Thea Dorns USA-Kolumne

Was Trump und Wagners Nibelungen gemeinsam haben

Donald Trump
US-Präsident Donald Trump im Oval Office © picture alliance/dpa/Foto: Pete Marovich
Von Thea Dorn · 01.02.2017
Goldene Vorhänge zieren neuerdings das Oval Office im Weißen Haus. Schriftstellerin Thea Dorn, die gerade in den USA weilt, erkennt in diesem Gebaren des US-Präsidenten den sexuell frustrierten Zwerg aus Wagners "Der Ring des Nibelungen".
Knappe zwei Wochen ist das Bild nun alt. Täglich wird es mir neu gezeigt. Ich bin in Pennsylvania, gerade mal hundert Meilen vom Original entfernt. Und dennoch trifft es mich stets aufs Neue wie ein Schlag: dass die Vorhänge im Oval Office jetzt golden sind.
Seit ich dieses Bild zum ersten Mal sah, geht mir die Frage nicht aus dem Kopf: Woher kenne ich das? Ich meine nicht die Talmitürme, die der 45. Präsident der Vereinigten Staaten in seinem bisherigen Leben hat errichten lassen. Ein viel tieferes Erinnerungsbild ist’s, das mich am Ärmel zupft. Plötzlich, heute Morgen, sprang es mich an: Alberich! "Der Ring des Nibelungen"! "Rheingold"! Natürlich! Daher kenne ich diesen überhitzten Drang nach allem, was glänzt und gleißt: die Geburt der Goldgeilheit aus dem Geiste der sexuellen Frustration!
Wir erinnern uns: Bei Richard Wagner beginnt das ganze Elend damit, dass der Nibelung Alberich die Rheintöchter begrapschen will, diese sich aber als typische "nasty women" erweisen – oder, komplexer ausgedrückt, als "schmählich schlaues, lüderlich schlechtes Gelichter". Die drei Schönen verspotten den Grapscher als "lüsternen Kauz", als "haarigen, höckrigen Geck", machen sich lustig über seine "Krötengestalt" und seiner "Stimme Gekrächz".

Nun sind sich allerdings die meisten Beobachter einig, dass zumindest der junge Trump keinesfalls als "schwieliges Schwefelgezwerg" durch die New Yorker Nachtclubs gegeistert ist. Seine zweite Gattin, Marla Maples, sorgte 1990 für die legendäre Schlagzeile: "Best Sex I´ve Ever Had". Manch einer wollte in dem groß gewachsenen Nachwuchs-Millionär gar einen zweiten Robert Redford erkannt haben. Aber glauben wir wirklich, dass Robert Redford es jemals nötig hatte, mit verstellter Stimme und unter falschem Namen bei Boulevardzeitungen anzurufen und sich als sein eigener Stellvertreter auszugeben, um derart getarnt damit zu prahlen, dass sämtliche Frauen von Madonna bis Sharon Stone Schlange stünden, bis sein Boss sie endlich flachlege?

Die Rache für erlittene erotische Schmach

Bei Wagner rächt Alberich sich für die erlittene erotische Schmach, indem er die Liebe auf ewig verflucht, den schnippischen Nixen das Rheingold entreißt und daraus den weltbeherrschenden Ring schmiedet. Sein nüchternes Kalkül: "Eure schmucken Frau`n, die mein Frei`n verschmäht, sie zwingt zur Lust sich der Zwerg, lacht Liebe ihm nicht." Oder, weniger komplex ausgedrückt: "When you’re a star, they let you do anything... grab them by the pussy."
Jeder, der danach strebt, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden, muss einen ausgeprägten Willen zur Macht besitzen. Doch nie sah dieser Wille so lieb- und freudlos aus wie im Gesicht jenes Mannes, der nun im Oval Office vor seinen Goldvorhängen hockt. Und darin liegt vielleicht die erschreckendste Ähnlichkeit mit Wagners übellaunigem Nibelungen: Im Hass auf alles, was "lebt, lacht und liebt", wie es im "Ring" heißt.
Wagner selbst zeigte Verständnis, dass sich der zu kurz gekommene Zwerg an Walhalls Establishment rächen will: An Wotan, dem fröhlich herumvögelnden Obergott – ein Schelm, wer hier an einen gewissen früheren Präsidenten denkt – und an dessen ehrgeizig-strenger Gattin Fricka – ein noch größerer Schelm, wer hier an eine gewisse frühere First Lady denkt, die selbst Präsidentin werden wollte. Doch Wagner, der um die sexuellen Neurosen des Mannes wusste wie kaum ein zweiter, lässt keinen Zweifel daran, dass sich die Fraktion der zu kurz Gekommenen mitnichten über neue Größe freuen darf, sobald Alberich nach der Macht greift. "Mit Golde gekirrt, nach Gold nur sollt ihr noch gieren!" So lautet sein politisches Programm. Und zumindest in diesem Punkt ist der germanische Nachtalb deutlich ehrlicher als sein Cousin im Weißen Haus: Donald Alberich Trump.

Die Schriftstellerin und Publizistin Thea Dorn ist seit dem 22. Januar 2017 für mehrere Monate "Writer in Residence" am Dickinson College in Carlisle, Pennsylvania. In dieser Zeit wird sie für Deutschlandradio Kultur in ihrer Kolumne Eindrücke aus den USA schildern, wo mit dem 45. US-Präsidenten Donald Trump gerade eine Zeit des Umbruchs stattfindet.



Thea Dorn
© picture alliance/dpa/Foto: Erwin Elsner