Timmerbergs Afrika-Lied

27.04.2012
"African Queen" heißt das Boot, das Humphrey Bogart und Katherine Hepburn im gleichnamigen Film durch die Stromschnellen eines ostafrikanischen Flusses manövrierten. "African Queen" heißt auch Helge Timmerbergs neues Buch und es dreht sich um seine Freundin Lisa. Ein Reiseabenteuer im besten Stil: temporeich, witzig, peinlich und nachdenklich.
Der Plot ist schnell erzählt: Timmerberg muss nach Afrika, dorthin, wo er noch nie war und nie hin wollte. Er fühlt sich überreist. Er ist müde. Aber seine Freundin Lisa hat einen dreimonatigen Job als Managerin einer Lodge am Malawisee angenommen. Timmerberg konkurriert nun mit Afrika um die Gunst seiner jungen Freundin.

So sitzt er am Malawisee, schlürft Drinks am Lagerfeuer, spielt Gitarre, fürchtet sich vor Krokodilen und Kakerlaken, denkt zuviel über die Liebe und seine Beziehung nach und freut sich über jede Chance zur Flucht. Er fährt mit dem Lodge-Besitzer einkaufen in die nächste Großstadt (eine Tagesreise) und erlebt dabei die Absurditäten afrikanischer Tourismusbehörden, die der Lodge keine fünf Sterne geben wollen, weil es in den Strandunterkünften keine Flachbildfernseher gibt oder die Gäste am Strand statt im Speisesaal dinieren. Und er nutzt das Angebot einer deutschen Zeitung, nach Burkina Faso zu fliegen, um sich dort anzusehen, was aus Christoph Schlingensiefs Operndorf-Projekt geworden ist. Nicht viel, ein paar Container aus Deutschland glänzen in der Sonne, bewacht von einem alten Mann, der hier seine Schafe weiden lässt.

Wenn Timmerberg unterwegs ist, läuft er zu großer Form auf: Er ist neugierig, lässt sich begeistern und überraschen, kann kindlich staunen über die Wunder der Welt - auch wenn sie noch so sehr dem Klischee entsprechen, wie der Sonnenuntergang in der Savanne mit dem schwarzen Schattenriss einer Schirmakazie im Vordergrund. Er lässt sich in Situationen hineinfallen, auch in gefährliche, ist dabei nicht immer Herr der Lage und quetscht sich und seine Reisegefährtin zu 40 anderen Menschen, einem Dutzend Hühner, mehreren Stauden Zuckerrohr und zahllosen Plastikkanistern auf die Ladefläche eines Lastwagens - und genießt es.
Helge Timmerberg ist der subjektivste aller deutschsprachigen Reporter. Seine Art zu schreiben ist genau deswegen genial und grenzgängig zugleich. Mitunter nervt die dauernde Selbstbespiegelung ein wenig und wer viel über Afrika wissen will, der neigt dazu, das Buch auch mal weglegen zu wollen - zu viel Timmerberg, zu wenig Afrika. Aber als wisse er das, packt Timmerberg genau dann seine Leser wieder, beispielsweise mit der lakonischen Schilderung, wie er in Malawi irgendwo auf dem Land Flüchtlinge aus Äthiopien trifft, die zu Fuß unterwegs nach Südafrika sind - 2000 Kilometer südlich ihrer Heimat und 1500 Kilometer von ihrem Ziel entfernt.

Nach vielen Abenteuern ist Timmerberg am Ende seines Afrikatrips immer noch reisemüde, obwohl er weiß: Es geht weiter. Das ist die gute Nachricht für die Leser, denn das heißt auch: Es wird neue Bücher geben.

Besprochen von Günther Wessel

Helge Timmerberg: African Queen. Ein Abenteuer
Rowohlt, Berlin 2012
304 Seiten, 19,95 Euro
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