Thea Dorns USA-Kolumne

Krieg den Familienbanden!

Thea Dorn
Thea Dorn © dpa / picture alliance
Von Thea Dorn · 19.04.2017
Eine Vatertochter (Ivanka Trump), ein dicker Fisch, der sich im Haifischbecken durchbeißt (ihr Gatte), ein Präsident, der eine neue Dynastie begründet (Donald Trump). Die Schriftstellerin Thea Dorn lebt derzeit als "writer in residence" in Pennsylvania und reflektiert ihre Erfahrungen im Trump-Amerika.
Wir neigen dazu, eine Familie, die um jeden Preis zusammenhält, für etwas Schönes und Gutes, wenn auch nicht immer Wahres zu halten. Seit ich jedoch versuche, mir einen Reim auf das Phänomen der amerikanischen Familienbande, um nicht zu sagen: der amerikanischen Familienbanden zu machen, fühle ich mich in meinem alten Verdacht bestätigt, dass Familie weniger die Keimzelle des Aufgeklärt-Zivilisierten, als vielmehr des Archaisch-Mafiösen ist.
Vor zwei Wochen gab Ivanka Trump im amerikanischen Frühstücksfernsehen ein Interview, in dem sie versuchte, sich als eigenständige, fortschrittliche Karrierefrau zu präsentieren. Gleichzeitig ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie vor allem eins sei: her father's daughter – die Tochter ihres Vaters oder (in der englischen Wendung schwingen beide Bedeutungen mit) eine Vatertochter.

Durchbeißen im Haifischbecken

Ihr Gatte, Jared Kushner, der sich im Haifischbecken des Weißen Hauses mittlerweile zum einflussreichsten Präsidentenberater hinaufgeschwommen bzw. -gebissen hat, scheint eine ähnlich innige Beziehung zu seinem Vater zu unterhalten: Gegen Charles Kushner – der wie Donald Trump in den Vororten von New York als Sohn eines Immobilienmoguls groß und reich geworden ist – wurde 2005 wegen Steuerhinterziehung und illegaler Parteispenden ermittelt.
Nachdem ein Schwager von Charles Kushner ankündigte, gegen ihn auszusagen, schickte dieser seinem Verwandten eine Prostituierte vorbei – samt Privatdetektiv, der das Vergnügen heimlich auf Video festhielt. Dieses Video nun wiederum schickte Kushner als dezente Drohung an seine Schwester. Die Schwester und der Schwager ließen sich jedoch nicht erpressen, sondern gingen mit dem Filmchen stracks zur Staatsanwaltschaft – woraufhin Kushner senior sich auch noch wegen versuchter Zeugen-Einschüchterung zu verantworten hatte.
In einem Interview mit einem New Yorker Immobilienmagazin erklärte sein Sohn Jarred, warum dieser Prozess ihn damals bewogen habe, seine Karriereambitionen als Staatsanwalt zu begraben. Er habe erkannt, dass – ganz gleich ob juristisch im Recht oder Unrecht – er es nicht verantworten könne, Familien derartiges Leid zuzufügen, wie es der seinen angetan worden sei.
Außerdem könne man vielleicht Mörder eindeutig verurteilen, aber Wirtschaftskriminalität sei ein viel zu "nuancenreiches" Phänomen, als dass die Justiz hier klare Urteile sprechen dürfe. Wohlgemerkt: Dieses Interview gab Kushner junior lange, nachdem sein Vater sich in allen Punkten der Anklage schuldig bekannt hatte.
Da staunt selbst Al Capone – und Donald Trump, der mit seinem Vater gleichfalls durch jedes Korruptions- und Diskriminierungs-Verdachts-Dickicht gegangen ist, freut sich über einen solchen Schwiegersohn.

Statt adliger gibt es jetzt politische Clans

Als die Gründungsväter der USA vor knapp 250 Jahren beschlossen, sich von der britischen Krone unabhängig zu machen, beschlossen sie, den Feudalismus auf der anderen Seite des Atlantiks zu lassen. Die Idee des Dynastischen scheint jedoch als blinder Passagier mitgesegelt zu sein. Im 19. Jahrhundert waren es die Rockefellers, Vanderbilts und Astors, die Amerika prägten, im 20. Jahrhundert kamen einflussreiche politische Clans wie die Roosevelts oder Kennedys hinzu.
Eigentlich ist dieser Hang zum Dynastischen ein erstaunliches Phänomen in einem Land, dessen zentraler Mythos davon handelt, dass du nicht als Millionär geboren werden musst, um es bis ganz hinauf zu schaffen, sondern dass du als Tellerwäscher ebenso gute Chancen hast.

Unkritische Loyalität zur Familie

Nicht weniger erstaunlich ist es, dass Donald Trump den unteren sozialen Schichten bis heute weismachen kann, er gehöre weniger zum Establishment als die Clintons oder die Obamas, die sich zwar anschicken, ihrerseits mächtige Dynastien zu begründen – die aber selbst aus eher einfachen Verhältnissen stammen, also viel eher das amerikanische Aufstiegsideal verkörpern.
Offenbar ist es die unbedingte, unkritische Loyalität zur Familie, gepaart mit einem tiefsitzenden Misstrauen gegen jegliche Einmischung von außen, die in diesem großen, zerklüfteten Land die mentale Brücke zwischen den Hillbillies und den Rockefellers, zwischen den aus Tradition armen und den aus Tradition reichen Clans schlägt. Sollte dem so sein, kann die Devise für alle, die an den amerikanischen Traum glauben und ihn verwirklichen wollen, nur lauten: Friede dem Rechtsstaat! Krieg den Familienbanden!
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