Theaterperformance in Köln

Krieg zum Hinsehen

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Performance der Künstler Hasan Hüseyin Deveci und John Herman in Köln © Matthias Drobeck
Von Cornelia Wegerhoff  · 25.05.2018
Die Performance "Krieg auf Leinwand" der Künstler Hasan Hüseyin Deveci und John Herman soll aufrütteln: Zwar spritzte Farbe statt Blut, aber die brutale Wirklichkeit rückte dem Kölner Publikum sehr nah. Die Journalistin Cornelia Wegerhoff war dabei.
"Es ist der Krieg ein roh gewaltsam Handwerk", sagte Friedrich Schiller. Aber obwohl wir heutzutage – anders als noch zu Schillers Zeiten – von nahezu jedem Kriegsschauplatz der Welt sogar Fernsehbilder haben, die uns diese rohe Brutalität direkt ins Wohnzimmer vermitteln, verdrängen wir doch meistens lieber, was in Syrien, dem Jemen und den anderen Kriegsschauplätzen der Welt passiert.

Einladung an die Besucher

Hinsehen, statt Wegschauen lautete die Einladung an die Besucher einer Performance in Köln. Die Künstler Hasan Hüseyin Deveci und John Herman ließen dort zwar Farbe statt Blut spritzen. Aber die Kunstaktion "Krieg auf Leinwand" erschütterte die Besucher dennoch, sagt die Journalistin Cornelia Wegerhoff im Deutschlandfunk Kultur, die sich die Inszenierung angesehen hat. Für die Zuschauer ist der Abend eine Herausforderung.

Voller Körpereinsatz

Der Krieg scheint durch die Tür zu kommen. Ein Vermummter mit Maschinengewehr im Anschlag dringt ins Atelier ein. Aus einem Lautsprecher tönt das russische Volkslied "Katjuscha". Nach ihm hat die Rote Armee einst die gefürchtete "Stalinorgel" benannt, ihren Raketenwerfer. Ein Vermummter humpelt nach vorn. Aus dem Lautsprecher ertönt eine Frauenstimme. Sie liest auf Französisch die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" vor, schon vor 70 Jahren verkündet von Vereinten Nationen. Der Text folgt auf Englisch, Arabisch und Spanisch. Deveci nimmt dem Vermummten die Maske vom Kopf, zerschneidet dessen Overall. Fast nackt steht sein Partner Herman jetzt da. Er trägt eine Prothese. Der 50-Jährige hat als Befreiungskämpfer in Kurdistan sein Bein verloren. Deveci nimmt ihm die Prothese ab. Gleich wird der Maler den Stumpf und auch den restlichen Körper seines Gegenübers mit Farbe übergießen, bespritzen, bemalen, ihn sogar über Leinwand wälzen.
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Künstler Hasan Hüseyin Deveci bemalt und bespritzt seinen Partner John Herman während der Kunstaktion © Matthias Drobeck
Der Körper von Herman wird zu einem Instrument der Kunst, in dem er sich in die Hände von Deveci begibt, der diesen in sein Werk einbindet und mit dem sich bietenden organischen Material neue Strukturen und Qualitäten schafft. "Ich bin sehr interessiert an visueller Soziologie, an interaktiven Kommunikationsprozessen", sagt der Kunstaktivist Herman nach der einstündigen Performance mit vollem Körpereinsatz. Konzept dieses Abends sei, "dass der Krieger, bzw. das Symbol von Macht und Zerstörung und Destruktivität auf einen Raum der Kunst trifft, und wie er in diesem interaktiven Prozess transformiert wird und zu Kunst wird, indem sein Körper überantwortet wird." Nichts werde gespielt, alles sei real.

Schockmomente

"Wir möchten auch schockieren", sagt Deveci über die Performance. "Wir möchten auch, dass diese Menschen diesen Körper sehen, dass die auch sehen, was der Krieg den Menschen angetan hat." Der Künstler ist selbst vor 20 Jahren vor dem Krieg in seiner kurdischen Heimat nach Deutschland geflohen. "Wenn wir die Kriege auf der Welt betrachten, das sind momentan über 30 aktuelle Kriege und mehrere hunderte Konflikte, dann stellen wir fest, dass diese Länder kaum eigene Waffenfabriken haben", sagt er. "Wir haben Flüchtlinge aufgenommen, aber die Ursache, warum der Krieg entstanden ist, sind diese Waffen, die Panzer, diese Exporte sind alle aus Deutschland." Alle Panzer seien in den 1990er Jahren aus Deutschland gekommen und das wolle man zeigen. "Kunst kann auch Politik machen."

Echo aus dem Publikum

Aus dem Publikum kommen positive Reaktionen auf den Abend. Ein junger Mann ist selbst aus dem Irak geflüchtet und sagt: "Diese Show war schön. Es freut es mich, dass Deutsche den Kurden mit einer solchen Aktion helfen wollen." "Ich habe den Krieg schon als Fünfjähriger erlebt. Aber für alle, die den Krieg nicht kennen, ist es gut, so eine Performance zu erleben, damit sie eine Vorstellung vom Leid der Menschen bekommen." In Syrien und im Irak könnten die Menschen immer noch Hilfe gebrauchen, sagt er.
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