Temporeiches Boulevardstück

Rezensiert von Edelgard Abenstein · 08.08.2005
P.G. Wodehouse zählt zu den größten Humoristen Englands im 20. Jahrhundert. Und das zu Recht, wie sein nun übersetzter Roman "Monty im Glück" beweist. Wodehouse lässt hier sein Romanpersonal auf einem Transatlantik-Dampfer zusammentreffen und grotesk-komische Situationen erleben.
Alles liegt – hoch aktuell in den Zeiten von Pisa – an einer kleinen Rechtschreibschwäche. Da der junge Mann in einem Brief an seine Verlobte das unabdingbar scheinende Wort Mysterium nicht zu buchstabieren vermag, nimmt das Unheil seinen schicksalhaften Lauf. Monty, ein Müßiggänger aus der englischen Upper Class, leicht verschroben, dafür von zutraulichem und stets sonnigem Gemüt, findet sich auf einem Transatlantik-Dampfer mit Kurs auf New York wieder. Er will vergessen, denn die Angebetete, tief gekränkt und gleichfalls auf der Suche nach Ablenkung, hat ihm den Laufpass gegeben.

Was eignet sich besser als eine Schiffspassage, um das Personal eines Romans mit größter Zuverlässigkeit glücklich-unglücklich aufeinandertreffen zu lassen. Um das Herz der Geliebten, einer hockeyspielenden Tochter aus gutem Hause, zurückzugewinnen, hat sich der Held mit einer kapriziösen, durchsetzungsfreudigen Filmdiva herumzuschlagen, mit einem juwelenschmuggelnden Produzenten, einer Plaudertasche von Schiffssteward und einem nach Hollywood-Ruhm strebenden Romancier.

Obendrein kommen verwandtschaftliche Verwicklungen ins Spiel, amouröse Verirrungen sowie Eifersucht, Intrigen und Erpressung. Munter stolpert man von einem Fettnäpfchen ins nächste und bewältigt zahllose kleinere Katastrophen, bevor am Ende drei selig vereinte Liebespaare auf dem Boden der Neuen Welt stehen, in der nach aller erlittenen Unbill anscheinend gerade rechtzeitig die Prohibition abgeschafft wurde, damit das Happy End angemessen mit "Schampus" zu begießen ist.

"Monty im Glück" von P. G. Wodehouse ist ein temporeiches Boulevardstück in Prosa, eine Salonkomödie von feinster Machart. Die Handlung, hübsch verworren und raffiniert gestrickt, führt scheinbar Unvereinbares zusammen. Das skurrile Personal plaudert in hinreißend komischen Dialogen, besonders der weibliche Teil zeichnet sich zur rechten Zeit durch das "mot juste" aus:

"...ein Mädchen hat das gute Recht, unter dem Geliebten hin und wieder eine Stange Dynamit zu zünden, wenn er sich gar zu mausig macht..."

Und um das Potential eines künftigen Filmschauspielers zu charakterisieren, heißt es, er wäre "wahrscheinlich schon als Apfel in 'Wilhelm Tell' hoffnungslos überfordert". Während sich die Szenen nach dem Muster einer Operette ohne Musik überstürzen und die England- und Hollywood-Klischees in Grotesken umschlagen, bangt man lesend inmitten dieses heiteren Grauens um einen gelungenen Ausgang.

Pelham Grenville Wodehouse, genannt "Plum", der an die 90 Romane geschrieben hat, zählt zu den größten Humoristen Englands im 20. Jahrhundert. Die Liste seiner Anhänger reicht von Bertolt Brecht bis John Updike. Hierzulande jedoch, wo "humoristisch" oder "Unterhaltungsliteratur" noch immer einen faden Beigeschmack haben, hatte es der Meister der brillant erzählten Nebensächlichkeiten immer schwer. Wodehouse, der 1975 mit 94 Jahren starb, wurde häufig Belanglosigkeit vorgeworfen. Dabei liegt seine Qualität im erzählerischen Witz, im zutiefst anarchistischen Potential, das in jeder gelungenen Persiflage schlummert.

Glücklich ein Volk, das solch einen fabelhaften literarischen Komödianten zu seinen Nationalheiligtümern zählen darf, glücklich aber auch wir, seit die kleine Züricher edition epoca ihren kongenialen Übersetzer Thomas Schlachter ausgesandt hat, um Wodehouse mit dem nunmehr sechsten Roman auch im Deutschen eine stilistisch hochwertige Heimstatt zu bieten.

Was in der deutschen Literatur so selten ist – "Monty im Glück" beschert den Lesern Stunden des reinsten Vergnügens. Wann hat man zuletzt auf hohem Niveau so viel gekichert, geprustet und lauthals gelacht dank der Gesellschaft einer erfundenen Welt?

P. G. Wodehouse: Monty im Glück
Roman. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter.
edition epoca, Zürich. 352 Seiten. 22,90 Euro