Theater am Rand in Brandenburg

Da draußen geht noch was

Der Schauspieler Thomas Rühmann (l) und der Musiker Tobias Morgenstern, Betreiber des Theaters am Rand im brandenburgischen Zollbrücke im Oderbruch, vor ihrer Spielstätte (aufgenommen 2008).
Der Schauspieler Thomas Rühmann (links) und der Musiker Tobias Morgenstern, Betreiber des Theaters am Rand im brandenburgischen Zollbrücke im Oderbruch, vor ihrer Spielstätte. © picture alliance / ZB / Patrick Pleul
Von Sandra Voß · 18.08.2015
Das Licht und der Himmel brachten den Akkordeonist Tobias Morgenstern auf die Idee, im brandenburgischen Oderbruch das Theater am Rand zu gründen. Inzwischen ist es überregional bekannt, 200 Zuschauer haben Platz - und jeder zahlt, wie viel er mag.
Hier draußen, dicht an der Grenze zu Polen, gibt es nichts außer unendliche Weite, flache Felder, eine holprige Straße und ein Schild: Sackgasse. Am Ende der Straße ist der grün bewachsene Deich zu sehen, dahinter fließt die Oder.
Von einem großen Obstbaum geschützt, schmiegt sich ein windschiefes Haus in die Landschaft, das Theater am Rand. Der Akkordeonist Tobias Morgenstern, Mitbegründer und Intendant des Theater am Rand, erzählt, warum er gerade hier lebt und arbeitet.
"Weil es einfach schön ist, weil ich hier im Januar gestanden habe und das Licht gesehen habe und die Himmelsausschnitte und gedacht habe, man müsste eigentlich nen warmen Hintern haben, hier draußen sitzen können und das sehen können und dazu Theater spielen oder Geschichten erzählen oder was auch immer."
Inzwischen ist das Theater am Rand weit über die über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Am Abend treten zwei junge Talente aus der Berliner Schauspielschule Ernst Busch auf, Leonard Scheicher und Felix Strobel, sie spielen "Felix Krull".
Beide sind zum ersten Mal an diesem verwunschenen Ort.
Leonard Scheicher: "Wir sind über Straßen gefahren, bei denen man sich im Auto gefühlt wie ein Motorboot, und plötzlich taucht dann hier das Ufo auf und man fragt sich, wo sind wir hier gelandet, im Nirwana?"
Felix Strobel: "Das Besondere ist erst mal, dass man eine Hütte aus Baumstämmen sieht, bzw. ein wie ein Ufo wirkendes Haus, wo oben so ein haifischartig wirkendes Ding drauf ist, wo man erst mal denkt, wie kommt das denn hier her, aufs Land'."
Turm als Wahrzeichen und Wärmespeicher
Dieser haifischartige, silbern glänzende Turm ist wie alles hier eine Konstruktion von Tobias Morgenstern. Der Turm ist das Wahrzeichen des Theaters und mit 13 Metern der höchste Punkt in der flachen Landschaft. Er dient außerdem als Wärmespeicher und leitet die Energie über dicke Rohre in den Theaterraum, der so im Winter bis zu zehn Grad wärmer wird. Jetzt im Sommer aber gibt es jede Menge Frischluft, denn drei Wände der Theaterarena sind komplett zu öffnen, so dass sie den Blick in die Weite der Landschaft freigeben."
Tobias Morgenstern: "Das war das Anliegen von mir, den Übergang von Drinnen und Draußen so nahtlos zu gestalten, dass man zu jeder Jahreszeit ganz schnell das Theater aufmachen kann und die Natur hinein holen kann."
Vor 17 Jahren hat alles angefangen, durch Zufall. Morgenstern und seinem Partner, dem Schauspieler Thomas Rühmann wurden die Leserechte für ein von ihnen erarbeitetes Stück verweigert. So spielten sie kurzerhand für Freunde im Wohnzimmer des alten Fachwerkhauses, das heute ihr Büro ist. Damals kamen 33 Leute. Heute hat das Theater Platz für 200 Zuschauer.
Die neuste Umbauidee von Morgenstern ist die Theaterklause. Hier soll das Gemüse gekocht und angeboten werden, das die Nachbarn nebenan auf ihrem ökologisch geführten Hof anbauen.
Inzwischen ist es 19 Uhr, die ersten Gäste stehen wartend vor dem Tor.
Viele sind Stammgäste und wissen, was sie erwartet.
Zuschauer: "Na ja, das Rustikale, ist ja klar. Und die Landschaft und wenn es das Wetter erlaubt und hinten die Bühne aufgeht."
Roter Abendhimmel über dem Oberlicht
Für das heutige Stück "Felix Krull" bleiben die Seitewände geschlossen. Den beiden Schauspielern Leonard Scheicher und Felix Strobel, die das Stück selber erarbeitet haben und Regie führen, ist die konzentrierte Salon-Atmosphäre wichtig.
So sind nur die Oberlichter geöffnet, durch die eine leichte Sommerbrise ins Theater weht und die einen Blick in den rot gefärbten Abendhimmel erlauben.
Nach einer Stunde ist Schluss. Das Publikum strahlt freudig.
Zuschauer:"Ja, wunderbar. Wir sind ganz aufgeregt, weil es so schön war."
Auch das Finanzielle regelt das Theater am Rand anders als andere.
Hier wird erst beim Hinausgehen bezahlt, und zwar so viel, wie es jedem Zuschauer wert ist.
Tobias Morgenstern: "Das ist eine Vision, man also die Menschen dazu ermutig, darüber nachzudenken, wie viel wir brauchen, damit es weitergeht. Denn der Abend, in dem sie gesessen haben, der ist bezahlt. Es geht einfach um die Zukunft. "
Für die jungen Schauspieler war es eine überraschend positive Erfahrung, außerhalb der großen Stadt zu spielen.
Leonard Scheicher: "Irgendwie hat man so ein Gefühl gehabt von Luft und Weite. Irgendwie war das Publikum auch anders."
Felix Strobel: "Irgendwie war das Publikum auch anders. Es war ein sehr offenes Publikum. "
Beide sind sich einig, hier draußen geht noch was.
Leonard Scheicher: "Wir würden gerne wiederkommen, wenn‘s möglich ist, auch gerne mit einem anderen Stück, mit Shakespeare."
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