Terrorangst und offene Gesellschaft - Wie viel Überwachung muss sein?

26.08.2006
"Die Videoüberwachung muss ausgeweitet werden", seit den misslungenen Anschlägen auf Regionalzüge und der Festnahme eines der mutmaßlichen Attentäter reißt die Diskussion um die Sicherheitslage in Deutschland nicht ab.
Im Mittelpunkt der Kontroverse stehen nicht nur die Verstärkung der Kameraüberwachung, sondern auch die geplante Anti-Terror-Datei und die Ausweitung der Sicherheitsgesetze. "So nah war die Bedrohung noch nie", warnt Innenminister Wolfgang Schäuble, "Wir wissen gar nicht, wen wir hier alles noch haben."

Unterstützung findet er unter anderem bei der Gewerkschaft der Polizei:"Wir sollten vom Ernst der Lage nicht erst durch viele Todesopfer überzeugt werden", sagt der der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Er fordert, der Polizei die Instrumente zur Terrorismusbekämpfung zurückzugeben, die ihr durch "falschen Datenschutz" von der Justiz aus der Hand genommen worden seien. Dazu gehöre die Rücknahme der Einschränkung bei der Wohnraumüberwachung und der Rasterfahndung.

Zu den vehementen Kritikern einer weiteren Verschärfung der Sicherheitsgesetze gehört der Journalist Heribert Prantl. "Terror verändert die Gesellschaft", mahnte der ehemalige Richter und Staatsanwalt bereits im Jahr 2003 angesichts der Diskussionen rund um die sicherheitspolitischen Folgen der Anschläge am 11. September 2001 in den USA. "Terror macht Angst. Angst ist die Triebfeder des Krieges – auch für den Krieg im Inneren. Angst ist eine Autobahn für Sicherheitsgesetze." In seinem mittlerweile vergriffenen Buch "Verdächtig – Der starke Staat und die Politik der inneren Unsicherheit" aus dem Jahr 2002 warnt Prantl vor der Aushöhlung der Bürgerrechte: "In der Geschichte der Bundesrepublik sind noch nie so viele Gesetze auf einen Schlag geändert und verschärft worden; so offen wie in diesen Gesetzen ist noch nie ausgesprochen worden, dass der Bürger nicht mehr Subjekt, sondern Objekt der Gesetze ist."

Prantls Analyse ist aktueller denn je: Großer Lauschangriff, Rasterfahndung, Telefonüberwachung, GPS-gestützte Handy-Ortung, die Speicherung genetischer Fingerabdrücke, biometrische Daten in Pässen, Einsicht in Bank-Post- und Luftverkehrsdaten – der Staat behandele jeden Bürger als möglichen Täter. Die Balance von Sicherheit und Freiheit sei dahin, der liberale Rechtsstaat durch den Anti-Terror-Kampf in seinem Wesenskern verletzt.

Wie viele Einschnitte in unsere Rechte müssen und wollen wir zur Abwehr von Terroranschlägen und Gefahren hinnehmen?

Drohen uns "britische Verhältnisse", bei denen die Bürger durchschnittlich 300 Mal pro Tag von Kameras aufgezeichnet werden?

Garantiert mehr Überwachung tatsächlich mehr Sicherheit?

Wo verläuft der Grat zwischen Freiheit und Sicherheit?

Wo sind die Grenzen der offenen Gesellschaft?

"Terrorangst und die offene Gesellschaft – Wie viel Überwachung muss sein?" – darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:07 Uhr bis 11 Uhr mit Konrad Freiberg und Heribert Prantl in der Sendung "Radiofeuilleton – Im Gespräch". Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mmail unter gespraech@dradio.de.