaltungen überall auf der Welt aufgestellt haben, um die Städte nach ihren eigenen Interessen umzugestalten."

Airbnb und Co. treibt die Gentrifizierung voran

Slee analysiert überzeugend die Geschichten vieler Firmen der Sharing Economy, allen voran die seiner Protagonisten: der Fahrdienst Uber und die Plattform für Schlafplätze Airbnb. Die vor allem ist in Deutschland sehr beliebt:
Airbnb-User: "Bei uns ist grade im Sommer die Wohnung echt gefragt, und mir hilft das auch, mein Leben zu bestreiten, weil ich mir sonst die Miete wahrscheinlich nicht so leisten könnte, wie ich mir jetzt mein Leben leisten kann."
Ein einfacher Zuverdienst ohne viel Aufwand. Und dabei neue, nette Menschen aus aller Welt treffen. Diese Versprechen von Airbnb entlarvt Slee, indem er Zahlen präsentiert, die eine deutliche Sprachen sprechen: Das meiste Geld verdient Airbnb mit Personen, die nicht nur ein Zimmer in ihrer Wohnung, sondern gleich mehrere Wohnungen vermieten. Wohnungen, in denen sie selber nicht leben. Sie begegnen ihren Kunden nie, höchstens bei der Schlüsselabgabe.
Airbnb-User: "Also ich war mal in London in so einem Airbnb, und das war ein ganz normales Wohnhaus, mit vier Stockwerken, aber da waren nur Airbnb-Wohnungen drin, ich glaub acht verschiedene Airbnb-Wohnungen. In einem absolut angesagten Viertel mitten in London. Und das war schon komisch, weil das dann eher wie ein Hotel war."
Ganze Häuser, in denen kein Londoner mehr leben kann. Dieser Trend höhlt, laut Slee, Gemeinschaften aus. Wohnviertel oder ganze Städte verlieren das Gleichgewicht zwischen Tourismus und Einheimischen. Die Gentrifizierung wird vorangetrieben. Und die Sicherheitsvorgaben, an die sich jeder Vermieter einer offiziellen Pension oder Ferienwohnung halten muss, werden umgangen. Überhaupt, auch das machen Slees Zahlen deutlich, leiden unter Airbnb nicht die großen Hotelketten, sondern die kleinen Pensions- und Ferienhausbesitzer. Auch Uber schadet vor allem denjenigen, die sowieso nicht viel verdienen:
Taxi-Fahrer: "Der Gründer von Uber hat uns mal Arschlöcher genannt, das ganze Gewerbe: Taxi namens Arschloch, oder Arschloch namens Taxi, da fängt das schon mal an und die ganze Preisgestaltung richtet sich nach Angebot nach Nachfrage."
Zu Stoßzeiten werden die Fahrten teurer – und wenn ohnehin nichts los ist, verdienen die Fahrer plötzlich noch weniger je Auftrag. Uber kennt keine festen Tarife, auf die sich Fahrer und Kunden verlassen könnten. Und immer wieder lockt es mit kostenlosen Fahrten und setzt damit die Taxifahrer unter Druck. Slee beschreibt, wie in New York und Paris ein regelrechter Kampf zwischen dem Taxigewerbe und Uber ausgebrochen ist. Dabei macht er sehr deutlich, wer der einzige Gewinner dieses Krieges ist: der Konzern Uber.
"Uber behauptet, es sei kein Taxiunternehmen, es betreibe nur eine Website und eine App und bringe Fahrer und Gäste zusammen. Wenn es Probleme gibt, ist nicht Uber verantwortlich, sondern der Fahrer."

Wettlauf um die niedrigsten Standards

Deshalb versichert Uber seine Fahrer nicht, sie haben keine festen Arbeitszeiten, bekommen kein Krankengeld und Uber kann sie ohne Begründung von der Plattform werfen. Abzüglich all ihrer Kosten verdienen sie häufig weniger als Taxifahrer. Die Probleme, die Slee bei Airbnb und Uber erkannt hat, sieht er auch bei anderen Firmen der Sharing Economy. Zum Beispiel bei Dienstleistungsfirmen wie Taskrabbit, oder Homejoy:
"Unternehmer der Sharing Economy sprechen gern von dem 'kleinen Zuverdienst', der das Leben ein bisschen erschwinglicher macht, aber Beispiele zeigen, dass dieses Geschäftsmodell ein Wettlauf um die niedrigsten Standards für die Dienstleister ist."
Dieser Wettlauf unterwirft immer mehr Lebensbereiche einer deregulierten Marktlogik: menschliche Begegnungen auf einer Reise, das Trampen, nachbarschaftliches Teilen und Helfen. Was vorher nur sozialen oder ideellen Wert hatte, wird von der Sharing Economy kommerzialisiert. Die großen Gewinner sind dabei die Eigentümer der Plattformen und deren Wagniskapitalgeber. Airbnb hatte 2015 einen geschätzten Marktwert von 24 Milliarden Dollar und ist damit in der Liga der großen Hotelketten wie der Hilton Group angekommen.
Slee: "Die Sharing Economy beruft sich auf Ideale, um gewaltige Privatvermögen anzuhäufen, um echte Gemeinschaftlichkeit auszuhöhlen, um den Konsum noch mehr anzuregen und eine Zukunft zu schaffen, die prekärer und ungleicher ist als alles, was wir bisher hatten."
Auch wenn diese Aussichten von Slee etwas zu düster klingen, ist sein Buch überzeugend. Es veranlasst zu einem skeptischeren Blick: Vielleicht ist Sharing nicht immer Caring.

Tom Slee: Deins ist Meins. Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy
Verlag Antje Kunstmann, München 2016
272 Seiten, 22,95 Euro

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