Theater

Parzival als Ghetto-Kid

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Das schräge "Parzival"-Bühnenbild ist wohl nicht der finanziellen Schieflage des Burgtheaters geschuldet. © picture alliance / dpa
Von Christoph Leibold · 27.04.2014
Der Regisseur David Bösch verpflanzt "Parzival" in die moderne Großstadt, die Ritter der Tafelrunde erinnern an die "Ritter der Kokosnuss" und Parzival selbst wirkt wie ein Zappelphilipp mit ADS. Kritiker Christoph Leibold mangelt es vor allem an tieferen Gedanken.
Böse Zungen werden behaupten, das betont armselige Bühnenbild im Akademietheater sei vermutlich schon Ausdruck der neuen Sparpolitik an der Wiener Burg: eine kahle Rampe, die ansteigt bis zur nackten Brandmauer, übersät mit verkohlten Papierschnipseln, hie und da stehen ein paar Kartons herum, auch eine schäbige Matratze gammelt nutzlos vor sich hin. Tatsächlich ist diese schaurige Schräge aber wohl nicht der finanziellen Schieflage des Burgtheaters geschuldet. Im modernen Theaterbetrieb wird langfristig geplant, Bühnenbilder zum Beispiel werden schon Monate vorher entworfen. Das abgewrackte Ambiente ist daher eher als Bekenntnis zur Trash-Ästhetik zu verstehen denn als Ausdruck eisernen Sparwillens.
Regisseur David Bösch hat Parzival von der Waldlichtung in eine Art Großstadtbrache verpflanzt. Aus Tankred Dorsts Natur- und Waldkind, dessen Naivität in blindwütige Brutalität umschlägt, ist so ein modernes Ghetto-Kid geworden, das sich bedenkenlos nimmt von der Welt, was es braucht, ohne Rücksicht auf Verluste, und diese damit in ein apokalyptisches Wasteland verwandelt, ein wüstes Land, als das sich die verwahrloste Bühne im Akademietheater natürlich auch interpretieren lässt. Videoprojektionen von Hochhausruinen, Feuersbrünsten und Tierkadavern unterstützen diese Deutung, mit der man sich durchaus anfreunden könnte, würde David Bösch nicht jeden Anflug von Ernst durch lustige Einfälle sofort wieder verscheuchen.
Parzival des modernen Regietheaters
Bösch tritt einmal mehr als eine Art Parzival des modernen Regietheaters auf. Er gibt den reinen Toren, der naiv und scheinbar ohne Arg mit den Möglichkeiten der Bühne spielt. Bei seinen frühen Arbeiten ließ dieses juvenile Ungestüm die Zuschauer regelmäßig staunen. Mittlerweile ist Bösch aber zum Theater-Berufsjugendlichen verkommen, der routiniert mit Versatzstücken der Popkultur spielt.
Die Ritter der Tafelrunde galoppieren im Hopserlauf über die Bühne und erinnern in ihren goldenen Strumpfhosen und scheppernden Rüstungen an Monty Pythons' "Ritter der Kokosnuss". Brustpanzer werden schon Mal mit Akku-Bohrern aufgeschraubt, Schwertergefuchtel mit Comic-Geräuschen garniert; ein Live-Musiker steuert rockige Rhythmen und schnulzige Balladen bei. Viel grelle Oberfläche, wenig dahinter.
Lucas Gregorowicz in der Titelrolle ist ein Straßenjunge in kurzen Hosen, ein Zappelphilipp mit ADS, Strubbelfrisur und schmutzigem Gesicht, erst hibbelig, später ein Hipster, der mit Kapuze überm Kopf Lässiges ins Mikrophon singsangt.
In der zweiten Hälfte der anderthalb Stunden kurzen Aufführung kehrt etwas Ruhe ein ins bunte Treiben, doch da hat man längst das Interesse verloren an dieser Inszenierung, in der offenkundig vor allem an einem gespart wurde: an tieferen Gedanken.
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