Tierschutz

Am Himmel über Berlin

Am Rathaus Köpenick in Berlin fliegt eine Dohle vorbei.
Am Rathaus Köpenick in Berlin fliegt eine Dohle vorbei. © Deutschlandradio - Gerhard Richter
von Gerhard Richter · 14.06.2014
Sie picken und brüten - von Elstern, Krähen und Tauben im Stadtgebiet ist der Mensch schnell genervt und versucht sie, zu vertreiben. Seit geraumer Zeit gibt es allerdings ein Taubenhaus, in dem die Tiere angesiedelt und kontrolliert werden.
Ines Steinkamp nimmt den Fahrstuhl in den sechsten Stock eines Bürohauses. Auf ihrer roten Regenjacke leuchtet das Logo des Berliner Tierschutzvereins. Die 47-Jährige mit dem dunkelblonden Pferdeschwanz geht durch eine Glastür aufs Dach. Hoch über dem Potsdamer Platz steht das Taubenhaus, ein kantiger graulackierter Knubbel aus Stahl und Aluminium, vier Meter hoch. Ines Steinkamp betritt den kleinen Vorraum. Hier lagern Streu, Plastetüten, Schaufel und Besen, eine Schachtel Medikamente und Futter. Dreimal die Woche kommt die gelernte Tierpflegerin hierher, um das Taubenproblem zu lösen.
"Das Ziel ist ja, diese Population so zu verringern, dass es erträglich wird für den Potsdamer Platz. Das dauert aber über Jahre."
Alle andere Maßnahmen waren vergeblich
100.000 Euro hat das Management des Potsdamer Platzes für den Luxustaubenschlag ausgegeben, nachdem alle andere Maßnahmen vergeblich waren: Drähte, Metallgitter, Stacheln konnten nicht verhindern, dass am Berliner Vorzeigeplatz hunderte Tauben brüten. Mittlerweile sind 60 davon in den Taubenschlag gezogen. Ines Steinkamp öffnet die Tür zum Brutraum.
Alle Tauben fliegen erschrocken hinaus, bis auf eine, die in der Ecke sitzen bleibt. Offensichtlich krank. Ines Steinkamp sieht sie sich näher an.
"Das ist ne kleine, die hat ein bisschen Durchfall und war auch ein bisschen aufgeplustert und jetzt geht sie halt zur Behandlung."
Die kleine Taube setzt sie vorsichtig in eine Art Sporttasche mit Netzgittern an der Seite und stellt sie erstmal in den Vorrraum.
Dann kratzt sie mit einem Spachtel den Taubenkot von den Stahlträgern. Etwa 1000 Kilo kommen da pro Jahr zusammen.
"Das wird als Sondermüll entsorgt. Man ist da ja ein bisschen vorsichtig - unnötigerweise."
An den schrägen Wänden sind Metallfächer, mit Zeitungen ausgelegt. Ein paar Tauben haben dort mit Stöckchen und Gras Nester gebaut, Ines Steinkamp beugt sich darüber, während die geflüchteten Tauben unruhig auf dem Dach herum hüpfen.
Ines Steinkamp engagiert sich im Berliner Tierschutzverein
Ines Steinkamp engagiert sich im Berliner Tierschutzverein.© Deutschlandradio - Gerhard Richter
Ines Steinkamp nimmt zwei frischgelegte Eier aus dem Nest und legt dafür zwei Gipseier hinein. So brüten die Tauben völlig umsonst, ohne es zu merken
"Wir wollen ja keine Küken, das ist ja das Ziel: Populationsverminderung."
Ines Steinkamp schüttet noch ein wenig Futterkörner in die kleinen Tröge und nimmt die Tasche mit der kranken Taube.
Auf dem Weg zum Gebäude zurück sieht sie unten ein Nest in einem Baum. Die Großstadt ist Lebensraum für dutzende Wildvögel, die über den Köpfen der Menschen ihren täglichen Kampf ums Dasein austragen. In dem Nest unter ihr brütet eine Krähe und bewacht die Eier vor Fressfeinden, erzählt Ines Steinkamp. Habichte zum Beispiel.
"Sobald der Habicht angeflogen kommt, gibt's hier so eine Art Luftkampf und der Habicht wird verdrängt."
Aber nicht nur der Habicht wird bekämpft, auch Passanten bekommen mal einen Schnabelhieb ab, wenn sie einem Jungtier zu nahe kommen.
"Das machen Krähen Eltern immer. Also die verteidigen ihre Jungen sehr aggressiv, aber auch nur in diesem Fall. Dann sollten die Leute halt ein Stück weggehen, das Tier da sitzenlassen, wenn es möglich ist. Nach ein paar Wochen versuchen die Kleinen dann auch hochzuklettern, wo es halt möglich ist."
Der Artenschutzreferent des Naturschutzbundes
Für Krähenvögel ist Ines Steinkamp eigentlich nicht zuständig. Das macht Jens Scharon. Der 50-Jährige im karierten Hemd steigt eine Holzleiter im Turm des Köpenicker Rathauses hoch. Der Artenschutzreferent des Naturschutzbundes will heute die Brutkästen der Dohle überprüfen. Die Kästen wurden vor Jahren schon aufgehängt, weil die Dohle als nützlich galt - u.a weil sie Tauben den Garaus macht.:
"Früher waren die auch ganz gern gesehen an Kirchen oder anderen Gebäuden, weil eben Krähenvögel ja auch Freßfeinde für andere Arten sind, die Eier auch ausfressen, oder die Jungtiere auch ausfressen, und grad die Dohlen, weil sie die ähnlichen Brutplätze hat wie die Haustauben und die eben auch dezimieren können, die haben sie dann wieder sympathisch gemacht."
Scharon öffnet eine Luke am Brutkasten und späht in die Nester aus Zweigen, Plastefetzen und Zigarettenkippen.
"Da sind auch fünf Eier ."

Jens Scharon, Artenschutzreferent des Naturschutzbundes
Jens Scharon, Artenschutzreferent des Naturschutzbundes © Deutschlandradio - Gerhard Richter
Anders als im Taubenhaus lässt Jens Scharon die Dohleneier im Nest. Der Dohlenbestand soll erhalten bleiben, die kleine Population ist gefährdet. Bedrängt auch von anderen Krähenarten, die sich in den letzten Jahren in der Stadt ausgebreitet haben.
"Es war erst die Elster, die zugenommen hat, dann hat die Nebelkrähe zugenommen, und die Nebelkrähe ist eigentlich auch ein natürlicher Gegenspieler gegen die Elster, verdrängt dann auch die Elster. Auch was jetzt den Bestand der Nebelkrähe angeht, der ist in den letzten Jahren auch zum Stehen gekommen, es hat sich offensichtlich ein Maximum eingepegelt."
Krähen als Problemvögel
Rund 4500 Reviere von Elstern und Nebelkrähen hat der Nabu in Berlin gezählt. Krähen gelten als Problemvögel, weil sie den Inhalt von Abfallkörben verstreuen und andere Vogelnester plündern. Das ärgert die Menschen, den Beständen von Amseln, Blaumeisen oder Grünfinken hat das bisher nicht geschadet, sagt Jens Scharon. Kein Grund also, die Krähen zu bekämpfen.
"Das reguliert dann schon die Natur und da müssen sich die Arten dann untereinander anpassen, aber jetzt Bestände zu reduzieren, also da gibt's für uns jetzt gar keine Argumentation und gar keine Notwendigkeit."
Im nächsten Nistkasten sitzen drei frisch geschlüpfte Dohlen und reißen die Schnäbel weit auf. Vielleicht bringt ihnen die Dohlenmutter gleich ein Taubenküken, vielleicht werden sie auch selbst gefressen.
"Wir müssen einfach wieder auch lernen mit der Natur zu leben, und auch Stadt schützt vor Natur nicht. Das ist einfach so."
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