Theater handgemacht

Besuch im Maschinenraum

Auf der Bühne des Ekhof-Theaters proben Schauspieler am 01.07.2015 in Gotha (Thüringen) eine Szene der Komödie "Der Impresario von Smyrna" von Carlo Goldoni.
Das älteste erhaltenen Barocktheater mit noch funktionierender mechanischer Bühnentechnik. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Henry Bernhard · 19.08.2017
Beim Gothaer Ekhof-Festival wird im ältesten erhaltenen Barocktheater mit noch funktionierender mechanischer Bühnentechnik gespielt. Für die Mechanik sind ein Dutzend Männer am Werk.
"So Männer, drei fehlen noch – oder? Christian kommt…"

Über einen Seiteneingang des Ekhof-Theaters im Gothaer Schloß Friedenstein treten nach und nach schwarz gekleidet acht Männer und eine Frau auf die Bühne. Sie werden die Bühnenbilder von Shakespeares "Sommernachtstraum" bewegen, für Wind, Donner und Licht sorgen. Stefan Dittmeyer macht die Einweisung:

"Der Plan ist heute folgender: Wir bauen wieder ganz normal um auf Kerker, und dann üben wir die Verwandlung wie gehabt, bindet dann noch mal ein! Und dann schauen wir mal, wie es weitergeht. Ihr macht die Farbfilter fertig für heute Abend! Und dann schauen wir mal."

"Die Kulissenschieber bringen gerade die blauen Farbfilter über den Lampen auf. Und die Bühnenbilder werden eingesetzt. Wir haben ja hier die Kulissenschnellverwandlungsmaschine. Wir sind imstande, das Bühnenbild in fünf Sekunden zu wechseln, wie es auch schon vor 300 Jahren hier üblich war."

Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg hatte das Theater Ende des 17. Jahrhunderts in den vormaligen Ballsaal des Schlosses einbauen lassen. Ab 1775 stand hier eines der ersten festen Theater-Ensembles überhaupt auf der Bühne. In dieser Zeit war das Theater eines der wichtigsten im deutschsprachigen Raum. Die heutige Ausstattung, die Kulissenschnellverwandlungsmaschinerie, ist noch original.

"Es gibt praktisch einen Wellbaum in der Unterbühne, an dem sind Seile aufgewickelt, an dem wiederum die Kulissenwagen befestigt sind. Und wenn ich den Wellbaum drehe, wickele ich ein Seil auf und ziehe somit einen Kulissenwagen, auf dem das Bühnenbild steht, in das Bühnenbild hinein. Und über ein weiteres Seil und eine Umlenkrolle auf der anderen Seite des Bühnenwagens fährt das vorhandene Bild nach draußen. An einem modernen Theater funktioniert das alles elektrisch auf Knopfruck oder hydraulisch; hier machen wir das alles mit reiner Muskelkraft."

Vier Männer auf wackligen Klappstühlen

Am Bühnenrand stehen die Kulissen, die durch Schlitze im Boden mit Kulissenwagen in der Unterbühne verbunden sind. Und während die Schauspieler sich einsprechen, geht es herab, unter die Bühne. Ein staubiger Boden, teilweise mit Ziegelsteinen bedeckt. Darauf eine Maschinerie ganz aus Holz, Wellen, Zahnrädern, verbunden mit Seilen. Aufrecht stehen können die vier Männer nicht.
- "Ist hier noch was frei?"
- "Der ist hier frei."
- "Da würde ich mich mal mit hinsetzen."
- "Na klar!"
"Es ist ein bißchen wie auf dem Segelschiff, sage ich mal. Die Kulissenschieber binden hier jetzt knapp 50 Knoten, praktisch diese ganzen Kulissenwagen ein. Und wenn wir dann einmal das Bühnenbild verwandelt haben und ich den dritten Wagen in jeder Gasse zeigen will, sprich, das dritte Bild, müssen die Jungs 50 Knoten aufmachen und wieder 50 einbinden, den neuen Kulissenwagen einbinden, und dann kann ich das nächste Bild zeigen."
"Das heißt, sie wissen, was sie gerade hier oben anschließen?"
"Jaja, wir haben ja unsere Vorgaben. Der hintere und der vordere Wagen müssen jetzt hier an den Wellbaum gebracht werden. Und die binden wir jetzt ein, vorne und hinten. Das machen wir mit allen. Und da haben wir jetzt schon Erfahrung alle."
Als alles angeschlossen ist, sitzen die vier Männer auf wackeligen Klappstühlen. Manche arbeiten hier, um sich ein paar Euro zum Studium dazuzuverdienen, andere, weil ihnen die Aura so gefällt. Robert Kolb, 27 Jahre alt, ist im siebten Sommer dabei. Tagsüber arbeitet er ironischerweise als Elektroniker für Automatisierungstechnik.
"Ja, man könnte das effektiver machen, aber da würde auch der Reiz verloren gehen, weil: Wenn man sieht, wie diese ganze Sache funktioniert und eigentlich von vorne aussieht wie automatisch gesteuert, und trotzdem weiß man hinten, alles ist per Muskelkraft nur geregelt, ist das schon beeindruckend."
Oben beginnt die Vorstellung. Die vier Männer sitzen schweigend, einer schaut auf sein Handy, jeder weiß, dass die erste Wandlung nach 7 Minuten kommt. Auf das Stichwort springen alle auf Position. Wenn das Glöckchen läutet, müssen sie kurbeln. Oben ist in wenigen Sekunden aus einem Festsaal eine Parklandschaft geworden.
Nach der Pause dann der Blick aus dem Zuschauerraum: Wie von Geisterhand verwandelt sich die Bühne in nur fünf Sekunden in einen Wald.
"Droll
Gießen will
Ich dir still
Auf die Augen Arzenei.
Wirst du wach,
O so lach
Freundlich der,
Die vorher
Du geliebt, und bleib ihr treu."
Am Ende, nach dem Beifall im immer ausverkauften Haus, erzählt Jens Wassermann, Produzent des Stücks und Darsteller des Puck, vom Glück, im Ekhof-Theater spielen zu können.
"Ich bin ganz oft als Kind mit meiner Mutter hier oben in dem 1. Rang langgelaufen. Und ich stand da oben in der Mittelloge als kleiner Junge, fünf, sechs Jahre, und wollte immer Schauspieler werden. Mich hat die Bühne so verzaubert, 'O, Mutti, ich möchte hier unbedingt Theater spielen!' Und mit dem Sommernachtsraum, das ist wirklich so ein Traum! Weil, es ist ein Traum, hier auf der Bühne stehen zu dürfen, und auch noch, Theater heute in dieser Form spielen zu dürfen! Mit Donner, Windmaschine, also diesen Theaterzauber zu erleben, das ist echt was ganz Großartiges!"
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