Themenwoche Energiewende

Zukunftsangst trotz riesiger Gewinne

Blitze schlagen neben Windrädern ein
Die Grünstrombranche wächst rasant - das kann auch problematisch sein © picture alliance / dpa / Sven Koopmann / Photoka
Von Theo Geers und Nadine Lindner  · 11.03.2016
Die Ökostrom-Branche in Deutschland verzeichnet hohe Gewinne - eine Jubelstimmung kommt dennoch nicht auf. Ganz im Gegenteil: Man fürchtet, dass es mit diesem Wachstumstempo bald vorbei sein könnte. Verdruss droht mit der nächsten Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes EEG.
Berlin - ein Mittwochabend im Februar. Draußen ein nasskalter Wintertag, drinnen aufgekratzte Stimmung. Neujahrsempfang des Bundesverbands erneuerbare Energien BEE. 1.100 Gäste sind in das Luxushotel an der Friedrichstraße gekommen. Alles was bei den erneuerbaren Energien Rang und Namen hat gibt sich hier ein Stelldichein, die Kongressetage ist komplett für den Empfang in Beschlag genommen. Die Branche der Erneuerbaren feiert sich selbst, und BEE-Präsident Fritz Brickwedde schlägt gleich zu Beginn den ganz großen Bogen...
Brickwedde: "Der G7-Gipfel in Bayern hat sich für ein Jahrhundert der Dekarbonisierung ausgesprochen, der Papst hat sich in seiner Enzyklika für den Ausbau der erneuerbaren Energien stark eingesetzt – und heute der Neujahrsempfang des BEE ..."
Die G7 – der Papst – und der BEE. Schon diese hintersinnige Abfolge zeigt: An Selbstvertrauen mangelt es in der Branche der Erneuerbaren nicht. Selbstvertrauen, das seit dem Klimagipfel vom Dezember in Paris noch weiter gewachsen ist …
Brickwedde: "G7, Umweltenzyklika und Paris: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland und weltweit hat Rückenwind und ist nicht mehr aufzuhalten."
Beifälliges Nicken im Saal bei den Erzeugern von Wind- und Solarstrom, von Biogas und Biosprit. Im letzten Jahr haben sie knapp 14 Prozent des gesamten deutschen Energiebedarfs gedeckt. Beim Strom steigerten sie den Anteil der Erneuerbaren sogar von 27 Prozent auf fast 33 Prozent – ein Drittel des hierzulande verbrauchten Stroms ist Ökostrom. Nirgendwo sonst ist die Energiewende weiter fortgeschritten als hier. Doch Jubelstimmung kommt ob der Zuwächse und immer neuen Rekorde nicht auf. Im Gegenteil. Die Grünstrom-Branche hat die ganz handfeste Sorge, dass es mit diesem Wachstumstempo schon bald vorbei sein könnte.
Ungemach droht mit der nächsten Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes EEG. Denn Wirtschaftsminister Gabriel steht unter Druck. Mit jährlich 28 Mrd. Euro, die auf die Stromkunden abgewälzt werden, ist ihm die Energiewende zu teuer, der weitere Kostenanstieg soll gebremst werden. Auch hält der Ausbau der Netze nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren stand, ein ungezügelter Vormarsch lässt ferner die Arbeitsplätze in den Braunkohlekraftwerken und –tagebauen wackeln.
Für den Wirtschaftsminister ist daher klar, wohin die Reise mit der nächsten Reform gehen muss: Einmal muss mehr Markt ins System. Windparks an Land oder große Photovoltaikanlagen werden künftig grundsätzlich ausgeschrieben. Den Zuschlag und damit das Baurecht bekommen die Anbieter, die den Ökostrom zum niedrigsten Preis produzieren können. Das macht zwar die Energiewende nicht insgesamt billiger, aber es dämpft zumindest den weiteren Kostenanstieg. Doch "mehr Markt" ist nur ein Teil der nächsten Reform, der andere:
Gabriel: "Jetzt wird es darum gehen, wie schaffen wir es eigentlich, das Ausbautempo anzupassen an die Ausbaukorridore, die Politik gerade mal vor einem Jahr miteinander verabredet hat."

Wer produziert den Strom der Zukunft?

Tatsächlich hat sich Gabriel schon kurz nach seinem Amtsantritt als Wirtschafts- und Energieminister auf die Energiewende gestürzt. 2014 – mit der ersten EEG-Reform – wurden deshalb mehrere Ausbaukorridore festgelegt. Bei Windanlagen an Land und Solarstrom sind es zum Beispiel 2500 Megawatt, die pro Jahr höchstens neu installiert werden sollen. Das Problem: Auf dem Strommarkt tobt gerade ein erbitterter Verteilungskampf. Jetzt wird entschieden, wer den Strom der Zukunft produziert. Korridore, die den Ausbau in geordnete Bahnen lenken, vertragen sich aus Sicht der Ökostrombranche damit nicht.
Vor allem die Erzeuger von Windstrom scheren sich deshalb nicht um diese Korridore, sie errichten mehr Windturbinen als die Markt verkraften kann. Und auch wenn der Ausbau beim Solarstrom derzeit etwas stockt und so etwas Luft im System schafft – zu viel ist zu viel. Deshalb jetzt die zweite EEG-Novelle, denn Sigmar Gabriel will diesem Treiben auf dem Strommarkt nicht länger tatenlos zusehen
Gabriel: "Je planbarer je strukturierter je besser, aber nicht je mehr je besser."
... so lautet seine Ansage. Denn es gibt bei der Energiewende auch eine Zielmarke für den Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt ...
Gabriel: "Der zweite Korridor ist, dass wir 2025 ungefähr 40 bis45 Prozent erneuerbare Energien erreicht haben wollen, wir haben aber im letzten Jahr schon 33 Prozent erreicht."
… und diese 33 Prozent sind für Gabriel das Problem. Bei dieser Ausgangsposition und bei diesem heutigen Ausbautempo sind 2025 nicht 45 Prozent, sondern 55 Prozent Ökostrom im Netz – zu viel aus seiner Sicht. Doch mit der neuen - zweiten - Reform des EEG, die dafür sorgen soll, dass es 2025 erst mal bei 45 Prozent bleibt, hat er gesamte Ökostromlobby gegen sich aufgebracht. Nicht nur BEE-Präsident Fritz Brickwedde sieht darin einen massiven Angriff auf die Ökostromerzeuger:
Brickwedde: "Es besteht die Gefahr, dass aus dem Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Energien ein Gesetz wird, das den Ausbau de facto begrenzt und deckelt. Schlimmer noch: Der Anteil fossiler Energieträger würde damit von der Bundesregierung bei 55 Prozent im Jahr 2025 im Stromsektor zementiert. Das darf unter keinen Umständen passieren."

CO2-Einsparungen - nur mit Erneuerbaren

Die Ökostromerzeuger argumentieren auch mit dem Klimaschutz. Nach ihren Berechnungen kann Deutschland seine Zusagen, die es im Dezember auf dem Klimagipfel in Paris in punkto CO2-Einsparung eingegangen ist, nur mit einem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren erreichen, so Fritz Brickwedde.
Brickwedde: "Würde man den Ökostrom bei 45 Prozent deckeln, hätten wir eine gewaltige Lücke in unserer Klimabilanz. Um die verbindlichen Ziele von Paris zu erreichen, bräuchten wir 2025 mindestens 60 Prozent sauberen Strom."
Heißt übersetzt: Die 2014 vereinbarten Ausbaukorridore müssen weg. So argumentieren auch die Bundesländer, die sich vom weiteren Ausbau der Erneuerbaren Jobs, Wertschöpfung und Steuereinnahmen versprechen. Erst Ende Januar haben die fünf norddeutschen Bundesländer den Wismarer Appell verabschiedet. Der für 2025 vereinbarte Anteil der Erneuerbaren Energien von 40 bis 45 Prozent am Strommarkt darf danach keine feste Obergrenze sein, auch müsse es bei der Windkraft an Land weiterhin einen Zubau von 2500 Megawatt pro geben und auf keinen Fall weniger. Und zusätzlich sollen pro Jahr auch zwei bis drei Windparks auf See in Betrieb gehen.
Formal haben die Länder allerdings nur eingeschränkte Möglichkeiten, um diese Forderungen durchzusetzen. Auch die nächste EEG-Reform ist kein Zustimmungsgesetz, das nur nach einem "Ja" der Länder im Bundesrat in Kraft treten könnte. Eine solch starke Stellung haben die Länder nicht. Sie können bei der EEG-Reform nur einen Einspruch einlegen, dann noch versuchen, ihre Positionen über den Vermittlungsausschuss durchzubringen, aber am Ende könnte der Bundestag auch einen solchen Einspruch der Länder überstimmen und zurückweisen. Doch so formell wurden noch keine Änderung an der Energiewende beschlossen.

Ökostromerzeuger sind mächtig geworden

Vielmehr wird auch die nächste Reform des EEG - so wie ihre Vorgänger – zwischen den Umwelt- und Wirtschaftsministern des Bundes und der Länder vorher ausgehandelt. Mit Blick auf diese Ministerkonferenzen wird nun argumentativ allerdings weiter aufgerüstet. Vor allem nach dem Klimagipfel von Paris dürfe es keine Verlangsamung des Zubaus bei den erneuerbaren Energien geben. Solche Argumente wiederum bringen wiederum den Bundeswirtschaftsminister in Wallung. In der Gesamtschau ist Klimaschutz für ihn nur ein Aspekt, die Kosten ein anderer ...
Gabriel: "Das Problem dabei ist, dass wenn wir aus den Korridoren ausbrechen, dass das natürlich Konsequenzen haben wird, was die Kosten angeht. Insbesondere dann, wenn wir weiter so machen wie in Vergangenheit, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien dem der Netze meilenweit vorausläuft, und irgendwann sind wir dann soweit, dass wir den Stecker in Heide oder die brandenburgische Mark stecken oder wohin auch immer packen, aber nicht in die Steckdose."
Schonen will Gabriel die Erneuerbaren deshalb nicht mehr. Für ihn sind die Zeiten vorbei, in denen die früheren Stromrebellen noch besonderen politischen Schutz und Förderung verdienten, weil sie von "Atomkraft-Nein-Danke" beseelt waren oder deshalb Unterstützung verdienten, weil sie als kleine Davids die Goliaths der großen Stromkonzerne herausforderten. Bei 33 Prozent Marktanteil sind die Erneuerbaren für Sigmar Gabriel längst zu einer Macht im Lande geworden, und so sollen sie auch behandelt werden...
Gabriel: "Das EEG in seiner alten Struktur war ein gutes Instrument der Technologieförderung. Es hat die Welpen wachsen lassen, aber aus den Welpen sind ziemlich kräftige Jagdhunde geworden und deswegen gibt es keinen Grund mehr für Welpenschutz."
... zumal sich die Jagdhunde längst der gleichen Methoden bedienen um ihre Interessen durchzusetzen wie andere Interessengruppen auch. Der Wismarer Appell, mit dem die fünf norddeutschen Bundesländer fast wortgleich die Forderungen und Argumente der Ökostrombranche übernehmen, ist da nur ein Beispiel. Sigmar Gabriel, der Adressat, kann den Appell aus regionaler Sicht sogar verstehen, schließlich war er selbst einmal Ministerpräsident in Niedersachsen. Aber heute ist er für die Gegenseite, sprich den Bund, zuständig, entsprechend groß ist die Vorfreude auf die Verhandlungen mit den Ländern...
Gabriel: "Da einigt man sich dann meistens unter denen, die ich da so treffe darauf, dann besser bei allen mehr zu machen. Das aber führt in das Problem steigender Kosten und mangelnder Infrastruktur. Und deswegen werden wir bestimmt, sage ich mal, interessante Abende verbringen in den nächsten Wochen und Monaten ..."

Bundesländer als Scharnier

Wenn die Länder bei der Energiewende mitreden, dann wollen sie beim Ausbau der Erneuerbaren nicht nur für ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung jeweils das Maximum herausholen. Sie spielen auch eine zentrale Rolle bei den konkreten Entscheidungen, wo Wind- oder Solarparks entstehen dürfen und wo nicht.
Ihr wichtigstes Instrument ist neben der Zuständigkeit für den Naturschutz die Gesetzgebung zur Raumordnung, erklärt Philipp Vohrer Geschäftsführer bei der Agentur für Erneuerbare Energien. Die Länder können ein wichtiges Scharnier zwischen Europäischer Union, Bundesgesetzgeber und der konkreten Umsetzung vor Ort sein. Zwar gilt das EEG als Bundesgesetz überall, aber
Vohrer: "Ganz wichtig ist auch die Planungsgesetzgebungskompetenz der Länder. Alles, was Raumplanung, Raumordnung anbetrifft, wird von den Ländern gesetzlich geregelt. Und da findet, weil die Erneuerbaren nun mal in der Fläche ausgebaut werden, eine Menge auf dieser Planungsebene statt."
Anstelle von großen Kraftwerken an einem Ort gibt es Windräder oder Solarparks an vielen Stellen. Hier können die Landesregierungen festlegen, wie groß zum Beispiel die Abstände zur Wohnbebauung sein müssen. Darüber können sie mitbestimmen. Der Strom aus Sonne, Wasser, Biomasse muss einfach irgendwo produziert werden:
Vohrer: "All das muss man sich neu überlegen. Im Zuge der Energiewende. Und dafür müssen Flächen definiert werden und auch Flächen ausgeschlossen werden, man denke an Naturschutzflächen oder an Verkehrsflächen, die nicht beeinträchtig werden dürfen."
Weil es auf einmal viel mehr Standorte für die Energieerzeugung gibt, sind auch plötzlich viel mehr Bürger in ihrem Alltagsleben betroffen.

Bayern liegt auf Platz eins

Die Agentur untersucht seit mehreren Jahren systematisch die Energiepolitiken der Bundesländer und vergleicht sie in einem Ranking.
Vohrer: "Wir machen seit 2008 regelmäßig alle zwei Jahre eine Bundesländervergleichsstudie, wo wir schauen, wie weit ist die Energiewende auf Bundesländerebene gediehen."
Die letzte Studie ist aus dem Jahr 2014. Bayern liegt dabei auf Platz eins, gefolgt von Baden-Württemberg.
Die Voraussetzungen, die die Bundesländer mitbringen sind sehr unterschiedlich. Da ist zum einen Ost- und Westdeutschland. Die neuen Länder haben zum Beispiel im Kern oft eine modernere Infrastruktur, da sie nach der deutschen Einheit grundlegend erneuert wurde.
Hinzu kommen die Unterschiede zwischen Ländern mit viel Wind, im Norden von Deutschland oder eher denen im Süden, die auf Photovoltaik, Wasserkraft und Biomasse setzen. Wichtig ist auch die Frage, ob es sich um einen Stadtstaat oder ein Flächenland handelt.

Berlin belegt den letzten Platz

Berlin hat in dem Energiewende-Ranking der Bundesländer der Agentur für Erneuerbare Energien den letzten Platz belegt.
Die Gründe sind: schlechte Voraussetzungen als Stadtstaat und wenig politischer Wille. Doch langsam ändert sich was:
Die kalte Windböe pfeift bis ins Treppenhaus, als Volker Gustedt über die schmale Treppe aus Dach der Berliner Energieagentur klettert. Hinter der BEA stecken das Land Berlin sowie die zwei großen Energieversorger Gasag und Vattenfall sowie die KfW. Gustedt will eines der städtischen Projekte für erneuerbare Energie zeigen, auf dem Dach des Kaufhauses "Galerie Lafayette" in der Friedrichstraße. Im gleichen Haus sind die BEA-Büros.
Gustedt: "Die Berliner Energieagentur hat hier oben eine Solarstrom-Anlage und mit dem Strom, der hier erzeugt wird, decken wir etwa 60 Prozent unseres eigenen Strombedarfs für Computer, Beleuchtung und andere technische Anlagen."
Von unten würde niemand vermuten, dass sich auf dem Dach Solarzellen befinden. Die Photo-Voltarik-Module sind in kleinen Gruppen auf dem Dach verteilt. auf Das Berliner Innenstadt-Panorama aus Vogelperspektive gibt es inklusive.
Guststedt: "Es ist auch so ein kleiner Blick in die Zukunft, was man in einer Stadt wie Berlin dann machen müsste, nämlich Erzeugung von erneuerbarem Strom, speichern vor Ort, und vor allem die effiziente Nutzung des Stroms."
Kleine Test-Anlagen wie diese sind auch nötig, denn in Berlin besteht großer Handlungsbedarf. Die Stadt steht in einem Vergleich aller Bundesländer der Agentur für Erneuerbare Energie derzeit auf dem letzten Platz.
Ja, vielleicht haben wir das in der Vergangenheit etwas schleifen lassen, das muss Christian Gaebler schon einräumen. Er ist Staatssekretär für Verkehr und Umwelt in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin.
Gaebler: "Was richtig ist, ist vielleicht, dass der Stellenwert oder die Ausstattung an der Stelle, dass man das auch mit Fachwissen und Ressourcen untersetzen muss, dass das etwas vernachlässigt worden ist. Dass sozusagen die beteiligten Fachverwaltungen das Thema etwas runtergefahren haben und sich auf andere Themenfelder konzentriert haben."

Viel Platz in Schleswig-Holstein

Weitere Gründe gibt es viele. Berlin habe schlichtweg keinen Platz für Windräder oder große Solarparks. Und auch nicht jedes Dach sei für die Erzeugung von Sonnenenergie geeignet. Besondere Chancen sieht Christian Gäbler dagegen im Bereich der Wärmeerzeugung, hier könne die Stadt viel einsparen, zum Beispiel über Fernwärme. Hinzu kommt die Sanierung von Gebäuden, mit den landeseigenen Gebäuden will er anfangen.
Schwieriger wird es dagegen bei Wohnhäusern, denn in Berlin wohnen im bundesweiten Vergleich besonders viele Menschen zur Miete. Für sie könnte die Energiewende teuer werden, fürchtet Gäbler und kritisiert die Bundesgesetze, die zu inflexibel seien, zum Beispiel bei der Umlage der Kosten von energieeffizienter Sanierung auf die Mieter.
Dass Berlin nun eine wachsende Stadt ist, freue ihn zwar, mache das Energiesparen aber nicht einfacher.
Gaebler: "Eine wachsende Stadt heißt ja mehr Menschen in der Stadt und damit mehr Verbraucherinnen und Verbraucher von Ressourcen. Und wir merken schon, dass der Energieverbrauch, der ja nach der Wende schon ne Weile lang zurückgegangen ist auch durch den Niedergang der Industrie in den Ost-Bezirken, dass der Energieverbrauch wieder angestiegen ist."
Seit dieser Legislaturperiode gibt es mehr Bewegung. Eine Machbarkeitsstudie zur Klimaneutralität bis 2050 wurde erstellt, hinzu ein Rahmengesetz zur Energiewende, sowie ein Maßnahmenplan zur Umsetzung. Doch ob das Gesetz allerdings noch vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September 2016 verabschiedet wird, ist nicht sicher. Es könnte also noch ein bisschen dauern.
Ganz anders sieht es dagegen in Schleswig-Holstein aus. Das norddeutsche Bundesland hat als Flächenland viel Platz für Anlagen, mit denen Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse erzeugt wird. Auch wenn das Land im Bundesländer-Ranking der Agentur für Erneuerbare Energien "nur" den sechsten Platz erreicht hat, gilt es als Vorbild, vor allem beim politischen Voranbringen der Energiewende.
Der Grüne Robert Habeck ist dort Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume. Er selbst nennt sich einfach "Minister für alles, was draußen ist".
Der viel beschäftigte Minister selbst findet den Ressortzuschnitt gut, er helfe bei der Umsetzung der Energiewende, denn neben Energiefragen sei er auch für andere relevante Politikfelder zuständig:
Habeck: "Sie sehen auf der Bundesebene ist Herr Schmidt, der Agrarminister ist für die Bauern und für die Landwirtschaft. Und die Umweltministerin ist für den Umweltschutz und den Gewässerschutz. Diese Aufspaltung ist nicht besonders hilfreich. In meinem Haus muss ich alle drei Dinge im Auge behalten. Artenschutz, also Seeadler in Schleswig-Holstein oder andere Greifvögel und der Windkraft beispielsweise, den hab ich in meiner Amtsperson und ich muss ihn auch lösen."

EEG-Novelle könnte Ausbau hemmen

Habeck beschreibt, wie genau Raumordnungsgesetze beim Planen von Windkraftanlagen angewendet werden.
Habeck: "Abstände zu Deichen, Abstände zu Wohngebieten, Abstände zu Autobahnen, so, dass sich die Kulisse immer weiter verkleinert. Wir wollen am Ende etwa 2 Prozent der Fläche ausweisen, weil wir dann die Ziele, die wir uns gesetzt haben, erreichen können."
Er würde sich eigentlich gern weitergehende Ziele setzen, als die die der Bund definiert. Der grüne Umweltminister kritisiert in diesem Zusammenhang harsch die geplante EEG-Novelle der Bundesregierung. Er befürchtet, dass dadurch der Ausbau verlangsamt werde. Die föderalistischen Strukturen in der Energiewende sieht er trotz Unterschieden in der Strategien nicht per se als Problem:
Habeck: "Die einen wollen Biomasse fördern, die anderen den Wind fördern. Die einen wollen schnellen Netzausbau, die anderen gar keinen Netzausbau. Es ist schon kompliziert, aber es ist immer gelungen, mit der Mehrheit der Länder, gute Lösungen hinzubekommen."
Bund, Länder, da fehlen in der politischen Architektur nur noch die Kommunen. In städtischer Verantwortung sind ebenfalls wichtige Akteure bei der Gestaltung der Energiewende: die Stadtwerke. Außerdem können die Kommunen beispielsweise über Anschluss bzw. Nutzungszwang von Netzen entscheiden. Der VKU ist der Verband Kommunaler Unternehmen, die Geschäftsführerin Katherina Reiche wünscht sich mehr Übersichtlichkeit.
Reiche: "Zum Einen ist es sicherlich gut, wenn eine Landesgesetzgebung Ziele nicht einschränkt und behindert oder durch individuelle Ziele noch überlagert und erschwert. Wir würden uns eher wünschen, dass wir nicht 16 verschiedene Wenden haben, sondern eine, die bundesweit gilt und idealerweise eine, die in Europa kompatibel ist und sich einpasst in ein großes europäisches Konzept."
Die Energiewende ist also nicht nur technisch komplex, sondern auch gesetzgeberisch mehr als anspruchsvoll. Das wird auch die nächste EEG –Novelle wieder zeigen. Bis zum Sommer soll sie unter Dach und Fach sein, ob das aber angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Interessen gelingt ist völlig offen.
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