Tim Flach: "In Gefahr"

Bedrohte Schönheiten

Tim Flach: "In Gefahr. Bedrohte Tiere im Porträt"
Tim Flach zeigt in seinem Band 80 der schönsten und außergewöhnlichsten Tierarten. © dpa / Knesebeck Verlag
Von Eva Hepper · 07.11.2017
Gelbaugenlaubfrosch, Nacktkiemer oder Monarchfalter - kaum jemand von uns kennt diese vom Aussterben bedrohten Tierarten. Tim Flach hat sie deshalb in seinem Fotoband "In Gefahr" auf atemberaubende Weise in Szene gesetzt.
Primaten? Na klar, sie gehören dazu. Großkatzen, Bären, Giraffen und Elefanten? Selbstverständlich auch. Und natürlich Delphine und Wale. Aber Grottenolme, Molche und Ruderschnecken zählen sicherlich nicht zu den Stars, die Tierfilmer und -fotografen bevorzugt in Szene setzen.

Tim Flach jedoch ist gerade mit dem Porträt der kleinen Meeresschnecken eines seiner hinreißendsten Bilder gelungen. 18 Tiere, keines größer als fünf Zentimeter, rudern in schwarzer Tiefe kreisförmig umeinander. Durchsichtig wie sie sind, schimmert es rot in ihrem Inneren und bläulich an den flügelförmigen Lappen, mit denen sie sich fortbewegen. Wer diesen magischen Reigen betrachtet, versteht unmittelbar, warum die Weichtiere auch See-Engel genannt werden.

80 der schönsten und außergewöhnlichsten Tierarten

Mit seinen herausragenden Tier-Porträts und einer ganz eigenen Bildsprache ist Tim Flach in den letzten Jahren einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden. In vielen Bildbänden spürte der preisgekrönte Fotograf vor allem der Beziehung zwischen Mensch und Tier nach. Er hatte Pandas, Tiger und Gazellen vor der Linse, aber auch Hunde und Pferde wusste er spektakulär zu inszenieren. Sein aktuelles Buch, das der 1958 in London geborene Flach als sein wichtigstes überhaupt bezeichnet, präsentiert 80 der "schönsten und außergewöhnlichsten Tierarten", die eine Gemeinsamkeit haben: Sie werden auf der Roten Liste geführt und sind vom Aussterben bedroht.

Tim Flach arbeitet durchweg mit dem Mittel der Überwältigung und feiert die Pracht und Vielfalt der Tierwelt. Seine Porträts – darunter sind doppelseitige Panoramabilder ebenso wie Detail- und Großaufnahmen – sind schlichtweg hinreißend und von atemberaubender Schönheit. Viele seiner Protagonisten zeigt der Fotograf in ihrem natürlichen Lebensraum: Tausende Glühwürmchen etwa im nächtlichen Wald, tanzende Monarchfalter vor tiefblauem Himmel, stolzierende Mandschurenkraniche im Schnee, madagassische Schnabelbrustschildkröten im Busch oder Geparden in der Savanne.

Schönheit, Erhabenheit und Würde

Andere Bilder wiederum sind im Studio entstanden und bieten eindrückliche Charakterstudien von scheinbar ganz eigenen Persönlichkeiten. Der Betrachter rätselt unwillkürlich, ob der Gelbaugenlaubfrosch wohl tatsächlich so vorwitzig, der Lemure so schüchtern und der Schuhschnabel so pampig ist, wie sie hier wirken. Zweifellos allerdings sind es allesamt Wesen, die Schönheit, Erhabenheit und Würde ausstrahlen; auch die dem Menschen weniger nahen und weniger bekannten Kreaturen wie Schuppentiere, Nacktkiemer oder Baumhummer.

Wenn der Mensch sein umweltzerstörendes Verhalten nicht ändert, wird jedoch keines von ihnen noch lange unter uns sein. Daran lassen weder die Begleittexte von Tim Flach noch der Essay von Jonathan Baillie einen Zweifel. Beide, der Fotograf und der renommierten Zoologe, erläutern dezidiert, wie und warum Lebensräume schwinden und Arten eingehen. Und, was zu tun wäre, um das Ruder herumzureißen.

Ein bedrückend schönes Buch, das an Hirn und Herz seiner Leserinnen und Leser gleichermaßen appelliert.

Tim Flach: "In Gefahr. Bedrohte Tiere im Porträt"
Mit Texten von Jonathan Baillie, Sam Wells und Matt Turner
Aus dem Englischen von Monika Niehaus und Jorunn Wissmann
Knesebeck Verlag, 2017
336 Seiten, 68 Euro

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