Theaterregisseur Hermann Beil über 1968

"Wir haben nicht lange rumgequatscht"

Der Dramaturg Hermann Beil
Der Dramaturg Hermann Beil © Imago / Götz Schleser
Hermann Beil im Gespräch mit André Mumot · 31.03.2018
Der 68er-Impuls traf auch das Theater: Ob es ein politischer Abend zum Radikalenerlass oder zum Paragrafen 218 war. Lange diskutiert wurde nicht, sondern einfach gehandelt. Dramaturgen-Legende Hermann Beil erinnert sich ans bewegte Jahr.
Es war eine Zäsur im Deutschland der Nachkriegszeit: das Protestjahr 1968. Auch an deutschsprachigen Theatern begann eine neue Ära und die Karriere vieler großer Regisseure: Peter Stein inszenierte 1967 zum ersten Mal, Dieter Dorn 1968, Johann Kresnik 1967 und Luc Bondy 1971.
Den ersten richtig großen Knall aber gab es schon 1966, als ein gewisser Claus Peymann in Frankfurt Peter Handkes Publikumsbeschimpfung uraufführte. Aufregende Zeiten mit neuen Ideen, auch für den Dramaturgen Hermann Beil, der neben dem laut polternden Claus Peymann selbst zu einer Art stilleren Legende des Theaters wurde. Mit Claus Peymann begann die Zusammenarbeit 1974 in Stuttgart, danach gingen die beiden nach Bochum, an die Wiener Burg und schließlich ans Berliner Ensemble, das sie letztes Jahr gemeinsam verließen.

"Es war eine elementare Zeit"

Im Rang-1-Gespräch schaut Hermann Beil zurück: Nach einer Dramaturgieassistenz in Frankfurt begann er seine eigentliche Laufbahn als Dramaturg 1968 in Basel. "Es war eine elementare Zeit, weil wir oft sehr spontan und direkt reagiert haben. Wir machten ja keine Pädagogik, wir machten ja Theater, aber das war mit einer großen politischen Ambition der Wirkung, das heißt, wir haben nicht lange rumgequatscht und nicht lange rumdiskutiert, sondern, wenn wir der Meinung waren, das ist ein Thema, was verhandelt werden muss, dann haben wir es auf der Bühne verhandelt und nach den richtigen theatralen Formen gesucht."

Mit Peymann die Gesellschaft kritisieren

Gerade in der Arbeit mit Peymann habe sich der Fokus immer wieder aufs Gesellschaftskritische gerichtet. "Viele politische Abende wurden nicht er-diskutiert, sondern die wurden sofort erfunden. Gerade in Stuttgart hatten wir den 68er-Impuls von Peymann ganz stark praktizieren können, weil es da auch ein Ensemble gegeben hat, das partout politisch Stellung beziehen wollte. Oft kamen Schauspieler zu uns und haben gesagt: Wir müssen zum Thema Radikalenerlass einen Abend machen, wir müssen zum Thema Paragraf 218 eine Aufführung machen. Und die Schauspieler sind dann natürlich beim Peymann und mir offene Türen eingerannt."
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